Schweiz: Elektrobetäubung für Hummer

Limfjord-Hummer. Foto: Max Pixel. Lizenz: CC0

Ein neues Tierschutzgesetz verbietet auch automatische Bellstopp-Geräte für Hunde

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Am 1. März tritt in der Schweiz ein neues Tierschutzgesetz in Kraft, das die bisher übliche Tötung von Hummern, Langusten und Krebsen in kochendem Wasser verbietet. Diese Delikatessen müssen nun - anders als Austern und ebenso wie Wirbeltiere - vorher betäubt werden. Ein von Simon Buckhaven dafür erfundenes Elektroschockgerät ist seit einigen Jahren auf den Markt, aber mit einem Preis von über 2.000 Euro nicht ganz billig.

Verboten ist künftig außerdem der Transport von lebenden Hummern auf Eis oder in Eiswasser. Ein Importverbot, das die Grünen im Nationalrat forderten, lehnte der Bundesrat, die Regierung der Eidgenossenschaft, ab.

Keine Großhirnrinde

Das neue Gesetz geht von der Annahme aus, dass Krustentiere beim Kochen etwa 15 Sekunden lang Schmerz empfinden. Dass sich diese Annahme nicht beweisen lässt, räumen auch ihre Verfechter wie der emeritierte Zoologe Robert Elwood von der Queen's University in Belfast ein. Er leitet sein Postulat lediglich aus dem Verhalten der Tiere ab.

Allerdings haben Hummer keine Großhirnrinde, die als biologische Voraussetzung für ein Schmerzempfinden gilt, und die auch Fischen fehlt (vgl. Ein Fisch verspürt keinen Schmerz). Letztere ziehen deshalb am Angelhaken, anstatt der der Bewegung zu folgen und auf diese Weise Schmerzen zu vermeiden (vgl. Verboten, weil es Spaß macht?).

Möglichkeit, sich vor streichelwilligen Kindern zu verstecken

Bei Ausstellungen und Tiersportveranstaltungen wie Hunde- oder Pferderennen haben die Veranstalter künftig nicht nur die Pflicht, für fachlich geeignetes Betreuungspersonal zu sorgen, sondern auch einzugreifen und überforderte Tiere auszuschließen, wenn sie bemerken, dass Halter nicht von sich aus entsprechend reagieren. Labors, die Tierversuche durchführen, müssen den Behörden einen ausgebildeten Tierschutzbeauftragten nennen.

Meerschweinchen, Kaninchen und Küken, deren Nervensystem in unbekannten Situationen auf Flucht verdrahtet ist, soll es auf Ausstellungen, Börsen und Märkten künftig nicht mehr in Streichelzoos geben. Erlaubt sind sie nur noch in dauerhaften Streichelzoos - und dort auch nur dann, wenn sie dort eine Möglichkeit haben, sich vor streichelwilligen Kindern zu verstecken. Verkaufen Anbieter ein Tier, müssen sie über eine artgerechte Haltung aufklären. Verkaufen sie einen Käfig, sind sie verpflichtet, den Käufer schriftlich darüber belehren, welche Tiere darin legal gehalten werden dürfen.

Verboten sind ab 1. März so genannte "Bellstopp-Geräte", die Hunden durch Wasser- oder Druckluftausstoß automatisch übermäßiges Bellen abgewöhnen sollen. Erlaubt bleiben nur solche Halsbänder, die von Herrchen oder Frauchen manuell bedient werden müssen. Ist der Hund alleine in der Wohnung, darf ihn keine Automatik mehr am Bellen hindern. Da wird mancher schweizerische Mieter womöglich sein Haustier abschaffen müssen. Theoretisch könnte er das, indem er den Hund isst, was in der Schweiz - anders als in der Bundesrepublik Deutschland - nicht verboten ist. Lediglich der Handel mit Hundefleisch ist untersagt (vgl. Lecker Hund).

Tierschutz für Menschen

Was im Umgang mit Tieren als angemessen empfunden wird, und was nicht, ist nicht nur in Sachen Hund kulturabhängig: Während Niederbayern Roßwürste, Japaner Pferde-Sashimi und Rheinländer traditionellen Sauerbraten essen, herrscht in angelsächsischen Ländern beispielsweise ein emotional befrachtetes Pferdefleischtabu. Besonders ausgeprägt ist dieses Tabu heute in den USA, wo es in einigen Bundesstaaten - darunter auch Kalifornien - sogar in ein gesetzliches Verbot gegossen wurde.

Dafür isst der US-Hinterwäldler traditionell das Eichhörnchen, das sich in deutschen Gärten als Ziertier tummelt. Und während die Kaninchenställe früher der Fleischversorgung von Arbeitern dienten, gibt es heute einen nicht nur Österreich-, sondern auch noch deutschlandweiten Aufschrei, wenn ein Lehrer so ein Tier tötet.

Diese nicht nur orts-, sondern auch zeitabhängigen kulturellen Unterschiede zeigen, dass es der Zweck des Tierschutzes nicht alleine das Tier ist, sondern auch der Mensch: Tierschutz ist auch ein Gefühlsschutz bestimmter Menschen, den es gibt, weil Wähler und deren Kinder sich schlecht fühlen, wenn sie (einerlei ob zutreffend oder unzutreffend) glauben, dass etwas, für das sie Empathie empfinden, leidet. So wie Andere sich schlecht fühlen, wenn ein Symbol gezeigt oder geschmäht wird, was in bestimmten Fällen ebenfalls verboten ist. Ob ein Tier tatsächlich Schmerz empfinden kann oder nicht, spielt dabei gar keine Rolle.