Kohle darf nicht steuerfrei bleiben

Vattenfall Steinkohlekraftwerk Hamburg Moorburg. Moorburg_Power_Plant_Unit_A_synced_to_grid_2.JPG:Bild: Cvoelker/CC BY-SA-4.0

Die Energie- und Klimawochenschau: OECD will Energiesteuern, Kohleausstiegsinitiativen und die Potenziale von Power-to-Gas

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Unabhängig von bisher wenig effektiven Emissionshandelssystemen könnten Energiesteuern dazu beitragen, den CO2-Ausstoß zu senken und die Luftqualität zu verbessern. In ihrer kürzlich veröffentlichten Studie "Taxing energy Use 2018" untersucht die OECD die Besteuerung von Energie in ihren 42 Mitgliedsländern im Zeitraum 2012 bis 2015.

"Es wurden und werden Anstrengungen unternommen, in verschiedenen Rechtssystemen das Verursacherprinzip durchzusetzen, aber im großen Ganzen sind die Fortschritte hin zu effektiveren Steuern, um Emissionen zu mindern, langsam und bruchstückhaft. Die Regierung sollten sich mehr anstrengen", sagte OECD Generalsekretär Angel Gurría.

Der überwiegende Teil der Energiesteuern entfällt laut OECD auf Erdölprodukte und den Verkehrssektor. Die Höhe der Steuern liegt in 97 Prozent der Fälle weit unterhalb der verursachten Klimakosten. Positiv hebt der Bericht hervor, dass einige Länder dabei sind, Dieselprivilegien gegenüber Benzin aufzuheben, dennoch seien die Abgaben auf Kraftstoffe insgesamt zu niedrig, um externe Kosten zu decken.

Der besonders schädliche Brennstoff Kohle bleibe in den meisten Ländern entweder steuerfrei oder werde sehr niedrig besteuert. "Es ist möglich, die Klimaschäden und die Luftverschmutzung durch fossile Brennstoffe einzudämmen, aber je länger das Handeln verschoben wird, desto schwieriger und teurer wird es, diese Herausforderung zu bewältigen", so Gurria.

Raus aus der Kohle in der Lausitz, in Hamburg und auf den Balearen

Mit dem Thema Kohle beschäftigte sich auch der Petitionsausschuss des EU-Parlaments bei einem Besuch in der Lausitz. Die Mitglieder der Delegation trafen sich mit Regierungs- und Behördenvertretern, dem Bergbauunternehmen LEAG, der Braunkohlesanierungsgesellschaft LMBV, Bürgerinitiativen und Heimatvereinen. Vorausgegangen waren zwei Petitionen an das EU-Gremien.

Wie Niederlausitz aktuell berichtet, bezeichneten Mitglieder des Petitionsausschusses die Braunkohle als nicht zukunftsfähig. Sie bedrohe nicht nur die Umwelt, sondern auch die Minderheiten der Sorben und Wenden. Im Mai will der Petitionsausschuss seinen Abschlussbericht zu dem Thema vorlegen.

Tatsächlich sind es immer wieder lokale und regionale Akteure, die den Ausstieg aus der Kohle in Angriff nehmen. So versuchen gerade die Balearen gegen erhebliche Widerstände der Zentralregierung in Madrid auf 100 Prozent erneuerbaren Strom bis 2050 umzusteigen und ihr kombiniertes Kohle- und Ölkraftwerk Es Murtear bis 2025 abzuschalten. Gegenwärtig beziehen die Inseln Mallorca, Menorca, Ibiza und Formentera 43 Prozent ihres Stromverbrauchs aus Kohle und nur zu 2 Prozent aus Erneuerbaren. 20 Prozent werden per Kabel vom Festland bezogen und entsprechen so dem Spanischen Energiemix.

Um die Zeit zu überbrücken, die für einen Ausbau der Erneuerbaren benötigt wird, müsste der Energiebedarf aber kurzfristig mit Erdgas überbrückt werden, was zu höheren Kosten führen würde. Dagegen stellt sich aber die Zentralregierung, da höhere Energiegestehungskosten auf den Inseln auf die Energiepreise auf dem Festland umgelegt werden. Sollte das Kraftwerk Es Murtear weiterbetrieben werden, müsste man es allerdings auch technisch nachrüsten, da es ab 2020 nicht mehr den europäischen Luftreinhaltekriterien entspricht. Außerdem will die Regierung der Balearen einen kompletten Umstieg auf Elektroautos bis 2050 durchsetzen.

In Hamburg ist es noch nicht die Landesregierung, sondern bislang nur eine Volksinitiative, die "Tschüss Kohle" sagen möchte. Diese möchte erreichen, dass bis 2025 keine Wärme und bis 2030 kein Strom mehr aus Kohle erzeugt werden soll.

Hamburg erzeugt zur Zeit 60 Prozent der Fernwärme und 85 Prozent des Stroms in den Steinkohlekraftwerken Wedel, Tiefstack und Moorburg. Zwar möchte Umweltsenator Jens Kerstan die fossile Fernwärme aus Wedel und Tiefstack durch klimafreundlichere Varianten ersetzen, Vattenfall möchte das erst 2015 in Betrieb gegangene Kraftwerk Moorburg immer noch ans Fernwärmenetz anschließen, so dass Hamburgs CO2-Bilanz noch nicht verbessert wäre. Daher wollen die Initiatoren des Kohleausstiegs das Hamburger Klimaschutzgesetz ändern. In einer ersten Stufe müssen sie dafür 10.000 Unterschriften sammeln, damit ein Volksbegehren zugelassen wird.

Effizienzgewinne bei Power-to-Gas

Einen Beitrag zum Umstieg auf eine Komplettversorgung aus Erneuerbaren könnten künftig auch Umwandlungstechnologien wie Power-to-X - etwa die Gewinnung von synthetischem Methangas oder von Wasserstoff mit Hilfe von überschüssigem Windstrom leisten. Wissenschaftlern des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) gelang es in einer Demonstrationsanlage, den Wirkungsgrad um 20 Prozent zu verbessern.

In Industrieanlagen zur Gewinnung von Gas aus Strom wird zur Zeit ein Wirkungsgrad von 54 Prozent erreicht. In dem Versuch mit der kombinierten Technik des KIT konnten 76 Prozent erzielt werden. Projektkoordinator Dimosthenis Trimis hofft nun auf 80 Prozent Wirkungsgrad im industriellen Maßstab. Die Verbesserung kam unter anderem dadurch zustande, dass die Forscher die Prozesswärme aus der Methanisierung wiederum für die Hochtemperaturelektrolyse einsetzten.

Bei der Elektrolyse wird der Strom zunächst genutzt, um Wasser in Sauerstoff und den Energieträger Wasserstoff zu zersetzen. Danach reagiert der Wasserstoff gemeinsam mit Kohlendioxid oder Kohlenmonoxid unter Wärmeentwicklung zu Methan, dem Hauptbestandteil von Erdgas, weiter. Der Vorteil von Methan gegenüber Wasserstoff ist, dass es in der bestehenden Erdgasinfrastruktur ohne Begrenzungen oder weitere Aufbereitung eingespeist werden kann

Pressemitteilung des KIT

Nun ist abzuwarten, ob die guten Ergebnisse auch in industriellem Maßstab reproduziert werden können.

Dass synthetische, mit Hilfe elektrischen Stroms erzeugte Brennstoffe eine wichtige Rolle bei der Dekarbonisierung des Energiesystems spielen, meinen auch die Thinktanks Agora Energiewende und Agora Verkehrswende. Daher sollte auch "frühzeitig und kontinuierlich in den Bau von Erzeugungsanlagen investiert werden". (Mit synthetischem Gas könnten künftig Stromerzeugungslücken (Dunkelflauten) abgefedert werden, aber auch Verkehr, Industrie und Wärmeerzeugung dekarbonisiert werden.

Allerdings sollten synthetische Brennstoffe nur dort zum Einsatz kommen "wo sie wirklich Vorteile bringen und nicht durch bereits vorhandene Trümpfe ersetzbar sind. Vor allem im Flug- und Schiffsverkehr, bei chemischen Grundstoffen und für Hochtemperaturwärme", meint der Direktor von Agora Energiewende, Patrick Graichen. Für den Straßenverkehr seien sie hingegen zu ineffizient. In einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor würden von 100 Kilowattstunden Strom nur 19 Kilowattstunden in die Fortbewegung umgesetzt. Allerdings ist es auch nicht besonders effizient, sich mit fossil betriebenen Verbrennungsmotoren fortzubewegen: Hier liegt der Wirkungsgrad zwischen 35 und 45 Prozent. Elektrofahrzeuge sind effizienter. Auch zum Heizen von Gebäuden sind andere Technologien wie Solarthermie oder Geothermie vorzuziehen.

Unter wirtschaftlichen Aspekten könnten die synthetischen Brennstoffe nicht aus Überschussstrom von Windenergie- oder Solaranlagen erzeugt werden, so die Studie von Agora. Power-to-Gas oder Power-to-Liquid-Anlagen bräuchten billigen erneuerbaren Strom und hohe Volllaststunden, daher müssten dafür eigene Stromerzeugungsanlagen gebaut werden, "entweder in Deutschland (Offshore-Windkraft) oder zum Beispiel in Nordafrika beziehungsweise im Nahen Osten (Onshore-Windkraft und/oder Photovoltaik). Dies würde Erdöl und Erdgas exportierenden Staaten auch eine Perspektive für ein postfossiles Geschäftsmodell ermöglichen." Durch Skaleneffekte könnten die Kosten für synthetische Brennstoffe von anfänglich 20 bis 30 Cent/Kilowattstunde auf 10 Cent bis zum Jahr 2050 fallen.

Ob der Import aus Nordafrika oder dem Nahen Osten die nächstliegende Lösung ist, darf zumindest bezweifelt werden, da diese Regionen noch eine Weile mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien für die eigene Versorgung beschäftigt sein dürften.