OpenSchufa will Bonitätsauskunft-Algorithmus herausfinden

Die Schufa-Zentrale. Bild: Schufa Holding AG

Die Initiative ruft dazu auf, Score-Selbstauskünfte zur Verfügung zu stellen - die Auskunftei warnt davor

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die 1927 als "Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung" gegründete private Auskunftei Schufa, deren Vorstandsvorsitzender aktuell der 2010 im Zusammenhang mit der HSH Nordbank-Affäre als Hamburger Finanzsenator zurückgetretene CDU-Politiker Michael Freytag ist, hat in Deutschland ein Quasi-Monopol auf die Bewertung der Bonität von Verbrauchern. Die spielt nicht nur dann eine wichtige Rolle, wenn sie sich von einer Bank Geld leihen wollen, sondern auch beim Anmieten einer Wohnung und beim Abschluss eines Mobilfunkvertrages.

Wie die Schufa diese Bonität, den sogenannten "Score", berechnet, hält sie als "Betriebsgeheimnis" vor der Öffentlichkeit verborgen. Verbrauchern, die dieses Geheimnis lüften wollten, erteilte der Bundesgerichtshof am 28. Januar 2014 eine Absage, als er entschied, dass es das Unternehmen nach § 34 des Bundesdatenschutzgesetzes auch dann nicht offenlegen muss, wenn es zu einer offensichtlichen Fehleinschätzung kam.

Bertelsmann und Arvato

Die Initiative OpenSchufa will es nun außerhalb des Rechtsweges lüften: Nicht durch einen Einbruch oder ein Eindringen in die Rechner der Schufa, sondern durch eine Art Reverse Engineering: Dazu fordert sie Bürger dazu auf, ihr Recht auf eine kostenlose Schufa-Selbstauskunft, das sie einmal im Jahr haben, geltend zu machen und diese Selbstauskunft anschließend an das Projekt weiterzuleiten, das von den Organisationen AlgorithmWatch und Open Knowledge Foundation ins Leben gerufen wurde.

Die Open Knowledge Foundation wird vor allem von der Bundesregierung, der EU und Google unterstützt, AlgorithmWatch unter anderem von der Bertelsmann-Stiftung. Zum Bertelsmann-Konzern gehört wiederum die Auskunftei Arvato, was die Schufa als "irritierend" wertet. Sie warnt Bürger davor, ihre Selbstauskünfte weiterzugeben, weil nicht klar sei, ob die Initiative OpenSchufa "die notwendigen Vorkehrungen für Datenschutz und Datensicherheit der eingesandten Daten getroffen" hat: "Wer die Datenübersicht einer anderen Person in der Hand hat", so die Schufa dazu, "kann die darin enthaltenen Informationen auch jederzeit missbräuchlich verwenden oder gar für betrügerische Zwecke nutzen", denn "der unbefugte Leser erhält sofort alle Informationen, die notwendig sind, um z. B. im Internet betrügerisch einzukaufen oder sich als jemand auszugeben, der er gar nicht ist."

Schufa muss falsche und veraltete Daten korrigieren

Nach Meinung der Schufa muss ihr Score-Algorithmus nicht allgemein bekannt sein, weil man ihn 2010 den Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder vorgelegt hat. Die hätten ihn überprüft und als "aussagekräftig" akzeptiert. Eine "Offenlegung des Verfahrens gegenüber der allgemeinen Öffentlichkeit" würde ihren Worten nach "dem Missbrauch Tür und Tor öffnen, [d]enn wer, wenn nicht derjenige, der das Verfahren zu seinen Gunsten manipulieren möchte, kann neben den Behörden ein Interesse an den Details der Berechnungsmethode haben?" Falls Verbraucher den Eindruck hätten, ihre Bonität werde unzutreffend bewertet, könnten sie mittels der Selbstauskunft die Daten prüfen und eventuell eine Aktualisierung verlangen.

Ist für eine Korrektur ein Rechtsanwalt nötig, muss die Schufa dessen Honorar übernehmen, was die Auskunftei weiß, seit es ein fälschlich mit fremden Insolvenzen belasteter Kaufmann 2014 mit einem Gerichtsvollzieher eintreiben ließ. Zur Frage, wie dieser Gerichtsvollziehertermin den Schufa-Score der Schufa beeinflusste, teilte die Schufa Telepolis damals mit, ihr eigener Score habe sich durch die Eintreibung des Rechtsanwaltshonorars über den Gerichtsvollzieher nicht verändert, weil die Schuld ja beglichen worden sei (vgl. Gerichtsvollzieher treibt Forderung in Schufa-Zentrale ein).

Daten aus Sozialen Netzwerken fließen angeblich nicht in den Score ein

Dass in eine Bonitätsauskunft auch zweifelhafte Negativmerkmale einfließen können, brachte 2008 die Zeitschrift Finanztest ans Licht, die über eine Stichprobe herausfand, dass häufig bloße Anfragen nach den Konditionen einer Geldaufnahme die Kreditwürdigkeit von Kunden verschlechtern. Begründete der "Kreditberater" nämlich sein Auskunftsersuchen mit "Anfrage Kredit" statt "Anfrage Kreditkonditionen", dann setzte die Schufa automatisch den Score herunter, wenn es später nicht zum Abschluss eines Kreditvertrages kam (vgl. Willkürherrschaft der Statistik). Bei der Schufa heißt es dazu, die Verantwortung hierfür liege bei den Kreditinstituten, die Anfragen als scoreneutrale Konditionsanfragen oder als scorewirksame Kreditanfragen stellen könnten.

Bislang nicht in die Scores einfließen lässt die Schufa ihren eigenen Angaben nach Daten aus Sozialen Netzwerken. 2012 hatte das Unternehmen mit dem Hasso-Plattner-Institut für Softwaresystemtechnik (HPI) an der Universität Potsdam vereinbart, dass man dort erforscht, wie Daten im Internet dazu verwendet werden können, um Bonitäten und "Meinungsbilder" einzelner Personen zu ermitteln.

Das Ideenmemorandum des noch im selben Jahr ergebnislos beendeten Projekts fasste unter anderem Facebook und andere Soziale Netzwerke, Google Street View, Anbieter wie immoscout24 oder Amazon und bei Unternehmen eingestellte Arbeitnehmerdaten ins Auge. Um Pseudonyme zuordnen zu können, dachte man daran, Honeypot-Profile bei Facebook, Xing und Twitter einzurichten, mit denen dann verdeckt Daten gesammelt werden. Besonders interessierte man sich für "Personen öffentlichen Interesses, Verbraucherschützer und Journalisten", für die eine automatisierte Identifikation angedacht war (vgl. Datenkrake will Datenkraken nutzen).