Moskau lässt die Kurden in Afrin fallen

Foto soll Bombardierung von der Stadt Afrin dokumentieren. Bild: pydrojava.net

Offenbar wurde ein Deal zwischen Moskau und Ankara geschmiedet, türkische Kampfflugzeuge flogen die ersten Einsätze, Moskau betont, man werde sich nicht einmischen

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Wie es aussieht, werden die Kurden in Afrin alleine gelassen. Die Amerikaner haben kein Interesse an Afrin, aber halten noch zu den SDF östlich des Euphrat, um dort ihr Einflussgebiet zu schützen. Zuletzt hieß es noch aus dem russischen Außenministerium, dass die russischen Beobachtungsposten in Afrin nicht abgezogen worden seien. Vor wenigen Minuten berichtete das russische Verteidigungsministerium nach Interfax, die Beobachtungssoldaten seien aus Afrin abgezogen worden. Gestern verhandelten auch noch russische und türkische Militärs, während die Türkei den Beschuss von Zielen in Afrin begann und sich mit Truppenverbänden und Söldnergruppen auf eine Bodenoffensive vorbereitete.

Nachdem heute aber die türkische Luftwaffe in Afrin Angriffe geflogen hatte, war klar, dass Moskau im größeren geostrategischen Schachspiel die Türken gewähren lässt. Man wird schauen müssen, was Moskau für das Stillhalten als Preis verlangt hat.

Die staatliche türkische Nachrichtenagentur AA meldete, dass türkische Kampflugzeuge "Beobachtungsposten und andere Ziele der PYD/PKK-Terroristen" in Afrin bombardiert hätten. Man habe auch Explosionen auf der türkischen Seite gehört, nachdem türkische Flugzeuge die Grenze zu Syrien überquert hätten. Überdies scheinen am Boden zunächst die Kämpfer der türkischen Söldnergruppen, die von der Türkei "Freie Syrische Armee" genannt werden, vorgeschickt worden zu sein. Sie hätten mit gepanzerten Fahrzeugen die Grenze überqueren können und seien auf keinen Widerstand gestoßen.

Die türkische Staatspropaganda verbreitende Nachrichtenagentur spricht von "Terrornestern" in Afrin, die die Sicherheit der Türkei bedrohen. Es würden sich 8-10000 "Terroristen" in Afrin aufhalten. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung seien Araber. Wie Ankara identifiziert AA in jedem Artikel die syrischen Kurden der PYD mit der PKK und lastet beiden Organisationen den Terrorismus an. Von der PYD und den militärischen Verbänden der syrischen Kurden kamen auf die Türkei keine Angriffe, die Türkei hat sich stets stärker gegen die Kurden engagiert, um einen kurdischen Staat oder auch nur ein von syrischen Kurden kontrolliertes Gebiet an der Grenze zu verhindern, als gegen den IS, den die Türkei jahrelang an der Grenze duldete. Dass die PKK erst wieder den Terrorkampf aufgenommen hat, nachdem die Türkei aus taktischen Gründen die Gespräche abbrach, wird von AA nicht berichtet. Es heißt nur, dass die PKK die Kämpfe wieder aufgenommen habe, das brutale Vorgehen des türkischen Militärs gegen die türkischen Kurdengebiete bleibt außer Acht.

Gute Beziehungen zu Damaskus und Ankara

Eine richtige Stellungnahme zu den Geschehnissen in Afrin gibt es aus Moskau noch nicht. Vorgeschickt wurde Senator Frants Klintsewitsch, der stellvertretende Vorsitzende des Verteidigungs- und Sicherheitsausschusses. Er erklärte am Nachmittag, die türkische Operation in Afrin bedeute eine "ernsthafte Eskalierung der Spannungen" in Syrien. Aber Russland werde in den Konflikt nicht eingreifen, versicherte er gegenüber Interfax. Russland werde "seine Streitkräfte nur einsetzen, wenn es eine Bedrohung seiner Militärstützpunkte in Tartus und Khmeimim gibt".

Ansonsten wand sich der russische Senator. Die Syrer und Kurden, die genügend militärische Erfahrung hätten, "werden die Unruhe, die die Türkei verursacht, nicht dulden, aber natürlich ist die türkische Kampfkraft deutlich stärker". Sie werden sich also damit abfinden müssen, so kann man daraus ableiten. Russland sei halt in einer schwierigen Situation, da man "gute Beziehungen zu Damaskus und zu Ankara" habe, die Kurden werden erst gar nicht erwähnt. Jetzt werde die Rolle Russlands als Vermittler desto wichtiger, es sei noch möglich zu verhindern, dass der Konflikt sich verschlechtert. Auch hierbei scheinen die Kurden keine Rolle zu spielen.

Die Verhandlungen in Sotchi über eine Lösung des syrischen Konflikts würden durch die türkische Intervention nicht beeinträchtigt, sagt der Vizeverteidigungsminister Bodanow. Man rufe alle Seiten zur Zurückhaltung auf. Russland wolle die territoriale Integrität schützen und nach einer politischen Lösung des Konflikts suchen. Das russische Militär wäre noch in Syrien, um die Deeskalationsgebiete zu sichern.

Update: Gerade meldet Interfax noch eine neue Version, weswegen Moskau die Kurden fallen und die Türken gewähren lässt. Schuld sind eigentlich die Amerikaner. Das Pentagon habe "unkontrolliert moderne Waffen an Pro-US-Kräfte in Nordsyrien geliefert", das habe dazu geführt, dass die Türkei eine militärische Operation gestartet hat. Und die Türkei habe die Operation "wegen der provokativen Schritte gestartet, die mit Kurden bevölkerten Gebiete abzutrennen".

Gemeint ist damit wohl die Ankündigung, dass die USA mit den syrischen Verbänden eine Grenzsicherungstruppe von 30.000 Mann ausbilden und aufbauen wollen. Nach der Bekundung der US-Regierung, in Syrien weiterhin militärisch präsent zu sein, hatte Moskau wiederholt gefordert, dass die US-Truppen aus Syrien abziehen sollten.