Warum will Trump Guantanamo für die Aufnahme weiterer Gefangener vorbereiten?

Raqqa nach der Einnahme durch die SDF. Bild: VOA/public domain

In seiner Rede sagte er, das Pentagon müsse Terroristen einsperren können, angeblich haben die Kurden der SDF bei der Befreiung von Raqqa Hunderte von IS-Terroristen inhaftiert

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In Trumps Rede zur Nation fiel u.a. auf, dass er nicht nur am Gefangenen-Lager in Guantanamo festhalten will, sondern auch am Status von Gefangenen als "feindliche Kämpfer". Damit wurden unter der Präsidentschaft von George W. Bush Terrorverdächtige als weitgehend Rechtlose gefangen, nach Guantanamo verschleppt, dort auch mittels Folter, genannt verschärfte Verhörmethoden, vernommen und festgehalten, ohne Anspruch auf einen Prozess und unter der Drohung einer unbegrenzten Inhaftierung. Barack Obama hatte versprochen, willkürliche Verschleppungen und Folter zu beenden sowie Guantanamo zu schließen. Das wurde vom Kongress verhindert, aber während seiner Präsidentschaft wurden um die 200 Gefangene, viele unschuldig, ihren Heimatländern oder Ländern übergeben, die sie unter Druck von Washington aufnahmen.

Terroristen, sagte Trump in seiner Rede, die Bomben in Krankenhäuser legen, sind "böse". Er verwies dabei auf einen US-Soldaten, der in einem Krankenhaus bei Raqqa, das von Sprengfallen gesäubert werden sollte, durch eine Explosion schwer verletzt wurde. "Wenn möglich", so Trump, "annihilieren wir sie." Damit machte er einerseits deutlich, dass er an der Strategie festhält, möglichst keine Gefangenen zu machen, wie das schon nach dem weltweiten Aufschrei unter Bush, als Guantanamo und Folter von Gefangenen bekannt wurden, praktiziert wurde. Der zunehmende Einsatz von bewaffneten Drohnen ist Ausdruck dieser Strategie, Verdächtige zu exekutieren und dabei Kollateralschäden in Kauf zu nehmen.

Dabei greift Trump mit der Annihilierung zu einer sprachlichen Formel, die indiziert, dass Terroristen als Böse keine Menschen sind, sondern eher Ungeziefer, womit man sich der Sprache der Terroristen annähert. Wenn notwendig, müsse man sie aber festnehmen und verhören: "Aber wir müssen klar sein: Terroristen sind nicht einfach Kriminelle. Sie sind ungesetzliche feindliche Kämpfer. Und wenn sie im Ausland gefangen wurde, sollten sie wie Terroristen, die sie sind, behandelt werden."

Sie fallen also aus dem Gesetz heraus. Symptomatisch spricht er nicht davon, dass Terroristen überführt werden müssen, sie sind Terroristen, wie das schon in der Bush-Zeit so gemacht wurde, auf Verdacht hin. Weil aber das Gesetz irgendwie für alle Personen gleichermaßen in den USA gilt, dürfen sie nicht auf amerikanischem Territorium festgehalten werden, sondern im (rechtlichen) Niemandsland.

Trump fuhr fort, dass die Amerikaner blöderweise "Hunderte von gefährlichen Terroristen" freigelassen hätten, die dann auf das Schlachtfeld zurückgekehrt seien. Dabei nannte er nur IS-Chef al-Baghdadi, den die Amerikaner tatsächlich im Irak in Abu Ghraib und im Camp Bucca inhaftiert, dann aber freigelassen haben. Damit soll wahrscheinlich angedeutet werden, dass es Trump um Terrorverdächtige geht, die im Ausland gefangen genommen werden und die offenbar in Zukunft wieder nach Guantanamo überführt werden sollen.

In der Rede erklärte er, er habe gerade Verteidigungsminister Mattis befohlen, die militärische Haftpolitik zu prüfen und das Lager auf Guantanamo Bay offenzuhalten. Zudem werde er den Kongress auffordern, dass "wir im Kampf gegen den IS und al-Qaida sicherstellen, alle notwendige Macht besitzen, Terroristen einzusperren, egal, wo wir sie fangen."

Hunderte von IS-Kämpfern in kurdischen Lagern

Was aber hat Trump veranlasst, gerade jetzt, also kurz vor Ende Januar, Mattis zu beauftragen, Guantanamo offenzuhalten und zu prüfen, wie das Militär "feindliche Kämpfer" festhalten kann? Eine Vermutung könnte sein, dass der vorhergegangene türkische Angriff auf Afrin und die syrischen Kampfverbände YPG/SDF damit zu tun haben könnte. Zwar hebt Erdogan immer heraus, dass die SDF bei Raqqa IS-Kämpfer abziehen ließ, was die Türken allerdings auch bei der Offensive auf Dscharablus und AZAZ gemacht hatten, aber es heißt, wie etwa die New York Times berichtete, dass die Kurden auch Hunderte von IS-Kämpfern und ihre Familien eingefangen und in Lagern inhaftiert haben. Viele von ihnen sollen keine Syrer, sondern ausländische Kämpfer sein. Von 200-300 der Kämpfer sollen US-Spezialeinheiten biometrische Daten abgenommen und sie vernommen haben.

Pentagon-Sprecher Ryan Dillon erklärte, man wolle sie nicht zu lange zusammen in Lagern festhalten, weil die Gefahr besteht, dass sie sich weiter radikalisieren, wie das bei al-Baghdadi der Fall war. Auch General Joseph Votel, der Kommandeur des Central Command, lobte die SDF, sie hätten "einen wirklichen guten Job beim Fangen von ausländischen Kämpfern gemacht, als sie zu fliehen begannen, und sie dann in ihre Haft genommen. Daher können wir nun nach Möglichkeiten schauen, sie zur Strafverfolgung in ihre Herkunftsländern zu bringen."

Während die Türkei Nähen zu den sunnitischen Islamisten hat und diese auch in ihre Kampfverbände übernimmt, die weiterhin unter der Flagge der "Freien Syrischen Armee" als Bodentruppen agieren, könnte der Deal der Kurden nicht nur darin bestanden haben, Raqqa ohne weitere Verluste einnehmen zu können, sondern auch damit den Amerikanern entgegenzukommen, die eine Stärkung von Assad und der iranischen und irakischen Schiitenmilizen verhindern wollen.

Trump scheint jedenfalls vorbauen zu wollen, wie George W. Bush wieder "feindliche Kämpfer" nicht töten zu wollen, sondern sie einzusperren, um sie zu verhören, schließlich kann ein toter Terrorist nichts über die Hintergründe der Organisation verraten. Offenbar will Trump vorbauen, IS-Gefangene nicht weiter an die Kurden outzusourcen und auch zu verhindern, dass sie womöglich von den Kurden freigelassen oder getötet werden.

Überdies ist bei den internationalen Gefangenen die rechtliche Lage schwierig, wenn die Amerikaner hier mit den Kurden zusammenarbeiten, die weiterhin Teil Syriens sind und deren Rechtsprechung in den von ihnen kontrollierten Gebieten international nicht anerkannt wird. Wahrscheinlich rechnet man auch damit, die viele IS-Gefangenen nicht von ihren Heimatländern aufgenommen werden. Oder Trump bzw. das Pentagon planen für Aktionen oder Missionen, bei denen "feindliche Kämpfer" festgenommen werden könnten.