Deutsche und ihr Auto - Amis und ihre Waffen

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Wir Deutschen scheinen zu unserem Auto ein ähnlich erotisches (oder neurotisches?) Verhältnis zu haben wie die Amis zu ihren Waffen

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In Deutschland ist bisher ein Tempolimit für Autos so undenkbar wie in den USA ein Verbot für Waffenverkauf. Haben wir Deutschen Benzin im Blut und die Amis Schießpulver?

Fest steht: Nach dem jüngsten Amoklauf mit 17 Toten in den USA und nach dem Diesel-Skandal (jetzt auch bei der Edelmarke Daimler?) beginnen beide Bastionen zu wanken. In den USA hat Präsident Trump angekündigt, über eine Verschärfung der Waffengesetze nachzudenken und in Deutschland ist das Image der gesamten Autoindustrie so mies wie nie zuvor.

Noch wichtiger als die Frage, ob das Bundesverwaltungsgericht in dieser Woche ein Fahrverbot für Diesel-Autos verkündet, ist die Tatsache, dass die meisten Deutschen diese Verbote wollen.

Anspruch ("Wir bauen E-Autos") und Wirklichkeit (sie verkaufen aber immer mehr Dreckschleudern) klaffen so weit auseinander, dass das Vertrauen in die Autobauer auf einen Tiefpunkt gesunken ist.

Als 2015 die Diesel-Manipulationen von VW nicht länger zu vertuschen waren, tönte Daimler-Chef Dieter Zetsche: "Keine Manipulationen bei uns." Doch nun hat "Bild am Sonntag" behauptet, dass auch Daimler vom Diesel-Skandal betroffen sei.

Und zugleich hat Daimler auf Seite 282 seines letzten Geschäftsberichts mitgeteilt, dass der Konzern seine "Rückstellungen für rechtliche Risiken" auf 17,2 Milliarden Euro erhöht habe. Aus welchem Grund wohl? Vorher gab es dafür 13.9 Milliarden Euro Rückstellungen.

Warum um Himmels willen braucht es erst publik gewordene Skandale oder Gerichtsurteile bis sich in diesem real existierenden Deutschland irgendetwas ändert oder warum braucht es in den USA erst viele Tote bis Waffenverkäufe eingeschränkt werden?

In den USA wurden seit 1945 1,5 Millionen Menschen durch Waffengewalt getötet. Das sind mehr Amerikaner als in allen Kriegen seither gefallen sind.

Erst Teenager-Proteste vor dem Weißen Haus haben den Präsidenten zum Umdenken bewogen, wenn überhaupt. Wie entscheidet in Deutschland in dieser Woche das Oberverwaltungsgericht? Und wie lange noch lässt sich die Bundesregierung, deren Mitglieder geschworen haben, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden, von der Autolobby an der Nase herum führen?

Wahrscheinlich ist der materielle Schaden für die deutsche Autoindustrie durch Vertrauensverlust größer als alle möglichen Strafen und Schadensersatzansprüche zusammen.

Allzu lange kann auch die Politik ihre Kultur des Wegschauens nicht mehr durchhalten. Schließlich betreibt die Auto-Lobby "vorsätzliche Körperverletzung mit Todesfolge in vielen tausend Fällen jährlich", sagt Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe, die den Prozess vor dem Bundesverwaltungsgericht initiiert hat.

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