Vietnam: Die ersten Klimaflüchtlinge

Mekong-Delta. Bild: Landsat/Nasa

Im Süden des Landes ist eine wichtige Agrarregion vom steigenden Meeresspiegel bedroht

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Vietnam hat ein Problem. Ein Klimawandel-Problem. Der äußerste Süden des Landes, das Mekong-Delta, ist nicht nur für die Wirtschaft des Landes und die Versorgung seiner Bewohner von besonderer Bedeutung, es ist auch durch das ansteigende Meer besonders gefährdet. Das flache Schwemmland, das sich westlich und südwestlich von Ho-Chi-Minh-Stadt von der kambodschanischen Grenze bis zur Küste erstreckt, liegt nämlich nur wenige Meter über dem derzeitigen Meeresspiegel, wie man sich unter anderem hier überzeugen kann.

Über die Hälfte der Grundnahrungsmittel und ein erheblicher Teil des Fischfangs – oft aus Aquakulturen – stamme aus dieser Region, schreibt Asia Times Online. 18 Millionen der insgesamt knapp 93 Millionen Vietnamesen lebten dort. Im letzten Jahrzehnt sei die Bevölkerung bereits um eine Million zurückgegangen.

Das ist natürlich zum Teil die ganz gewöhnliche, im Rahmen der Industrialisierung in aller Welt zu beobachtende "Landflucht". Allerdings, so das Ergebnis einer Studie über die Folgen und potenziellen Gefahren des Klimawandels für das Mekong-Delta, ist die Abwanderungsrate dort etwa doppelt so hoch, wie im übrigen Vietnam. Das könnte ein Hinweis auf besonderen Migrationsdruck sein.

Eine andere Untersuchung, die der Beitrag in der Asia Times Online zitiert, kommt zu dem Schluss, dass für 14,5 Prozent der das Delta verlassenden Personen der Klimawandel den Ausschlag gegeben hat.

Erst kürzlich hatte sich gezeigt, dass die Gefahr nicht nur vom Meeresspiegel ausgeht. Im Winter 2015-2016 wurde die Region von einer Jahrhundertdürre heimgesucht. Der geringe Wasserstand der Flüsse und ein Rückgang des Grundwassers führte dazu, dass das Meerwasser weit ins Land eindringen und Ackerböden nachhaltig versalzen konnte. Auf mindestens 160.000 Hektar seien die Ernten zerstört worden. Die Abwanderung stieg danach sprunghaft an.

Der Internationale Währungsfonds hat kürzlich in einer Stellungnahme vor den Folgen des Klimawandels für Vietnam gewarnt. Unter anderem machte er darauf aufmerksam, dass das Land auch durch tropische Wirbelstürme (Taifune) gefährdet sei. Die Zahl der entsprechenden Naturkatastrophen habe in den vergangenen Jahrzehnten bereits deutlich zugenommen.

2017 sei das Land von 12 schweren Stürmen heimgesucht worden. Seit 1990 haben derlei Katastrophen im Durchschnitt 500 Todesopfer pro Jahr gefordert dem Land ein Prozent seiner Wirtschaftsleistung gekostet.

Nach verschiedenen Untersuchungen sowohl der Satelliten-, als auch der an den Küsten aufgenommenen Pegeldaten ist der globale Meeresspiegel in den letzten beiden Jahrzehnten mit einer Geschwindigkeit von 2,2 bis 3,6 Millimetern pro Jahr gestiegen. Die NASA hat hier einige der Arbeiten zu diesem Thema aufgelistet und gibt auch einen Überblick über die verschiedenen Faktoren, die zum Anstieg beitragen.

Die Klimawissenschaftler gehen davon aus, dass sich der Anstieg mit steigenden Temperaturen weiter beschleunigen wird. Ein Anstieg um einen Meter bis zum Ende des Jahrhunderts liegt im Bereich des Wahrscheinlichen, ein Anstieg um zwei Meter ist im Bereich des Möglichen.