Der eigentliche Skandal: 120 Millionen Tote durchs Auto

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Ein Kommentar

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Seltsames Empörungsritual! Seltsamer homo sapiens! Riesige Aufregung wegen zehn Affen und 25 Menschen als Versuchs-Karnickel. Aber so gut wie keine Aufregung über 120 Millionen Tote weltweit im Autoverkehr nach 1945. 120 Millionen Tote! Und jedes Jahr kommen global drei Millionen Verkehrstote dazu. Doch wo bleibt der Aufschrei? Wo das Entsetzen?

Ein Skandälchen wird aufgeblasen, um vom eigentlichen Skandal abzulenken: Regierungen entschuldigen sich, Autokonzerne geloben Besserung und reden von Ethik, Autofahrer geben sich betroffen. Die Empörung kennt keine Grenzen: "unentschuldbar", "widerlich", "abscheulich" ist jetzt zu hören. Dabei sind 120 Millionen Auto-Tote auf den Straßen zweimal so viele wie alle Kriegstoten des Zweiten Weltkriegs.

Die jetzt bekannt gewordenen "Experimente" der Autoindustrie sind überflüssig und skandalös zugleich, denn sie sollten dem Image der Autoindustrie dienen. Die Europäische Union sagt schon lange, dass die nicht eingehaltenen Dioxid-Grenzwerte jedes Jahr 11.000 EU-Bürgern das Leben kosten, davon etwa 4.000 Bundesbürgern in Deutschland. Doch welcher Bürgermeister, welcher Verkehrsminister, welcher Autokonzern hat sich jemals dafür entschuldigt?

VW, Daimler und BMW wollen mit "sauberen" Experimenten im Labor für ihre dreckigen Produkte werben, damit diese nicht umgerüstet werden müssen. Und die Politik muss sich fragen lassen, was Grenzwerte eigentlich sollen, wenn sie nicht wirklich überprüft und eingehalten werden. Außerdem verhindert die Bundesregierung mit allen Mitteln die einzige Maßnahme, die wirklich helfen könnte: ein Fahrverbot der dreckigsten Diesel und der forcierte Ausbau des öffentlichen Verkehrs.

Im Grundgesetz wurde die Todesstrafe nach 1945 abgeschafft, aber auf unseren Straßen wurde und wird sie ungehindert praktiziert. Ende Februar hat das Bundesverwaltungsgericht als letzte Instanz die Chance, Fahrverbote gegen das alltägliche Töten zu erlauben. Nur dann wird die deutsche Auto-Lobby ihre bisherige Taktik und Strategie ändern: die Folgen ihres Tuns zu verleugnen, zu lügen und erfolgreich zu verdrängen.

Und nur dann wird die Lebensqualität in Deutschland wieder steigen. Doch noch scheut die hiesige Autoindustrie vor keiner Lüge zurück. Vor kurzem wurde noch allen Ernstes behauptet, "dass ein moderner Diesel in vielen Situationen sozusagen die Luft reinigt". Sozusagen ein "Clean Diesel" mit Abgasen auf homöopathischem Niveau.

Doch die Bundesregierung tut nichts gegen dieses Verbrechen. Ob die nächste Groko, über die gerade verhandelt wird, an diesem eigentlichen Skandal etwas ändert? Dann hätte sogar das aktuelle Skandälchen noch einen Sinn gehabt!

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