Ist nur Merkel ein Auslaufmodell oder die gesamte CDU?

Wahlparty der CDU, 24. September 2017; Bild: Sandro Halank / CC BY-SA 3.0

Die Frage ist nicht, warum sich nun Unionspolitiker, die Merkel in die zweite Reihe verbannt hat, zu Wort melden. Die Frage ist, warum sie so lange geschwiegen haben

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Die politischen Aschermittwochreden sind längst ein Ritual geworden. Doch sie sind auch ein Seismograph für die politische Großwetterlage in Deutschland. Und die stand 2018 im Zeichen des Endes der Ära Merkel. Nun wurde das schon seit Jahren prognostiziert.

Doch dass es nun soweit ist, zeigt sich auch daran, dass sich die Merkel-Gegner in der Union aus der Deckung wagen. Dazu gehört der langjährige CDU-Rechtsaußen Roland Koch, der in der FAZ eine Nachfolgeregelung von Merkel forderte. Seine Ansage war eindeutig: "Sie schulden den Wählern eine Antwort auf die Frage, welches die nächste Generation ist, die Verantwortung übernimmt."

Interessant ist auch, wie Koch begründet, warum er sich nun doch zu Wort meldet, nachdem er jahrelang zu dem unionsinternen Zwist geschwiegen hat:

Wir sind in einer sehr wichtigen Zeit sowohl für Deutschland als auch für die Partei, der ich mich wie eh und je verbunden fühle, also für die CDU. Wir laufen Gefahr, dass die beiden großen Volksparteien zu stark an Einfluss verlieren.

Roland Koch, FAZ

"Die CDU hat alles mit sich machen lassen"

Nun ist Koch nicht der einzige, der in der Merkel-Ära abserviert und dann lange geschwiegen haben. Dass sich Roland Koch nun zu Wort meldet, dürfte ein Indiz sein, dass die Zeit vorbei ist, wo die "CDU hat alles mit sich machen lassen". Diese Überschrift über dem Koch-Interview in der FAZ kann durchaus auch eine Selbstkritik sein. Warum hat die CDU seit fast 20 Jahren das mit sich machen lassen?

Wie konnte eine ehemalige FDJ-Sekretärin aus Mecklenburg, die nichts mit der DDR-Opposition zu tun hatte, eine solche Macht erlangen, dass sie reihenweise Unionspolitiker von Helmut Kohl über Friedrich Merz und viele andere in die Versenkung verbannen konnte? In den Wendewirren sind viele Politiker aus der DDR kurzzeitig hochgespült worden. Heute kennt ihre Namen niemand mehr.

Warum gehörte Merkel zu den wenigen, die es geschafft haben, oben zu bleiben? Warum spielte selbst bei der notorisch antikommunistischen Union die ungeklärte DDR-Vita von Merkel keine Rolle? Eine Politikerin mit ähnlicher Vita bei der SPD oder der LINKEN hätte sich viel kritischere Fragen gefallen lassen müssen.

Bündnis Schäuble -Merkel zahlte sich politisch aus

Gerade, weil solche Fragen öffentlich kaum gestellt wurden, haben sich Rechte und Verschwörungstheoretiker aller Couleur damit beschäftigt. Dabei ist der Aufstieg Merkels und ihre lange Hegemonie in der Union recht einfach zu erklären. Das Ende der Kohl-Ära hat die Partei verunsichert.

Damals wurde ihr eine lange Zeit der Opposition prognostiziert, nachdem die Affäre der Geheimkonten bekannt geworden war. So war Kohl schon längst ein Auslaufmodell, bevor er von Merkel beiseite geschubst wurde. Mit dem designierten Kohl-Nachfolger Wolfgang Schäuble ging sie ein Bündnis ein, das beiden eine lange Herrschaft garantierte.

Die Bedingung war, dass niemand so genau nachfragt, was noch an Ungesetzlichen in der Kohl-Ära geschehen ist und welche führenden CDU-Politiker darin verwickelt waren. Dafür wollte auch niemand so genau die Vita der Angela Merkel in der DDR eruieren. Weil beide Seiten ein Interesse daran hatten, die Vergangenheit ruhen zu lassen, konnte aus diesem Bündnis Merkel-Schäuble zeitweise eine stabile Hegemonie über die Partei entstehen.

Politisch zahlte sich das für die Union aus. Während Schäuble als strenger Kassenwart den EU-Staaten das Troika-Diktat beherrschte, konnte Merkel als ideologiefreie Liberale selbst bei Sympathisanten der Grünen und mancher Ex-Linker durchgehen. Dabei kam ihr zugute, dass sich der Mitte-Mythos auch bei ihnen längst durchgesetzt hat.

Spätestens mit dem Aufstieg rechtspopulistischenr Bewegungen auch in Deutschland wuchs die Zahl der Merkel-Sympathisanten an. Selbst schlauere Linke meinten, Merkel loben zu müssen, weil sie im "Herbst der Migration" die Grenzen für einige Wochen nicht komplett dichtmachte. Nicht die Zähigkeit und der Widerstandsgeist der Migranten wurden herausgestellt, sondern die Politikerin, die in der Folge die schärften Flüchtlingsabwehrgesetze zu verantworten hat, wurde so endgültig zur Kanzlerin der deutschen Mitte gemacht und die schwenkte nach rechts.