"Die Rechten sind einfach viel besser im Nutzen sozialer Medien"

Bundespräsident Alexander Van der Bellen am 20.12.2017 bei der Regierungserklärung im Nationalrat. Bild: Parlamentsdirektion / Thomas Topf

Ein Gespräch mit dem ehemaligen Sozialsprecher der österreichischen Grünen Karl Öllinger über die neue türkis-blaue Bundesregierung und die Zukunft seines Info-Portals "Stoppt die Rechten"

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Telepolis trifft Karl Öllinger wenige Stunden, nachdem die neue österreichische Bundesregierung angelobt wurde, in einem Wiener Kaffeehaus. Öllinger gehörte lange Zeit dem österreichischen Nationalrat an und war Sozialsprecher der Grünen. Mit dem Ausscheiden der Partei aus dem Nationalrat musste er seine Informationsseite im Internet "Stoppt die Rechten" einstellen, die die Umtriebe österreichischer Neonazis und Rechtsradikaler dokumentierte.

Wie geht es Ihnen Herr Öllinger?

Karl Öllinger: Naja, ich war gerade auf der Demo. - Ich finde das alles ganz schlimm. Vom Regierungsprogramm habe ich bis jetzt nur wenig angeschaut, weil ich mir gedacht habe, ich gebe mir das nur dosiert. Das Kapitel über Arbeitslose habe ich gelesen und da findet sich die Handschrift der Industriellenvereinigung. Bösartig, wirklich sehr bösartig.

Was im Einzelnen ist bösartig?

Karl Öllinger: Die FPÖ hat gemeinsam mit der SPÖ und den Grünen in den letzten Wochen der alten Legislaturperiode die Abschaffung der Anrechnung des Partnereinkommens bei der Notstandshilfe beschlossen. Das war eine Bestimmung, die hauptsächlich den Frauen geschadet hat, aber nicht nur. Die Anrechnung wurde gerade erst abgeschafft und jetzt soll gleich die ganze Notstandshilfe abgeschafft werden. Die frühere soziale Verbesserung hat dadurch natürlich keinen Nutzen mehr.

Das Ende der Notstandshilfe ist eine sehr weitgehende Maßnahme, weil es Österreich im rechtlichen Status weitgehend Hartz-IV angleicht. Diese eigentlich "Arbeitslosengeld II" genannte Maßnahme hat die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe bedeutet, die in Österreich eben Notstandshilfe heißt. Hier findet sich im Regierungsprogramm nebenbei noch die Koppelung der Höhe des Arbeitslosengeldes an die Dauer der Arbeitslosigkeit. Degressive Gestaltung des Arbeitslosengeldes also, je länger arbeitslos, desto weniger Geld.

Arbeitslosengeld wird ohnehin nur zeitlich befristet gewährt. Aber selbst wenn der zeitliche Rahmen des Arbeitslosengeldes auf drei oder vier Jahre gestreckt würde, ist dies eine drastische Verschlechterung, weil die Leute nachher in die Mindestsicherung wechseln müssen, mit all den Verschlechterungen und sonstigen negativen Rahmenbedingungen.

Dann wurde auch noch eine Bestimmung aufgenommen die den Zuverdienst im Rahmen der Geringfügigkeit nur mehr zeitlich befristet erlaubt. Langzeitarbeitslose, in der Regel sind es ältere Arbeitnehmer, werden ein immer geringeres Entgelt haben, weil sie ab einem bestimmten Punkt nicht mehr geringfügig dazuverdienen dürfen. Das wird für viele eine Katastrophe.

Die Wiener ÖVP hat plakatieren lassen "Gerechtigkeit nur für die Leistungswilligen", also für jene, die arbeiten wollen. Dahinter steckt die Behauptung wenn jemand nur arbeiten will, dann wird er auch Arbeit finden.

Karl Öllinger: Das ist natürlich nur eine falsche Behauptung. Wenn diese Maßnahmen greifen, dann würde das bedeuten, dass es einen enormen Sog gibt auf das Lohn- und Einkommensniveau insgesamt. Dann muss zu allen Bedingungen ein Job angenommen werden, also eigentlich genau das, was man sich von einer solchen Regierung erwarten musste, aber nicht wahrhaben wollte.

Die FPÖ hat in der Vergangenheit schon lange mit solchen Modellen gespielt. Was ich in unserer jetzigen Situation befürchte, ist, dass dies auf der Bewusstseinsebene dazu führen wird, dass man auf die Wähler zu schimpfen beginnt. Also auf diejenigen, die am meisten darunter leiden werden.

Es gibt eine bestimmte Klientel von FPÖ-Wählern, die Arbeitslose sind und die einer Art "Unterklasse" angehören oder mit welcher problematischen Bezeichnung man das auch beschreiben mag, und gerade in diesen Kreisen, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, hat die FPÖ eine nicht geringe Zustimmung. Auf diese Personen zu schimpfen und sie für das Elend, das da jetzt beginnt, verantwortlich zu machen, halte ich für höchst problematisch und auch für falsch. Ich würde eher über die schimpfen, die außerhalb der FPÖ in den letzten Jahren behauptet haben, die FPÖ sei eine ganz passable Sozialpartei. Es gibt genügend Sozialdemokraten die das immer wieder behauptet haben. Aber auch dieses Schimpfen hilft uns nicht weiter im Moment.