Afrin: Syrische Regierungsmilizen unterstützen nun doch YPG gegen Türkei?

Die letzten Eroberungen? Freudestrahlende Miliz "Northern Brigade", die an der türkischen Operation Olivenzweig beteiligt ist und einen strategisch wichtigen Berggipfel in Rajo gegen die YPG erobert hat. Bild: Propaganda/Twitter

Laut unterschiedlichen Berichten ist es zu Abmachungen zwischen Damaskus und Kurdenvertretern gekommen. Update

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Nach Angaben mehrerer Seiten schien es bis Montagmittag, als ob eine Vereinbarung zwischen Vertretern der Kurden in Afrin und der syrischen Regierung in Damaskus zustande gekommen sei. Die Nachrichtenagentur Reuters meldete am gestrigen Sonntag, dass syrische Einheiten zu Positionen an der Grenze zur Türkei entsandt werden sollen - und zwar recht bald.

Die syrischen Truppen sollten innerhalb der nächsten zwei Tage in der Region eintreffen, so die Informationen der Nachrichtenagentur, die als zentrale Quelle Badran Jia Kurd angibt. Er wird als Berater der kurdisch-geführten Verwaltung in Nordsyrien bezeichnet.

Das kurdische Medium Rudaw, das in der Vergangenheit allerdings deutliche Zeichen einer Parteilichkeit gab, wie zum Beispiel beim Unabhängigkeitsreferendum der Kurden im Nordirak, die in irreführenden Nachrichten mündete, nennt den heutigen Montag als Tag, an dem die syrischen Einheiten der YPG in Afrin zur Hilfe kommen.

Als Quelle wird von Rudaw Sheikho Bilo angeführt. Bilo ist Vertreter der PYDKS (Demokratische Partei Kurdistan-Syrien), die der von Masud Barzani geführten Demokratischen Partei Kurdistans (DPK) nahesteht. Daher rühren auch die guten Verbindungen von Rudaw zu Bilo, der seinerseits gute Beziehungen zur YPG haben soll.

Bilo zufolge geht es bei den Abmachungen zwischen den Kurden im Norden und Damaskus einzig um "militärische Vereinbarungen", den Schutz der Grenzen, nicht um politische.

Verärgerte syrische Regierung

Eine Meldung der syrischen Presseagentur Sana vom Montagvormittag bestätigt, dass "Volksverteidigungskräfte", im englisch-sprachigen Original "popular forces", also Milizen, die mit der syrischen Armee verbunden sind, "bald in Afrin eintreffen, um dort lokale Kräfte gegen die Aggression des türkischen Regimes, die mit dem 20. Januar begonnen haben, zu unterstützen". Zu den Milizen der Volksverteidigungskräften zählen etwa die National Defence Forces (NDF).

Im weiteren Text der Meldung des Sana-Reporters in Aleppo ist von einer "barbarischen Aggression" auf Afrin die Rede, der Türkei wird dabei vorgeworfen, auch Chlorgas verwendet zu haben. Diese Art der Vorwürfe spielen bekanntlich in der Kommunikation zum Kriegsgeschehen in Syrien eine wichtige Rolle, sind aber gewöhnlich schwierig nachzuweisen.

Offenkundig ist aber die Verärgerung bzw. die Wut der syrischen Regierung auf die türkische Aktion. Al-Assad hatte von Anfang die türkische Militäroffensive auf syrisches Gebiet mit "Terrorismus " in Zusammenhang gebracht, da sich Erdogan als Bündnispartner islamistische Milizen auswählte, die unter dem fadenscheinigen Etikett FSA allerhand Bündnisse mit Dschihadisten eingegangen sind mit dem Ziel, Baschar al-Assads Regierung zu stürzen.

Schwierige Vereinbarungen

Es gab bereits kurz vor Beginn der türkischen Operation Olive Branch, die am 20. Januar startete, "Dringlichkeits"-Gespräche zwischen Kurden und der syrischen Regierung. Allerdings kam es damals zu keiner Einigung, weil die YPG die Forderungen, die Damaskus an die Unterstützung gebunden hatte, nicht erfüllen wollte. Die YPG wollte weder Waffen noch Macht abgeben.

Stimmen die Informationen des belgischen Journalisten Elijah Magnier, der sich dank langjähriger Tätigkeit guter Hintergrundkontakte zu Entscheidungsträgern und Mitwirkenden des syrischen Konflikts rühmt, so sollen bei neuerlichen Treffen zwischen Kurden- und Regierungsvertretern die wichtigsten Punkte geklärt worden sein - bis auf einen letzten Punkt.

  • Die zentrale Verwaltung von Afrin soll an den syrischen Staat übergeben werden
  • alle 52 Militärbasen ("control bases") innerhalb und außerhalb der Stadt Afrin sollen an die syrische Armee übergeben werden. Kurden sollen nicht mehr bewaffnet Waffen in der Stadt unterwegs sein
  • alles schwere Kriegsgerät und Waffen sollen an die syrische Armee übergeben werden, der Zugang zu allen Lagern in der Stadt und Umgebung wie auch in den Dörfern gewährleistet wird.

Waffenabgabe und Wehrpflicht

Strittig sei noch die Regelung, wonach die "Kurden in Afrin auch alle leichteren, persönlichen Waffen aushändigen sollen, so dass keine Waffe jedweder Art in den Händen der Bevölkerung verbleibt. Die Macht soll einzig der syrischen Armee gehören. Dazu gehört auch, dass alle jungen Männer zum Militärdienst eingezogen werden und ihre nationale Pflicht erfüllen."