Deutschland und die Steueroasen in der EU

Nur die anderen sind böse, obgleich die Abwärtsbewegung der Unternehmensbesteuerung in der EU Steuerparadiese überflüssig machen könnte

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Europäische Gemeinschaft ist ja bekanntlich an Recht und Gerechtigkeit interessiert und deshalb engagiert sie sich auch mit aller Vehemenz im weltweiten Kampf gegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Die EU-Finanzminister haben eine sogenannte Schwarze Liste mit 17 Steueroasen beschlossen. Nach Angaben aus EU-Kreisen handelt es sich bei den betroffenen Gebieten um Bahrain, Barbados, Grenada und Guam, Macau, die Marschall-Inseln, die Mongolei, Namibia, Palau, Panama sowie Samoa und Amerikanisch-Samoa, St. Lucia, Südkorea, Trinidad und Tobago, Tunesien und die Vereinigten Arabischen Emirate. All diese Länder sollen so zu mehr Steuertransparenz und Datenaustausch bewegt werden.

Die Steueroasen innerhalb der EU werden dabei gar nicht erst erwähnt. Dabei sind doch einige britische Inseln und insbesondere auch Luxemburg geradezu Markenbegriffe für Schwarzgeldverstecker und Intensivtäter in Sachen Steuerhinterziehung. Kaum ein groß angelegter Steuerbetrug ohne Involvierung Luxemburger Banken. Wie hätte etwa die Geldwäsche für Gewinne aus Drogenhandel, Menschenhandel und großangelegten Betrügereien all die Jahre ohne die Schweiz, Liechtenstein und Luxemburg funktionieren sollen? Aber auch Deutschland holt auf, ist zunehmend beliebt bei Geldwäschern.

Jean-Claude Juncker, der über Jahre hin als Luxemburger Finanzminister so eine Art Finanz-Dienstleister für diese Halbwelt war, steht heute der EU-Kommission vor. Immer wieder gab es Ermittlungen gegen einzelne Personen, aber vor allem auch gegen Banken wegen ihrer steuersparenden Transaktionen von und nach Luxemburg.

Etliche der involvierten deutschen Banken mussten vor ein paar Jahren von den in Deutschland Steuer zahlenden Menschen "gerettet" werden. Sie waren "systemrelevant". Welches System war denn in Gefahr? Wenn es sich um das derzeit herrschende System der Reichenförderung, bei gleichzeitig zunehmender Verarmung großer Teile der Bevölkerung handelt, hätte man gut daran getan, diese Banken untergehen zu lassen. Zu den Stützen des Systems, die nach Auffassung der jeweiligen Bundesregierung unbedingt gerettet werden mussten, gehörte auch die HSH Nordbank.

Dieses zeitweise ziemlich marode Institut befindet sich überwiegend im Besitz der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein. Deren Vertreter in den entsprechenden Gremien, die ihr Geld eigentlich dafür bekommen, dass sie Aufsicht führen, kümmerten sich aber nicht um die Niederungen der mehr oder weniger seriösen Geschäftspolitik der Bank. Die Staatsanwaltschaft Köln "verständigte" sich mit der HSH Nordbank 2015 auf eine Strafzahlung in Höhe von 22 Millionen Euro, weil sie über ihre Tochtergesellschaft in Luxemburg zahlreiche Deutsche dabei unterstützt hat, Gelder in Steueroasen zu verschieben.

Wie der NDR schrieb, sei die HSH Nordbank die erste Landesbank, die eingesteht, systematisch Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet zu haben. Im gleichen Jahr musste die ebenfalls mit Steuergeldern am Leben erhaltene Commerzbank wegen ihrer Tochter in Luxemburg und ebenfalls im Rahmen einer Verständigung mit der Staatsanwaltschaft Köln 17 Mio. Euro Strafe zahlen.

Die bösen Steuerparadiese

Diese EU, in deren Leitungsgremien Vertreter des "Finanzzentrums" Luxemburg stets eine führende Rolle spielen, verteilt Noten für andere Staaten und erstellt eine "EU-Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete für Steuerzwecke". Die Liste der Vorhaltungen ist lang.

Ein Auszug aus der Mängelrüge der EU: Amerikanisch-Samoa wende "keinen automatischen Austausch finanzieller Informationen an" und habe das multilaterale OECD-Übereinkommen über die gegenseitige Amtshilfe in seiner geänderten Fassung weder unterzeichnet noch ratifiziert.

Bahrain habe ebenfalls den automatischen Informationsaustauschmit allen EU-Mitgliedstaaten nicht eingerichtet, habe das multilaterale OECD-Übereinkommen über die gegenseitige Amtshilfe in seiner geänderten Fassung weder unterzeichnet noch ratifiziert, begünstige Offshore-Strukturen und Regelungen, die Gewinne ohne reale wirtschaftliche Substanz anziehen, wende die BEPS-Mindeststandards nicht an und hat sich auch nicht verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2018 auf diese Fragen einzugehen.

Barbados - sonst eine wirklich schöne Insel - habe, so ist zu lesen, "eine schädliche Steuervergünstigungsregelung" und sich nicht klar und deutlich verpflichtet, diese wie gefordert bis zum 31. Dezember 2018 zu ändern oder abzuschaffen. Wahrscheinlich werden die undurchsichtigen Strukturen noch gebraucht. Vielleicht auch von einigen, in der EU ansässigen Banken, Firmen und wichtigen Personen. Auch Südkorea, Panama, St. Lucia, Samoa und Tunesien hätten allesamt "eine schädliche Steuervergünstigungsregelung", so heißt im EU-Report.

Immerhin bringt die EU, die ja auch noch für eine Fischfangpolitik verantwortlich ist, deren Auswirkungen für viele arme Küstenländer schlicht existenzbedrohend ist, etwas Mitgefühl für die Länder und Gebiete im Karibischen Raum zum Ausdruck, die im September 2017 von verheerenden Stürmen schwer getroffen wurden, wobei Tote zu beklagen waren und wichtige Infrastrukturen stark beschädigt wurden. Die EU vertritt die Auffassung, dass das Evaluierungsverfahren für diese Länder und Gebiete ausgesetzt werden sollte (Anguilla, Antigua und Barbuda, Bahamas, Britische Jungferninseln, Dominica, St. Kitts und Nevis, Turks- und Caicosinseln sowie Amerikanische Jungferninseln). Die Gruppe "Verhaltenskodex" sollte nichtsdestoweniger bis Februar 2018 weiter Kontakte mit diesen Ländern und Gebieten pflegen, damit diese Bedenken bis Ende 2018 ausgeräumt werden können. Immerhin, die EU sieht auch Fortschritte: So hätten sich Curaçao, Hongkong SVR, Neukaledonien, Oman, Katar und Taiwan verpflichtet, bis 2018 den automatischen Informationsaustausch umzusetzen. Die Türkei wolle dies "bis 2019" tun.