Mit dem 129b gegen kurdische und türkische Oppositionelle

Die deutsche Politik ermächtigt die Kriminalisierung von Oppositionellen, die auch in der Türkei verfolgt werden

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Der 14. Februar stand ganz im Zeichen der Solidarität mit Deniz Yücel, dem Journalisten, der nun ein Jahr in der Türkei im Gefängnis ist. Zum Jahrestag erschien ein Buch mit Texten, die Yücel im Gefängnis geschrieben hat. Viele Zeitungen berichteten über den Fall.

Im Fall Deniz Yücel gibt s in Deutschland längst das ganz große Bündnis. Die Parole "Free Deniz" blinkt täglich am Springerhochhaus und auch einige hundert Meter finden wir sie im Schaufenster der linksliberalen Tageszeitung taz. Für beide Zeitungen hat Yücel geschrieben. Begonnen hat er seine journalistische Laufbahn bei der linken Wochenzeitung Jungle World. Damals waren seine zentralen Themen die Kritik an den deutschen Verhältnissen. Viele derer, die sich heute für Yücel einsetzen, hätten ihn damals bekämpft.

Nun kann man Deniz Yücel nur wünschen, dass er, der längst zum Spielball politischer Interessen der Machthaber in der Türkei geworden ist, bald freigelassen wird. Dann hätte auch die Heuchelei der Medien ein Ende, die sich im Fall Yücel über die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei echauffieren können und nichts dabei finden, dass Deutschland seit Jahren mit dafür sorgt, das kurdische und türkische Oppositionelle verfolgt werden.

Das Justizministerium muss in jedem Fall die Justiz zum Ermitteln ermächtigen

Darauf haben am vergangenen Wochenende auf der de Internationalen Konferenz "Freiheit für Musa Asoglu" hingewiesen. Musa Asoglu ist vor der Hamburger Justiz seit Ende Januar 2018 wegen Mitgliedschaft einer terroristischen Vereinigung im Ausland nach dem Paragraph 129b angeklagt. Die beiden Rechtsanwältinnen Anwältinnen Gabriele Heinecke und Fatma Sayin wiesen auf einen Satz in dem Paragraphen hin, der oft übersehen wird. "

In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

2008 wurde das erste Mal mit den Paragraphen 129b linker Widerstand im Ausland vor deutschen Gerichten abgeurteilt. Fünf vermeintliche Mitglieder der türkischen kommunistischen DHKP/C wurden vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht angeklagt und verurteilt. Das war ein Pilotverfahren. Seit Juni 2016 läuft in München ein Verfahren gegen elf mutmaßliche Mitglieder der türkischen Kommunistischen Partei TKP/ML. Alle haben sie seit Jahren legal in Deutschland gelebt und gearbeitet, bis sie durch ihre Verhaftung im Jahr 2015 aus ihrem Alltag herausgerissen worden sind.

2010 entschied der Bundesgerichtshof, dass auch Mitglieder der kurdischen Arbeiterpartei PKK nach dem Paragraphen 129 b angeklagt werden können. Davon wird seitdem reichlich Gebrauch gemacht. Die Aktivitäten der kurdischen Bewegung, die sich in den letzten 20 Jahren eine gründliche Revision ihrer bisherigen traditionsmarxistisch-leninistischen Positionen vorgenommen hat, die sich dem Demokratischen Konföderalismus zugewandt hat und die den Kämpfen der Frauen einen großen Stellenwert zuschreibt, werden von der deutschen Justiz mit dem Terrorismusparagraphen abgeurteilt.

Dabei ist es Kennzeichen dieses Paragraphen, dass in Deutschland völlig legale Tätigkeiten, wie das Sammeln von Spenden und das Organisieren von Solidaritätskonzerten mit Gefängnisstrafen geahndet werden kann, wenn das Gericht der Meinung ist, dass es sich dabei um Aktivitäten für eine terroristische Organisation im Ausland geschieht.

Jubel bei der türkischen Presse und Politik

Dass nun der Paragraph 129b den Schlüssel dafür bietet, dass türkische und kurdische Oppositionelle auch in Deutschland juristisch verfolgt werden kann, freut natürlich die türkische regierungsnahe Presse und die Politik. Die Medien berichten daher auch ausführlich über solche Verfahren und fordern die deutsche Regierung auf, mit der Anwendung des Paragraphen noch großzügiger umzugehen.

Es ist allerdings keine Gefälligkeit der deutschen Politik und Justiz für ihre türkischen Kollegen und auch nicht die oft prognostizierte lange Hand Erdogans, die bei den 129b-Verfahren in Deutschland maßgeblich ist. Es gibt vielmehr bei den deutschen und türkischen Staatsapparaten ein Verfolgungsinteresse. Darin liegt auch der Grund, dass ein Großteil der Medien, die im Fall Yücel die Situation der Menschenrechte in der Türkei beklagen, keine Einwände haben, wenn die deutsche Politik die Ermittlung gegen Menschen erlaubt, die bereits in der Türkei verfolgt wurden.