Hält das Atomabkommen mit Iran?

Kapitol, Washington D.C.

Trumps abschätzigen Äußerungen über das Abkommen zum Trotz, die Lager in der US-Administration sind gespalten, neue Sanktionen werden zunächst nicht erwartet

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Am morgigen Dienstag verstreicht die 60-Tage-Frist des US-Kongresses für die Auferlegung von Iran-Sanktionen. US-Präsident Trump hatte am 13. Oktober den Iran-Atomdeal "dezertifiziert", ohne jedoch selbst Sanktionen wiedereinzuführen. Diese Verantwortung übergab er dem Kongress, der aber mit großer Sicherheit bis morgen keine neuen Sanktionen beschließen wird. Der Beitrag identifiziert die unterschiedlichen Lager in der US-Regierung in Bezug auf die Iran-Politik und wagt einen Blick in die Zukunft.

"Hunde, die bellen, beißen nicht"?

Während des US-Präsidentschaftswahlkampfs äußerte sich Donald Trump abschätzig über den Atomdeal mit Iran. Letzterer sei "der schlechteste Deal, der je ausgehandelt wurde", den es zu "zerfetzen" gelte, so der damalige Kandidat der Republikaner. Er versprach, ihn als Präsident aufzulösen.

Nach dem Wahlerfolg Trumps fand Irans Staatsoberhaupt Ayatollah Ali Khamenei noch lobende Worte, weil Trump einerseits die Wahrheit über die Verhältnisse in seinem Land ausspreche und weil er andererseits das wahre Gesicht der USA offenbare. Andere Offizielle, wie der Vizechef des Parlaments, Ali Mottahari, begrüßten Trumps Wahlsieg wegen seiner konzilianten Haltung gegenüber Syrien und Russland.

Im ersten Halbjahr von Trumps Amtszeit schienen Befürchtungen, er würde den Atomdeal aufkündigen, als grundlos - ganz nach dem Motto "Hunde, die bellen, beißen nicht". Erst im April und dann noch einmal im Juli hatte der US-Präsident bestätigt, dass Iran sich an das Abkommen halte. Im Mai hatte Trump auch die Aussetzung der Sanktionen verlängert.

Der US-Präsident soll dem Kongress nun alle 90 Tage mitteilen, ob Iran seinen Verpflichtungen nachgekommen ist oder nicht und ob somit die auf das Atomprogramm bezogenen Sanktionen weiterhin ausgesetzt werden sollen (im Folgenden als Überprüfung bezeichnet). Damit war der Unterschied zwischen Trumpscher Rhetorik und tatsächlicher Politik greifbar. Doch wegen der prinzipiell ablehnenden Haltung des Präsidenten gegenüber dem Iran-Deal wurde dann die nächste Überprüfungsrunde im Oktober weltweit mit Spannung erwartet.

Spannungen zwischen Trump und Tillerson

Die ersten Monate von Trumps Amtszeit waren jedoch von Zerwürfnissen in der Frage des Umgangs mit dem Iran-Atomdeal geprägt. Die Iran-Politik der Trump-Regierung werde gerade noch entwickelt, so Außenminister Rex Tillerson Mitte Juni 2017 bei einer Anhörung im US-Repräsentantenhaus. Schlussfolgerungen zur zukünftigen Iran-Politik der USA sind zwar nicht abschließend möglich, doch kann man bereits die verschiedenen Lager in der Iran-Frage identifizieren.

Zunächst lohnt ein Blick auf die Gesamtlage der US-Außenpolitik unter Trump. In einem wohl einmaligen Akt wurde unter der Trump-Administration das Außenministerium marginalisiert, was seine Rolle in der US-Außenpolitik merklich geschmälert hat: Hohe Beamtenstellen (nicht zuletzt auch jene für den Nahen und Mittleren Osten) wurden nicht besetzt, Karrierediplomaten wurden von Entscheidungsprozessen ferngehalten, was die US-Diplomatie in eine beispiellose Krise manövriert hat. Vorrang hingegen hatten in der Außenpolitik das Weiße Haus (einschließlich Trumps Schwiegersohn Jared Kushner und Tochter Ivanka) und das Pentagon.

Innerhalb des Außenministeriums selbst hat Tillerson den - mit ihm vertrauten Beratern besetzten - Policy Planning Staff ermächtigt und somit traditionelle Entscheidungsprozesse mithilfe hoher Beamter untergraben. Manche sprachen von der Bildung eines "Mini-Imperiums".1

Tatsächlich haben die Spannungen zwischen Trump und Tillerson längst größere Bedeutung erlangt. Für große Aufmerksamkeit sorgte Anfang Oktober 2017, dass Tillerson Trump womöglich als "Trottel" bezeichnet hatte, woraufhin dieser ihn ernsthaft zu einem vergleichenden IQ-Test aufforderte.

Jedoch konnten schon Anfang Juni in der Katar-Krise sich deutlich widersprechende öffentliche Aussagen von Trump und Tillerson beobachtet werden, weshalb Insider Tillerson bereits Unzufriedenheit mit seiner Rolle als Außenminister attestieren. Seit kurzem gibt es Spekulationen darüber, wie lange sich Tillerson noch im Amt halten kann.

Bei der Überprüfung des Atomdeals im Juli wurde von einer hitzigen Auseinandersetzung zwischen dem Präsidenten und seinem Außenminister berichtet. Trump warf Tillerson und dem Außenministerium vor, dass ihm entgegen seinen anderslautenden expliziten Vorgaben lediglich eine einzige Option auf den Tisch gelegt worden sei, wonach der Iran-Deal weiterhin als erfüllt zu betrachten ist.

Trump wolle aber auch eine Option angeboten bekommen, wodurch er erklären könne, dass Teheran nicht im Einklang mit den Vertragsabsprachen sei. Bei der vorherigen Überprüfungsrunde im April hatte Trump Tillerson aufgefordert, spezifische Vorbereitungen zu treffen, darunter mit ausländischen Bündnispartnern zu sprechen, um sie ins Boot zu holen.

Berichten zufolge kam Tillerson dieser Aufforderung jedoch nicht nach, was Trumps Vertrauen in den Außenminister massiv schmälerte, zumal er von ihm nicht mit den gewünschten Optionen ausgestattet wurde.