Post aus Japan: Autos mit Rückschau

Pkw-Fahrer müssen bald umlernen: Das Ende des Rückspiegels naht, Kameras und Displays übernehmen. Einige Zulieferer aus Nippon mischen ganz vorne mit.

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Von
  • Martin Kölling
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Bei der allgemeinen – sagen wir mal – Displayisierung des Lebens schleicht das Auto bisher dem Alltag der Menschen in den Industrienationen hinterher. Kaum ein Europäer, Amerikaner oder Asiate kommt heutzutage noch ohne Smartphone aus. Die Flimmerkisten wurden ebenfalls durch Flachdisplays ersetzt, smarte Uhren erobern die Handgelenke. Doch bei Autos findet digitale Darstellung nur langsam Einzug.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Ihr Auto mag bereits das Bild einer Rückfahrkamera oder im Fall von Nissan einer 360-Grad-Umschau im Display der Car-Navigation einblenden. Wenn Sie Oberklasse-Limousinen fahren, gibt es vielleicht auch schon digitale Armaturenbretter.

Wenn Sie ganz modern sein wollen, haben sich sich vielleicht sogar einen digitalen Rückspiegel angeschafft. Aber in der Masse überwiegen analoge Instrumente nach vorn und Spiegelbilder nach hinten. Doch die Ideen von zwei japanischen Elektronikkonzernen zeigen, dass der Siegeszug von Displays selbst bei Rückspiegeln nur noch eine Frage der Zeit ist.

Beginnen wir mit Panasonic. Der Elektronikkonzern will zu einem wichtigen Systemhaus für Autohersteller werden. Eine seiner Wachstumshoffnungen sind digitale Rückspiegel. Denn bei denen kann der Konzern sehr gut seine Expertise aus der Kameraherstellung und Bildverarbeitung nutz- und geldbringend zweitverwerten. Panasonic verspricht beispielsweise, den inneren und die zwei äußeren Rückspiegel in einem Display zu konsolidieren.

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Die Idee ist folgerichtig. Bisher müssen Fahrer den Blick von der Straße abwenden, um nach hinten zu schauen. Selbst die ersten digitalen Rückspiegel wie bei dem jüngst von mir getesteten Nissan Leaf sind merkwürdigerweise dort angebracht, wo üblicherweise der innere Rückspiegel ist. Dabei fände ich es aus zwei Gründen ergonomisch sinnvoller, ihn zentral im Sichtfeld des Fahrers zu platzieren.

Erstens müsste man wie gesagt seine Aufmerksamkeit weniger vom Verkehrsgeschehen vor dem Auto abwenden, das in der Regel wichtiger ist als was hinter einem geschieht. Zweitens spiegelt sich die reale Welt im digitalen Rückspiegel immer noch so stark, dass ich mich im Nissan Leaf gestört fühlte. Im Armaturenbrett ließe sich das Display hingegen sehr gut entspiegeln.

Die Verwirklichung des Einheitsdisplays scheiterte allerdings bisher daran, dass die Systeme die Bilder von den drei Kameras, die die Spiegel ersetzen, nicht schnell und glatt genug in einem Bild verschmolzen werden konnten. Panasonic will dies nun in Echtzeit schaffen.

Das Modul für die Auto-Erkennung.

(Bild: Martin Kölling)

Mitsubishi Electric wiederum bringt dem Rückspiegel mit künstlicher Intelligenz bei, recht genau zu erkennen, ob sich da ein Pkw oder Lastwagen von hinten nähert. Auf zwei Dinge ist Projektleiter Hidetoshi Mishima dabei ganz besonders stolz.

Erstens funktioniert das System selbst mit wenigen Pixeln Auflösung. Ein Auto kann daher nicht mehr nur 30 Meter weit nach hinten erkennen, was da kommt, sondern 100 Meter. Ein oranges Kästchen um den Pixelhaufen markiert einen Pkw, ein blaues einen Lkw. Damit kann das Auto sich sehr viel früher als bisher auf mögliche Reaktionen vorbereiten. Nebenbei erhöht das System seine Treffergenauigkeit von 14 auf 81 Prozent. Damit ist es LIDAR- und Radarsystemen in der Objekterkennung überlegen. Allerdings könnten diese Systeme besser Entfernungen einschätzen, sagt Mishima.

Zweitens hat Mitsubishi Electric relativ simple Algorithmen entwickelt, die auf handelsüblicher Hardware strom- und geldsparend in einem kleinen Modul im Auto laufen. Ähnliche Technik verwendet der Konzern auch in der Objekterkennung für Roboter. Seine Erfolge beim Verkleinern künstlicher Intelligenz feiert Mitsubishi nun sogar damit, seine Algorithmen unter dem eingetragenen Markennamen "Maisart" feilzubieten. Das steht laut dem Unternehmen für "Mitsubishi Electric's AI creates The State-of-the-Art in Technology".

In Japan werden die ersten Modelle ohne Spiegel laut Mishima bereits im kommenden Jahr auf die Straßen kommen. Doch selbst wenn die ersten Systeme bereits Objekte erkennen könnten, wäre ihr Einsatzgebiet wahrscheinlich begrenzt. Denn selbst Mitsubishi Electrics System ist bisher nur auf vierrädrige Kraftwagen trainiert.

Motorräder sollen folgen, und nicht nur die. "Fußgänger sind technisch auch möglich", sagt Mishima. Aber da sich die Ingenieure derzeit wie Japans Autobauer für ihre semi-autonomen Autos auf die Autobahnfahrt konzentrierten, sind die auch noch nicht notwendig. Normale Straßen seien überdies wegen der Datenlage noch schwierig, so Mishima. Er glaubt, dass sein Team noch mehr als ein Jahr brauchen wird, dem System das Erkennen von Menschen beizubringen.

Aber bis zu den olympischen Sommerspielen 2020 in Tokio ist ja noch etwas Zeit. Dann würde die Regierung gerne die ersten Robotertaxis auf den Straßen sehen. Und denen täte sicherlich eine gute Objekterkennung gut.

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