Städte dürfen Diesel-Fahrverbote verhängen

Bild: Ruben de Rijcke / CC BY-SA 3.0

Urteil des Bundesverwaltungsgerichts: Für Verbote ist keine bundesgesetzliche Grundlage nötig. Sie sollen verhältnismäßig sein

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Muss München jetzt 130.000 Straßenschilder bestellen? Die unglaubliche Zahl taucht in zwei Berichten auf (hier und dort), die auf Konsequenzen eines lokalen Fahrverbots für Dieselfahrzeuge aufmerksam machen. Als ausschlaggebend für den "Härtefall" eines Fahrverbotes für besonders schmutzige Diesel-Fahrzeuge in der Innenstadt, das in München laut Zeit 210.000 Autos betreffen würde, war das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts angekündigt worden, das am heutigen Dienstag, den 27. Februar, gegen Mittag erwartet wurde.

Von der Entscheidung würde es abhängen, wie eigenständig Städte Fahrverbote verhängen und von Verwaltungsgerichten dazu "verdonnert" werden können. Und fürwahr der Vorsitzende Richter Andreas Korbmacher sprach sich, wie Eilmeldungen rasch verbreiteten, dafür aus, dass Städte autonom Fahrverbote verhängen können.

Dazu brauche es keine bundesgesetzliche Grundlage (die das Verkehrsministerium ohnehin schon vorbereitet), verkündete das Bundesverwaltungsgericht. Diese Grundlage hatten aber die Landesregierungen von Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen verlangt, als sich Verwaltungsgerichte in Stuttgart und in Düsseldorf für Fahrverbote aussprachen - streckenbezogen in Düsseldorf und für die ganze Innenstadt in Stuttgart.

Die Revision der Gerichtsurteile in Stuttgart und in Düsseldorf wurde von der höchsten zuständigen Instanz in Leipzig zurückgewiesen. Damit haben Klagen des in Teilen der Öffentlichkeit, der Politik und vor allem bei Autoherstellern nicht besonders beliebten Vereins "Deutsche Umwelthilfe" (DUH) auch vor anderen 17 Verwaltungsgerichten, darunter zum Beispiel München, gute Aussichten, ein Fahrverbot zu erwirken.

Ganz Deutschland, so der Eindruck, schaute heute auf das maßgebliche Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Laut ersten Berichten dazu plädierte der Vorsitzende Richter für "Verhältnismäßigkeit" bei der Umsetzung von Luftreinhalteplänen, die nun von den Städten mit Fahrverboten verschärft werden können. Wie die "Verhältnismäßigkeit" geregelt wird, ist noch offen. Klar ist damit, dass es Ausnahmen geben muss.

Es soll "Ausnahmeregelungen etwa für Handwerker geben", wird Richter Korbmacher zitiert, aber auch: Es gebe aber keine finanzielle Ausgleichspflicht. "Gewisse Wertverluste sind hinzunehmen." Und außerdem erteilte das Gericht diese politische Aufgabe: "Die zuständigen Landesbehörden hätten es in der Hand, einen 'Flickenteppich' zu verhindern."

Wie das nun in politische Maßnahmen umgesetzt wird? Eine Landesregelung, die einheitlich vorgibt, ob ganze Innenstädte gesperrt werden oder nur Teile, "streckenbezogene Fahrvebote"? Länderregelungen geben pauschal vor, wer grundsätzlich zu den Ausnahmen gehört, Berufsstände wie Ärzte oder Elektriker? Was ist mit den alten Diesel-Fahrzeugen von Feuerwehren, die zu kleineren Einsätzen ausrücken? usw. Auch die Reaktion der Autohersteller, die nun unter einen anderen Druck geraten, wird interessant (Ergänzung: Und natürlich wird auch über die für viele teure blaue Plakette als einheitliche Lösung debattiert).

Der Vorhang zu dem Akt in Leipzig ist gefallen, im nächsten geht es munter weiter.

Laut Focus reagierten Wirtschaftsverbände mit "großer Besorgnis": "Der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), Hans Peter Wollseifer, rief die Städte und Gemeinden zu äußerster Zurückhaltung bei der Verhängung von Fahrverboten auf. (...) Wollseifer kritisierte Fahrverbote als 'massive Eingriffe in Eigentumsrechte, in die Mobilität und in die Freiheit beruflicher Betätigung'. Für Handwerksbetriebe kämen Fahrverbote einer Enteignung gleich."