Syrien: Rückeroberung von Idlib hat begonnen

Braun: Syrische Armee und Verbündete. Grau: Syrische al-Qaida und Verbündete. Karte: Southfront

Explosion in Hauptquartier tschetschenischer Dschihadisten mit 23 Toten

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Die syrische Armee und ihre Verbündeten nahmen dem von der syrischen al-Qaida-Filiale Fatah asch-Scham angeführten Dschihadistenbündnis Tahrir asch-Scham gestern nach übereinstimmenden Berichten von syrischen und westlichen Medien die strategisch wichtige Stadt Sindschar ab. Die Operation zur Befreiung dieser Ortschaft begann bereits Anfang Januar mit der Einnahme der Dörfer Sardscha und Umm al-Halahil, die Tiger-Einheiten am Dreikönigstag unter ihre Kontrolle brachten.

Das nicht mit dem gleichnamigen Ort im Nordirak zu verwechselnde syrische Sindschar liegt in der Nähe eines Militärflughafens und an einer Verbindungsstraße zwischen Damaskus und Aleppo, die seit 2015 von Dschihadisten kontrolliert wird. Die Ortschaft gilt nach der Einnahme von gut 80 Dörfern als erste wichtige Rückeroberung in der Provinz Idlib, die weitgehend von der Fatah asch-Scham und ihren Verbündeten beherrscht wird.

Zurückhaltung in Washington, Moskau, Ankara und Teheran

Die in Syrien engagierten Mächte USA, Russland, Türkei und Iran halten sich bislang mit offiziellen Kommentaren zu den Ereignissen zurück. Anfragen von Telepolis blieben ohne Antworten. Nur aus der russischen Botschaft in Deutschland hieß es, man "beobachte die letzten Entwicklungen in Idlib mit großer Besorgnis". Für einen offiziellen Kommentar wurde jedoch auf Moskau verwiesen, wo man am Wochenende das orthodoxe Weihnachtsfest feierte.

Der im mit Ankara verbündeten Katar ansässige Sender al-Dschasira kritisierte gestern, dass die Rückeroberung in einer der Deeskalationszonen stattfand, auf die sich die Türkei, Russland und der Iran im letzten Jahr einigten. Seinen Angaben nach fliehen Syrer aus Idlib derzeit wieder in großer Zahl über die türkische Grenze, um sich vor den Kämpfen in Sicherheit zu bringen.

Kämpfe zwischen verschiedenen Dschihadistengruppen

Diese Kämpfe finden kurdischen Medienberichten nach nicht nur zwischen der Armee und ihren Verbündeten auf der einen und der syrischen al-Qaida und ihren Verbündeten auf der anderen Seite statt, sondern auch zwischen verschiedenen Dschihadistengruppen, zu denen seit Dezember erneut die Terrororganisation IS gehören soll.

Zu einem Bombenanschlag, der am Sonntag in der Provinzhauptstadt mindestens 23 Tote und weitere 35 Verletzte forderte, bekannte sich bislang noch keine der in Idlib aktiven Dschihadistengruppen. Dass sich unter den Toten nur sieben Zivilisten befinden, lag daran, dass der Anschlag dem Hauptquartier der tschetschenischen Adschnad al-Kaukas galt, die bislang zu den wichtigsten al-Qaida-Verbündeten zählte. US-Medien konzentrieren sich in ihrer Syrienberichterstattung heute vor allem auf diesen Anschlag und auf Luftangriffe gegen Dschihadisten in der Region Damaskus.

Iran: Keine dauerhaften Stützpunkte

Die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua will derweil erfahren haben, dass die türkische Armee plant, mit 15.000 Soldaten in den durch einen türkisch besetzten Gebietsstreifen westlich von Dscharabulus von der syrisch-kurdischen Hauptregion abgeschnittenen Kurdenkanton Afrin einzumarschieren. Gerüchte, dass die Türkei so etwas vorhaben könnte, kursieren bereits seit dem letzten Jahr. Auch dazu gibt es bislang keine offizielle türkische Stellungnahme.

Für den Iran, wo man derzeit vor allem mit heimischen Protesten beschäftigt ist, dementierte Parlamentssprecherberater Hossein Amir Abdollahian gestern Medienberichte, dass sein Land dauerhafte Militärstützpunkte in Syrien einrichte. Man wolle aber so lange in dem Bürgerkriegsland verbleiben, wie die mit Teheran verbündete syrische Regierung das wünsche.

Im Osten Syriens sind die Dschihadisten inzwischen weitgehend besiegt - südlichwestlich des Euphrat von der syrischen Armee, nordöstlich davon von Kurdenmilizen, die von den USA unterstützt wurden. Mit einer Beseitigung der letzten Dschihadistennester wird bis Ende Februar gerechnet.

Weil auch zahlreiche Islamisten aus Deutschland für das Terrorkalifat kämpften und sich biologisch vermehrten, erwartet die deutsche Bundesregierung in einer heute über die Tageszeitung Die Welt bekannt gewordenen Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen die Einreise einer "niedrigen dreistelligen Zahl von Minderjährigen" aus Dschihadistenfamilien. Hans-Georg Maaßen, der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), bewertet diese Minderjährigen als "besonderes Sicherheitsrisiko".