Spanien: Im PP-Korruptionsprozess werden nun Bomben gezündet

Mariano Rajoy, der trotz des Versinkens im Korruptionssumpf, nicht zurücktreten will. Bild: Ministerio de la Presidencia. Gobierno de España

Die Beschuldigten packen im Prozess über die illegale Finanzierung von Rajoys regierender Volkspartei (PP) aus

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Es scheint in Deutschland niemanden (in der Medienwelt) zu interessieren, dass im zweiten großen Korruptionsprozess der regierenden Volkspartei (PP) sich nun offensichtlich eine neue Stimmung breitmacht: Rette sich wer kann, scheint die neue Devise zu lauten. Und dies dürfte vermutlich nicht nur Konsequenzen für die rechte Partei haben, sondern vor allem für ihren Regierungschef. Mariano Rajoy ist in dem großen Korruptionskandal seiner Partei ohnehin schon angeschossen. Mit ihm musste erstmals ein amtierender Regierungschef vor Gericht aussagen.

Verhandelt werden nun vor dem Nationalen Gerichtshof in Madrid die Vorgänge in der Region Valencia, einer einstigen Hochburg der PP. Die Korruptions- und Pleitehochburg hat die Partei wegen der skandalösen Vorgänge dort schon 2015 verloren. Im Zentrum des Skandals steht auch hier der Unternehmer Francisco Correa. Dessen Nachnahme heißt auf Deutsch übersetzt "Gürtel". Unter diesem Decknamen wurden lange Jahre die Ermittlungen geführt. Correa hat viele Deals abgewickelt, in denen Millionen in seine Taschen, in die korrupter Politiker und in die Kassen der PP geflossen sind. Schon zuvor hat Correa ein wenig "an der Decke gezogen". So nennt man das in Spanien, wenn man zu den Vorgängen auspackt, um mit einer günstigeren Strafe davonzukommen.

So hatte er bereits gestanden, dem PP-Schatzmeister Luis Bárcenas immer wieder "Millionen in seinem Haus oder in Genova" übergeben zu haben, womit er die PP-Zentrale in der Genova-Straße in Madrid meint. Und sogar die sei mit Schwarzgeldern renoviert worden, weshalb ein Ermittlungsrichter sie sogar durchsuchen ließ, da die PP geforderte Dokumente nicht herausgab Bárcenas selbst hatte schon eingeräumt, dass sich die Partei zwei Jahrzehnte illegal finanziert hat.

Da Correa schon in einem ersten Verfahren zu einer Haftstrafe von 13 Jahren verurteilt ist – während im zentralen Verfahren das Urteil noch aussteht -, hat er nun begonnen, kräftig an der Decke zu ziehen. Er sitzt seit Februar in Untersuchungshaft und ihm gefällt offenbar nicht, was er dort erlebt. Seine Zukunft sieht finster aus, da für ihn in diesem Verfahren 24 Jahre gefordert wurden. So leitete Correa einen Aussagereigen ein. Er hatte ohnehin schon gestanden, dass die PP immer wieder anrückte, "wenn Wahlkämpfe anstanden", womit sich PP massive Vorteile verschafft hat.

"Warum sitzt nicht die PP auf der Anklagebank?

Correa machte nun am Dienstag klar, dass es der frühere PP-Generalsekretär "Ricardo Costa war, der uns erklärt hat, dass wir die Wahlveranstaltungen der PP den Unternehmern in Rechnung stellen müssen". Sein Mitarbeiter Pablo Crespo sei darüber sehr genervt gewesen. Auf die Frage, wer das angeordnet hat, sagte er klar und deutlich: "Die PP." Den Unternehmern, die für die "Spenden" an gut bezahlte öffentliche Aufträge kamen, sei im Gegenzug gedroht worden, dass das Auftragsvolumen sinken würde, wenn sie nicht bezahlen würden. Dass diese Angaben richtig sind, ist ohnehin längst klar, da neun Unternehmer im Prozess eingeräumt haben, die fiktiven Rechnungen beglichen zu haben.

Daraufhin wurde der Prozess bis Freitag ausgesetzt, da auch Álvaro Pérez (Der Bärtige) und Pablo Crespo damit beginnen wollten, an der Decke zu ziehen. Auch sie fingen an, mit dem Staatsanwalt zu verhandeln. Und so war es Crespo, der am Freitag zunächst weiter ausgepackt hat. Er ist eine besondere Gefahr für Regierungschef Rajoy. Denn Crespo war einst Organisationssekretär von Rajoys PP in Galicien. Von dort stammen beide und wuchsen in der gleichen Provinz Pontevedra politisch heran.

Wäre der Ermittlungsrichter Baltasar Garzón einst nicht so unfähig gewesen, dann wäre die Sache schon längst durch. Denn Crespo hatte in abgehörten Gesprächen seinen Anwalt angewiesen, gewisse Konten aufzulösen, denn die Buchhaltung stelle seine Partei vor "große juristische Probleme". Nur war Garzón illegal vorgegangen, die Aufnahmen mussten verworfen werden und er wurde suspendiert.

Crespo legte dann am Freitag nach. Er bestätigte, dass Wahlkampfveranstaltungen der PP illegal finanziert und nicht vom Rechnungshof überwacht wurden. "Die PP entscheidet, was in A oder in B bezahlt oder den Unternehmen in Rechnung gestellt wird." Die Partei von Rajoy, deren Schwarzgeldkassen bekannt sind, habe auch mit Schwarzgeld "in bar" bezahlt. Auch Crespo zeigte mit dem Finger auf den ehemaligen PP-Generalsekretär in Valencia. Costa habe angeordnet, die falschen Rechnungen an die Unternehmer auszustellen. Costa habe erklärt, die Partei habe kein Geld. "Die einzige Lösung ist, Rechnungen an bestimmte Unternehmen zu stellen." Und für den ehemaligen PP-Führer Crespo ist völlig unverständlich, warum die PP "nicht hier auf der Anklagebank als verantwortlicher Profiteur sitzt".

Mit besonderer Spannung wurde die Aussage der Nummer Drei in dem Skandal gewartet. Am Nachmittag sagte dann auch Álvaro Pérez (Der Bärtige) aus, der wie Crespo und Correa ebenfalls schon verurteilt ist und auf den lange Haftjahre warten. Auch er will deshalb klar kooperieren, um seine Strafe deutlich zu mindern. Pérez, der direkten Kontakte in die Regionalregierung Valencias hatte, machte klar, dass nicht der Generalsekretär Costa die Fäden zog, sondern der frühere Regierungschef Francisco Camps, der ebenfalls schon einmal angeklagt war, aber aus wenig erfindlichen Gründen freigesprochen wurde. "Angeordnet und geschaffen" habe das System der illegalen Finanzierung Camps. "Er war der einzige, der das tun konnte."

Es sei um 3,4 Millionen Euro gegangen und er bestätigte, dass sie auf drei verschiedene Arten bezahlt wurde. Ein Teil legal, ein Teil aus den illegalen Schwarzgeldkassen und einen Teil hätten die Unternehmer bezahlt. Der Generalsekretär Costa habe nur die Befehle von Camps ausgeführt. Der habe sich stets bei wichtigen Fragen mit seinem Chef beraten müssen. Auch er beklagte, dass nicht alle auf der Anklagebank sitzen würden, die dort sitzen müssten, wurde dabei aber sofort vom Richter unterbrochen. Camps sitzt dort jedenfalls nicht.

Rajoy und PP auf dem absteigendem Ast

Mit großer Spannung wird nun auf die Befragung von Costa gewartet. Die Frage steht im Raum, ob auch er auspackt und seinen früheren Chef Camps und damit den Vertrauten des spanischen Regierungschefs Rajoy benennt. Der will natürlich von all dem nichts gewusst haben, obwohl sich die gleichen Vorgänge auch in Madrid abgespielt haben. Eigentlich hätte er längst angesichts der mafiaähnlichen Vorgänge in seiner Partei seinen Hut nehmen müssen. Wenn er von all dem tatsächlich nichts gewusst hat, was sogar in vielen Zeitungen lange Zeit zu lesen war, dann ist er als Regierungschef ungeeignet.

Klar ist aber, dass Rajoy nervös ist. Das zeigen verschiedene Vorgänge. So hatte er, der aus Madrid ja gerade Katalonien unter Zwangsverwaltung hat, die wichtige konstituierende Sitzung des Parlaments auf den 17. Januar um eine Woche vorverlegt. Alles spricht dafür, dass damit der Beginn und die kompromittierenden Aussagen von Correa, Crespo und Pérez überdeckt werden sollten, da die Berichterstattung über Katalonien in Spanien fast alles überlagert, ganz besonders jetzt wieder, wo es um die schwierige Regierungsbildung geht.

Trotz allem kostet der Korruptionssumpf der PP immer mehr Stimmen. Bei den Zwangswahlen in Katalonien wurde sie nur noch schwächste Kraft und wäre in Deutschland an der Hürde von 5% gescheitert. Die rechten Ciudadanos (Bürger) haben die PP dort längst deutlich überflügelt und setzen auch national zum Sturm auf die PP-Vorherrschaft in der Rechten an. In Katalonien kracht es deshalb im Lager der Unionisten. Die Ciudadanos setzen dort nicht zur Nothilfe an und wollen der PP keinen Parlamentarier ausleihen, damit die auf fünf kommt und eine Fraktion bilden kann. Damit würde sie zusätzliche Wahlkampfkostenhilfe in Höhe von etwa 800.000 erhalten, hätte etwas Einfluss in bestimmten Kommissionen und mehr Redezeit.

Der abgestürzte katalanische PP-Chef Xavier García Albiol warf der Partei "fehlenden Patriotismus" vor. In seiner Partei hat man noch nicht gemerkt, dass es keine Einheit der Unionisten gibt und die ultranationalistischen Ciudadanos nicht nur der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung den Garaus machen wollen, sondern auch der PP. In Umfragen liegen die "Bürger" schon vor der Korruptionspartei von Rajoy.