Zu wenige von uns

Neben der Spur

Endlich haben sich ein paar Firmen durchgerungen, uns digital zu kopieren. Es gibt einfach zu wenige von uns, das könnte helfen

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Mal zugegeben: Da läuft man am Silvesterabend durch menschenleere Straßen, kann nur hie und da ein paar einsame Gestalten in der Ferne erspähen, die mühsam die Erinnerung an das in uns hervorrufen, was Menschen einmal waren. Es gibt einfach nicht genug von uns, als dass wir uns selbst noch an uns erinnern könnten. Ja, so trist fängt 2018 an. Keine schöne Einsicht.

Aber dann stolpert man über zwei Nachrichten, die noch aus dem vergangenen Jahr zu uns herüber wehen, und Hoffnung keimt auf.

Google zum Beispiel springt in die Kerbe und erlöst uns zumindest partiell ein wenig aus der Einsamkeit. Mit einem neuen Text to Speech Algorithmus, der in einem Paper jetzt schon einmal veröffentlich wurde (bisher unausgesprochen, aber das wird das neue System bald erledigen). Das schicke neue Teil mit dem Namen Tacotron 2 soll so unglaublich gut und real sein, dass man den Unterschied von gesprochenem und generiert gesprochenem Text, also den zwischen Mensch und Maschine, nicht mehr unterscheiden können soll. Gerüchteweise hat Google auch versucht, Menschen das Sprechen so beizubringen, dass sie wie Computer klingen, aber die meisten Server haben bei einem Blindtest nur müde ihre Laufwerke geschüttelt. Glatt durchgefallen. Also eben so herum.

Und das ist gut, denn uns gingen ja schon die aus, die laut vorlesen wollen. Eine bleierne Stille lag über dem sorgenvollen Land, die jetzt durch die unendlich oft zu hörenden Lesestimmen aus dem PC wieder mittels heller Stimme durchbrochen wird. Alles wird gut.

Und mitten hinein in diese tröstliche Nachricht platzt nun die Ankündigung von ObEN aus Kalifornien, dass man bereit sei, von jedem auf diesem Planeten einen digitalen Zwilling herzustellen. Das ist toll, auch wenn wir uns fragen, warum es nur einen geben soll, schließlich wäre das doch endlich einmal die ideale Möglichkeit, den Groove einer karnickelartig sich vermehrenden Großfamilie auszuprobieren. Wer würde nicht morgens gerne den PC anschalten, und eine Hundertschaft der eigenen Art brüllt einem ein "Morgen, Alter, gut siehst Du aus" entgegen.

Ernsthaft: Der Zwilling soll zum Beispiel so etwas wie Siri oder Cortana ersetzen und ganz individuell blöde Antworten auf schlecht gestellte Fragen ausspucken. Oder der DigiTwin könnte mit der Hilfe von Google auch Texte laut vorlesen. Fast so, als täte man das selbst.

Also, das wäre schon etwas Besonderes, wenn ich mir selbst von mir etwas für mich vorlesen lassen könnte. Das wäre ja fast so, als würde ich mir selbst etwas vorlesen. Unglaublich, wie toll die nächsten Jahre werden.