Syrien: Wer steckt hinter den Drohnenangriffen auf russische Militärbasen?

Munition der Drohnen. Bild: Russisches Verteidigungsministerium

Im russischen Verteidigungsministerium wird vermutet, dass Milizen von den USA unterstützt werden, da sie dazu ein Know-how bräuchten, das sie nicht selbst aufbringen können. Update: Laut Putin sind die Verantwortlichen bekannt

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Stecken die USA hinter Drohnenangriffen auf russische Militärbasen oder schaffen das auch ambitionierte Bastler unter den Dschihadisten und anderen Milizionären, die der syrischen Regierung und ihrem stärksten Verbündeten ans Leder wollen?

Es gab zuletzt mehrere Angriffe auf russische Militäreinrichtungen in Syrien, in mindestens einem Fall wurden Drohnen eingesetzt. Zwar wird grundsätzlich von russischer Seite nicht bestritten, dass Milizen die Absender der "Selbstmord"- oder "Einweg"-Drohnen, wie man sie auch nennen könnte, waren, aber im russischen Verteidigungsministerium werden laut Tass Verbindungen zu den USA hergestellt.

"Ein seltsamer Zufall"

"… Es ist ein seltsamer Zufall, dass ein US-Aufklärungsflugzeug des Typs Poseidon mehr als vier Stunden lang in 7.000 Metern Höhe über dem Mittelmeer kreuzte, während Drohnen russische Militäreinrichtungen angriffen", zitiert die russische Nachrichtenagentur eine Quelle aus dem Verteidigungsministerium in Moskau. Darüber hinaus spekuliert die namentlich nicht genannte Quelle über die Anforderungen, die ein solcher Drohnenangriff an die Milizen stellt.

Für das Programmieren der Steuersysteme der Drohnen und für das Fallenlassen der GPS-geleiteten Munition sei ein abgeschlossenes Ingenieursstudium in einem entwickelten Land nötig. Nicht jeder sei dazu fähig, die exakten Koordinaten auf Grundlage der Luftüberwachungsdaten zu berechnen, heißt es weiter im Statement der unbekannten Quelle aus dem Verteidigungsministerium, das mit dem Satz endet: "Wir möchten gerne noch einmal betonen, dass die Terroristen bis vor kurzem nichts dergleichen hatten."

Die Andeutung ist offensichtlich. Es steckt jemand hinter den neuen Fähigkeiten der Terroristen in Syrien und das Aufklärungsflugzeug ist ein dicker Fingerzeig. Auch der kritische Kommentator der westlichen Berichterstattung zum Syrien-Krieg, das Blog Moon of Alabama, mutmaßt, dass sich die USA angesichts des Scheiterns des Regime-Change in Syrien nun auf Sabotageversuche verlegen und die Drohnenangriffe dazu gehören. Die Angriffe seien mit technisch anspruchsvoller Bewaffnung ausgeführt worden, von Drohnen mit einer Reichweite von 100 Kilometern und einem US-Aufklärer in der Nähe.

Zu behaupten, wie es die USA tun, dass dies der IS oder einige "Rebellen" getan haben, ist Unsinn. Der IS baute bewaffnete Drohnen mit kurzer Reichweite, die mit Fernsteuerung und im Sichtmodus geflogen wurden. Dieser Angriff wurde von autonomen Drohnen ausgeführt, die GPS benutzten und barometrische Drucksensoren, um den Weg zu ihrem Ziel zu finden. Das ist qualitativ auf einer ganz neuen Ebene.

Moon of Alabama

Aber auch die "qualitativ ganz neue Ebene" stellte das russische Abwehrsystem vor keine Probleme, wie Berichte zum Drohnenangriff am 6. Januar auf die russischen Militärbasen in Khmeimim und Tartus durchblicken lassen. Von den 13 Kampfdrohnen seien sieben abgeschossen worden, sechs wurden unter Kontrolle gebracht und zur Landung gezwungen, berichtet Tass.

Mehrere Angriffe

Im israelischen Magazin Defense-update wird detaillierter auf das Phänomen eingegangen. Angedeutet wird, dass dem Angriff am 6. Januar bereits andere vorangingen, so am 31. Dezember auf Khmeimim, wo laut russischen Quellen Schäden an Flugzeugen angerichtet wurde, es sich aber angeblich um Angriffe mit Granaten handelte. Bei Southfront wird dies angezweifelt.

Milizen würden behaupten, dass Drohnen eingesetzt wurden. Bewiesen sei das aber nicht. Ähnliches gilt für andere Vorfälle in den folgenden Tagen in Homs - bei einem Angriff auf russische Minensucher - und bei Bomben, die angeblich von Drohnen in Qardaha und Jableh abgeworfen wurden: Die Nachrichtenlage ist diffus.

Doch kann man nach den Erfahrungen beim Kampf der irakischen Armee gegen den IS in Mosul davon ausgehen, dass der Einsatz von Drohnen kein Hirngespinst ist. Die Frage ist, wer zu welchem technischen Niveau imstande ist.

Geht es nach dem Defense-update-Bericht, so hatte das russische Abwehrsystem Pantsir-S1 überhaupt kein Problem mit den Drohnen, die angeblich bereits weit vor ihrem Ziel entdeckt worden waren und aus einer Entfernung von etwa 50 Kilometer abgefeuert worden waren.

Syrische Miliz bekennt sich zum Drohnen-Angriff

Laut Informationen des israelischen Magazins gab SOHR zunächst an, dass sich "eine islamische Gruppe und islamische Extremisten" zu den Angriffen bekannt hätten, später aber zeichnete sich eine bislang unbekannte Gruppe namens "Freie Alawitische Bewegung" dafür verantwortlich. Quellen, die angeblich der syrischen Regierung nahestehen, machten Ahrar al-Sham oder Hayat Tahrir al-Sham (mit al-Qaida-Kern) dafür verantwortlich.

Alles auf dem Schwarzmarkt erhältlich

In dem Bericht werden die Drohnen und die Munition anhand von Fotos, die vom russischen Verteidigungsministerium stammen, genauer vorgestellt. Nach Angaben, die in einem aktuellen Bericht der US-Webseite The Daily Beast zu erfahren sind, sind Bestandteile und Eigentümlichkeiten der Drohnen und der Munition, die das russische Ministerium auf den Fotos darstellt, auch in Anzeigen zu finden, die die Beast-Reporter Adam Rawnsley und Christiaan Triebert auf Telegram-Seiten entdeckt haben, die sie als "Schwarzmarkt für Waffen" bezeichnen.

Trifft zu, was die beiden Journalisten behaupten, so wäre die Beschaffung der Bestandteile für die Drohnen kein großes Problem und bei der Entwicklung von selbstgebauten Waffen haben Milizen im Irak und in Syrien schon einiges Geschick gezeigt, so dass derartige Bastelarbeiten, wie sie die Drohnen auf den russischen Fotos zeigen, völlig innerhalb der Möglichkeiten liegen.

Was die Steuerung anbelangt, so verweisen "ambitionierte Heimwerker" darauf, dass lange Flüge und der Einsatz von GPS bei der Steuerung von Drohnen längst zur Routine gehören. Ein abgeschlossenes Ingenieursstudium brauche man dafür nicht. Wie die Munition, die, wie das Foto zeigt, an einem Haken befestigt ist, und rechtzeitig ausgeklinkt werden muss, dann den Weg zum Ziel findet, dürfte allerdings schon eine anspruchsvollere Aufgabenstellung sein.

[Update:]

Wie die Nachrichtenagentur Tass und RT am Donnerstagabend melden, hat der russische Präsident Putin bei einem Treffen mit Medienvertretern bekannt gegeben, dass man die Verantwortlichen für die Angriffe auf die Militärbasis in Khmeimim kenne. Namen nannte er nicht. Putin verneinte, dass es Milizen waren, die zuvor laut einem RT-Bericht verdächtigt worden waren, dass sie die Drohnen von türkischen Gebiet aus gestartet hätten.

"Es waren Provokateure. Es waren nicht die Türken. Wir wissen, wer das war. Wir wissen, wie viel und wem sie für diese Provokation gezahlt haben. (…) Es sind Provokationen, die auf den Zusammenbruch der zuvor erreichten Vereinbarungen ausgerichtet sind", wird der russische Staatschef von Sputnik zitiert.

Da Vereinbarungen zwischen Russland, Iran und der Türkei gemeint sind, weist der Verdacht Putins Richtung USA. Zumal er hinzufügt, dass die einfache Erscheinung der Drohnen (siehe dazu die Fotos hier) "nur Tarnung" sei. Dahinter verberge sich "high-tech equipment".