"Vergewaltigung der Zehn Gebote" - ein Geschäft in Tschechien

Bild: Ekem/public domain

Eines der katholischsten Länder Europas (Polen) Europas grenzt an eines der religionsfreiesten (Tschechien) - mit Folgen

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Polen ist erzkatholisch, die Tschechische Republik eher atheistisch. Die Folge: Eingriffe, die den polnischen weiblichen Unterleib betreffen und dem Klerus sowie einer traditionellen Gesellschaft nicht gefallen, finden im säkulären Nachbarland statt. Lange war Tschechien ein wichtiges Reiseziel vor allem für Polinnen mit ungewollter Schwangerschaft, mittlerweile hat man sich dort auch auf die nördlichen Nachbarn mit dem unerfüllten Kinderwunsch eingestellt. In den Kliniken wird Polnisch gesprochen, aber auch andere Sprachen: Das traditionell kirchenskeptische Land ist eine Art Anlaufstelle für die Befruchtung im Reagenzglas für viele Ausländer geworden. Die in den 1970er Jahren entwickelte Methode wird an der Moldau als Errungenschaft der Technik gepriesen, die In-Vitro-Kinder und ihre Eltern feiern sich selbst in Massenevents. Schon 60 Prozent der Frauen über 35 Jahren in Tschechien nutzen diese Methode der künstlichen Befruchtung.

Die tschechischen Kliniken wiederum halten jedoch bewusst keinen Kontakt zu polnischen Krankenhäusern, um ihre Patienten vor einem möglichen schlechten Ruf zu schützen. Vom rechtskatholischen Milieu werden solche Kinder teils als "Monster" geschmäht. In Polen kostet zudem ein Versuch der Befruchtung im Reagenzglas mit rund 8000 bis 12.000 Zloty (2000 bis 3000 Euro) zu Buche, dies ist im Schnitt in Tschechien etwas billiger.

Ursprünglich gab es ein Förderprogramm zur künstlichen Befruchtung unter der konservativ-liberalen Regierung, die 2015 abgelöst wurde. Dies war für die "Bürgeplattform" (PO) eine schwierige Geburt. Doch die geringe Geburtenrate der Polinnen war hier entscheidender als der Druck der Kirche. Die Fertilitätsrate liegt bei 1,3 Kindern pro Frau. Neben der Biologie sind die finanziellen Aussichten ein Grund für die geringe Geburtenzahl, in Großbritannien kommen 3,3 Kinder auf eine Polin.

Polen setzt zur Geburtshilfe auf die Naprotechnologie

Die Katholische Kirche ist dagegen, was in dem Dokument des Vatikans "Donum Vitae" von 1987 zum Ausdruck kommt. Auch gilt das Problem der überflüssigen Embryonen als Argument gegen die Befruchtung im Reagenzglas.

Die nationalkonservative Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) brach nach dem Wahlsieg die Förderung auf Landesebene auf Wunsch der Kirche hin rasch ab. Derzeit gibt es noch Finanzspritzen, die von einigen Kommunen wie beispielsweise der Stadt Warschau getragen werden. Doch in der Regierung arbeitet man an Gesetzesinitiativen, die das unterbinden und das ganze Prozedere noch mehr erschweren sollen.

Der Gesundheitsminister Lukasz Szumowski hat die katholische "Erklärung des Glaubens" unterschrieben, die sich gegen diese Methode wendet. Er selbst hält die künstliche Befruchtung für eine "Vergewaltigung der Zehn Gebote". Zur Zeit ist die Anwendung in Polen mit vielen formalen Auflagen belastet.

Die polnische Regierung setzt vielmehr auf die 1991 von dem amerikanischen Arzt Thomas Hilgers entwickelte, der Beobachtung des auf Zyklus basierende "Naprotechnologie", die den Segen des Vatikans hat. Von den 43 Probandinnen eines Projekts wurden bislang aber nur drei schwanger.

Tschechischer Regierungschef ist Mitgründer eines auf künstliche Befruchtung spezialisierten Konzerns

"In Vitro" ist in Tschechien jedoch auch nicht apolitisch. Vermutlich wird dort die Handhabung der In-Vitro-Praxis noch liberaler werden. Denn Andrej Babis, Milliardär und Premierminister des Landes, der gerade eine Mehrheit sucht, ist einer der Mitgründer des Medizinkonzerns "FutureLife", der sich auf künstliche Befruchtung spezialisiert hat. Dieses Unternehmen hat entsprechende Kliniken in Tschechien aufgekauft und expandiert ins Ausland, um eine Kette in Europa zu bilden. Der tschechische "Markt" sei mit einem Drittel Anteil schon ausgereizt. Rund 40 Prozent der Patienten kommen aus dem Ausland. Vor allem Ausländer sind die Zielgruppe des Konzerns.

Derzeit wird in Tschechien diskutiert, ob alleinstehenden Frauen ebenfalls das Recht auf "In-Vitro-Fertilisation" eingeräumt werden soll, was bislang noch offiziell verboten ist. Erlaubt ist jedoch das Einsetzen einer fremden befruchteten Stammzelle (in Deutschland verboten), zudem wird die Anonymität der Spender von Spermien und Stammzellen garantiert. Allerdings schwindet der Preisvorteil, da die Gehälter der tschechischen Ärzte steigen. Noch vor Tschechien sind die Ukraine und Russland wichtige Adressen für künstliche Befruchtung in Europa.

Das soll nicht ganz frei von Mauscheleien vonstattengehen. So hat ein Prager Krankenhaus, an dem "FutureLife" 85 Prozent hält, großzügige Unterstützung der Stadt erhalten, was einen politischen Skandal nach sich zog.