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Schlägt eng interpretiertes Namensrecht die Meinungsfreiheit?

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Die AfD, die Herr Gauland als "gärigen Haufen" bezeichnete, agiert nicht durchgehend geschickt in ihrer Öffentlichkeitsarbeit. Auch kommt es immer wieder zu Missverständnissen wie im Fall von Olaf Henkel, Bernd Lucke und Frauke Petry, die erst nachträglich erkannten, in welcher Gesellschaft sie sich befanden. Daher griff ein junger Blogger der überforderten Partei unter die Arme und veröffentlichte unter der Domain wir-sind-afd.de lauter Zitate bekannter AfD-Herrschaften, um der Öffentlichkeit eine Orientierungshilfe zu geben.

Doch diese gut gemeinte "Geschäftsführung ohne Auftrag" stieß bei der AfD nicht auf Gegenliebe. Stattdessen ließ man den Blogger durch einen Anwalt, der u.a. den Menschenfreund Herrn Erdogan vertreten hatte, auf Unterlassung abmahnen. So sei durch die Domain das Namensrecht der AfD verletzt. Doch der Blogger konnte nicht verantworten, dass die Domain in die Hände von Stümpern fiel und ließ es auf eine Klage ankommen.

Das Landgericht Köln gab der Klage statt, da es sich bei der Domain um eine unberechtigte Namensanmaßung handele. Die Domain beinhalte den Sinngehalt, dass der Betreiber der AfD zugehörig sei. Der Domainname werde vom Verkehr als Eigenbezeichnung wahrgenommen, sodass eine Zuordnungsverwirrung erfolge. Dies beeinträchtige die berechtigten Interessen der Namensinhaberin, der Beklagte habe kein etwa aus der Meinungsfreiheit ableitbares überwiegenderes Interesse an der Domain.

Das kann man im Hinblick auf die vom Grundgesetz explizit geschützte Meinungsfreiheit auch anders sehen. Es ist im Hinblick auf den im Netz bisweilen scharf und mit satirischen Mitteln geführten politischen Meinungskampf keineswegs selbstverständlich, dass ein Nutzer unter einer Domain wir-sind-afd.de tatsächlich eine authentische AfD-Seite erwarten wird. Gerade von Deutschtümlern müsste man eher erwarten, dass sie die deutsche Sprache ehren und sich eine grammatikalisch korrekte Domain zulegen würden. Jedenfalls aber genügt ein Klick auf die Seite, um einem Nutzer deren tatsächlichen Charakter zu kommunizieren.

Artikel 5 Grundgesetz beinhaltet auch die Freiheit, sein Werk ggf. plakativ und meinungsstark zu betiteln. Vorliegend kommt der charmante Umstand hinzu, dass ja die Inhalte offenbar tatsächlich authentisch sind. Solange etwa AfD-Superstar Björn Höcke nicht ernsthaft aus der Partei ausgeschlossen wird, muss sich diese dessen Äußerungen vorhalten und zurechnen lassen. Daher gibt es für eine solch prangerhafte Zusammenstellung kaum einen sarkastisch wirksameren Titel als eben wir-sind-afd.de, der im Kontext eben der Auseinandersetzung mit dieser selbst zur Provokation neigenden Partei zu sehen ist.

Hinzu kommt die Eigendynamik des bereits seit April 2017 begonnenen Rechtsstreits, denn Dank des durch das Urteil getriggerten Streisand-Effekts haben diese Woche etliche Medien über die Posse berichtet. Künftig also wird kaum noch jemand hinter dieser nun berühmten Domain die originäre AfD wähnen. Mehr PR als durch diesen Prozess hätten die AfD und ihr Anwalt der Sache nicht liefern können.

Der Blogger lässt sich nicht unterkriegen und hat inzwischen im Internet für die hohen Prozesskosten innerhalb weniger Tage im Internet mehr als genug Geld gesammelt. Darf man den Zahlen vertrauen, sind inzwischen über 43.000,- € zusammengekommen. Der Überschuss wird an die Flüchtlingspaten Syrien e.V. und an Sea-Watch e.V. gehen.