Macrons Migrationspolitik

"Refugee Welcome"-Bild aus alten Tagen, September 2015 in Toulouse. Foto: Gyrostat / CC BY-SA 4.0

"Seine Politik fällt noch härter aus als unter Sarkozy" - in Medien und in seiner Partei wird erste Kritik an Macrons rigider Linie wach

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Die Migrationspolitik unter Macron fällt härter aus unter seinen Vorgängern, berichtet Le Monde. Sogar Sarkozy, der sich noch als Innenminister 2005 mit der Kärcher-Äußerung - "Ab morgen werden wir die cité (gemeint war die Pariser Vorstadt La Corneuve, Anm. d. A) mit dem Kärcher reinigen" - das Profil eines "Hardliners" verschafft hatte, sei als Präsident in der Praxis nicht so weit gegangen wie Macron, der sich um ein prononciert humanistisches Image bemüht.

"Raus aus der Misere"

Er wolle bis zum Ende des Jahres "niemanden, keine Frau und keinen Mann, mehr auf der Straße oder in den Gehölzen " sehen, die erste Schlacht werde darum gefochten, dass alle in Würde untergebracht werden: "Ich will überall Notunterkünfte", verkündete Macron im Juli.

Die Anspielung mit den "Gehölzen" oder "kleinen Wäldern, wie die wörtliche Übersetzung von "bois" ins Deutsche lautet, verstand in Frankreich jeder. Gemeint war der sogenannte Jungle, das Lager der Flüchtlinge in Calais (siehe: "Hast Du Dich gesehen, Du Affe? - Rumble in the Jungle in Calais), das zwar schon aufgelöst worden war, aber es gab aber noch Ausharrende und Reste des Camps und zudem zu viele Wiederholungen des Ablaufs: Räumen- Wiederaufbauen -Räumen - Wiederaufbauen.

Mit den "Straßen" waren die improvisierten Zelt- und Schlaflager in Paris gemeint, die den Stadtbewohnern wie den Medien die Misere der Migrantenpolitik vorführten.

Dazu kommt dann auch noch ein Schauplatz, der in Deutschland kaum in der Berichterstattung erwähnt wird: die Grenze zwischen Frankreich und Italien im Süden am illustren, vormals legendären Küstenstreifen an der Côte, wo doch eigentlich die Schönen im Luxus leben: zwischen Menton, auf der französischen Seite, und Ventimiglia, auf der italienischen.

Dort zelten und hausen Migranten, die über Italien meist aus afrikanischen Ländern kommen, unter Unterführungen oder irgendwo im Gelände oder im Hinterland. Wenn sie Glück haben, dann finden sie im Roya-Tal Platz in einer bekannten Zufluchtstätte, die ein Bauer zur Verfügung stellt, der deswegen schon vor Gericht kam.

Abschreckung ...

Macron will dies alles ändern. Die polizeilichen Umsetzungsmaßnahmen gleichen aber denen der Vorgängerregierungen. Unter Präsident Sarkozy (2007-2012), wie auch unter Hollande (2012-2017) gingen Polizisten und Räumkommandos nicht gerade behutsam beim Abbau der Lager vor. Das robust-raue Vorgehen bleibt auch unter Macron ein Handlungsgebot.

Medien berichten davon, dass die Polizisten frühmorgens in der Kälte kommen und den Gestrandeten die Decken wegziehen. Der Auftritt soll möglichst abschreckend wirken, damit die improvisierten Lager nicht wieder neu errichtet werden. Das ist ein altes, bekanntes Problem.

... und Kontrolle über Notunterkünfte

Neu ist aber, dass Macron, anders als die Staatschefs zuvor, nun auch die Notaufnahmen für Obdachlose genauer unter die Lupe nimmt. Die "Centres d'hébergement d'urgence" waren bislang eine Zone, wo sich die Behörden zurückhielten. Dorthin können sich Personen begeben, die keine Papiere haben und sie werden für 24 Stunden aufgenommen. Damit bildete sich in den Notaufnahmen ein Zufluchtsort für die "Sans Papiers", Personen ohne Aufenthaltsdokumente. Es wurde nicht genau hingeschaut, sondern geduldet und geholfen.

Sogar Sarkozy wich dem Bericht von Le Monde zufolge vor einem härteren Vorgehen zurück. Bei Macron soll das nun anders sein. Wie sein oben genanntes Zitat zeigt, baut er einerseits auf die Notunterkünfte, andrerseits will er genau kontrollieren, wie er durch Rundschreiben an Präfekturen bekannt machte, wer sich dort aufhält. Angedacht sind "mobile Brigaden", welche die Personen kontrollieren, die sich in den sozialen Aufnahmen aufhalten.

Kritik aus den eigenen Reihen

Das führt, wie auch das Vorgehen der Polizei bei den improvisierten Lagern, zu ersten Protesten nicht nur von Hilfsorganisationen und zivilgesellschaftlichen Vertretern, sondern auch innerhalb seiner Partei und der Fraktion der "République en Marche".

Zum ersten Mal sei eine echte Bruchlinie zwischen Lagern zu erkennen, diagnostiziert Le Monde angesichts der ersten Vorbereitungen zu einem neuen Gesetz zur Migrationspolitik, das ziemlich bald im kommenden Jahres zur Abstimmung in den beiden Kammern kommen soll.

Die ersten Stimmen, die auf die Härten der Migrationspolitik Macrons hinweisen, melden sich vernehmbar, nicht nur unter den Linken, sondern auch in der Partei La République en Marche. Das gab es bei dem großen wirtschaftlichen Projekt, den Direktiven zur Reform des Arbeitsgesetzes nicht, obwohl gerade diese Reform als besonders strittig ausgewiesen wurde.

Über Asyl soll möglichst außerhalb entschieden werden

Mittlerweile wird auch die Strategie des neuen Präsidenten etwas klarer. Sie besteht hauptsächlich darin, dass weniger Migranten kommen und mehr zurückgeführt werden sollen und dafür die kleinere Zahl besser untergebracht und versorgt werden soll.

Wie an dieser Stelle schon erwähnt, wurde die neue Regierung dazu angewiesen, großen Wert auf die Unterscheidung zwischen Flüchtlingen aus politischen Gründen und Armutsmigranten zu legen (siehe Asylsuchende sollen deutlicher von Migranten unterschieden werden). Diejenigen, die keine Aussicht auf Gewährung von Asyl haben, sollen erst gar nicht ins Land kommen.

Die Einrichtung von Zentren der französischen Behörde, die darüber entscheidet, in afrikanischen Ländern, ist eine "Säule" der neuen Migrationspolitik" (siehe Frankreich überprüft Migranten demnächst in Afrika). Abgelehnte Asylbewerber bzw. Personen ohne Aufenthaltsrecht sollen schneller und entschiedener rückgeführt werden. Die politischen Ansprüche oder Ansagen der beiden Nachbarländer Deutschland und Frankreich sind sich hier sehr ähnlich.

Macron fügt dem noch einen eigenen Akzent hinzu, der öffentlich gut ankommt. Er macht sich für Umsiedelungen stark, die von UN-Flüchtlingshilfsorganisationen unterstützt werden.

Der französische Staatspräsident betont gerne, dass man Flüchtlinge aus Afrika mit der Aussicht auf Asylgewährung menschenwürdig nach Frankreich bringen will, um ihnen die lebensgefährliche Überfahrt übers Mittelmeer zu ersparen. Die "Kontingente", die in den Genuss dieser Einladung kommen, sind bislang überschaubar groß .