AfD: Das "Verschwinden Deutschlands als Kulturnation" droht

Marc Jongen im Deutschen Bundestag. Screenshot vom Video der Aktuellen Stunde am 23. Februar.

Die alternativen Welten des kulturpolitischen Sprechers der AfD und die Liebe zum Vaterland

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Marc Jongen, Zögling von Peter Sloterdijk und jetzt als Abgeordneter der kulturpolitische Sprecher der AfD, predigt Nationalismus. Alle anderen Parteien im Bundestag würden Deutschland "als staatliche und kulturelle Einheit" abschaffen wollen, sagte er vor kurzem - durch die EU-Politik, die unbegrenzte "Masseneinwanderung" von "kulturfremden Menschen" und erstaunlicherweise auch durch die Energiepolitik. Das führt der als intellektuelle Kopf der AfD geltende Südtiroler nicht weiter aus. Aber wenn die "Altparteien" die Abschaffung Deutschlands anstreben, ist Apokalypse angesagt und geht es "buchstäblich um Alles".

Jongen ist also für deutsche Kultur und vor allem für deren Bewahrung zuständig. Erste Aufgabe ist, die Zuwanderung von "Kulturfremden" zu beenden, man ist ja kein Kosmopolit, sondern ein Nationalist, auch wenn man selber zugewandert ist. Der in Meran Geborene und Aufgewachsene der zunächst in Wien Philosophie studierte und seine Magisterarbeit unter dem Titel "Das Wesen spiritueller Erkenntnis erschlossen aus dem Advaita Vedanta Shri Shakaracharyas" (1996) noch eher dem Esoterischen widmete, worüber wohl Anschluss an den Ex-Jünger von Bhagwan Shree Rajneesh verständlich wird.

Spirituell, so seine Haltung damals, wäre eine Erlösung der Menschheit möglich. In seiner Promotion schwafelt der Sloterdijk-inspirierte Philosoph von einem "Weltalterwechsel", das irgendwie und mysteriös auf einen "transhistorischen Äon oder Zeit-Raum" verweist. Sloterdijk fand das summa cum laude, distanzierte sich aber später von dem "Hochstapler", nachdem er selbst sich zunächst als Sympathisant der AfD-Ideologie gezeigt und Gegenwind erfahren hatte.

Den Weltalterwechsel, der dann doch nur in der nationalistischen Ideologie der Vergangenheitsbewahrung landet, scheint nun die AfD zu ermöglichen. Für Jongen befindet sie sich in einem Kampf um die Bewahrung von Deutschland, was offenbar weltgeschichtlich von Bedeutung sein soll, auch wenn es das Land historisch noch nicht lange gibt. Dazu kommt, dass Abschließen und Bewahren zwar dem Ziel der Selbsterhaltung zu dienen scheint, aber nur eine rückwärts gewandte Perspektive bietet. Die "Alternative für Deutschland" wäre danach nur ein Zurück zu einer phantasmagorischen Identität, da es immer wieder Einwanderungswellen gegeben hat.

Deutschland wird "enteignet"

Für "Politik & Kultur", der Zeitschrift des Kulturrats, hat nun Jongen wie die kulturpolitischen Sprecher der anderen Parteien kurz die Frage beantwortet, welche wichtigen kulturpolitischen Ziele die AfD in der aktuellen Legislaturperiode umsetzten will. Jongen geht gleich in die Vollen und malt mehr oder weniger den Untergang des Abendlandes in Form seiner Kultur an die Wand. Damit will er höher hinaus, als bloß durch Durchsetzung und den Ausbau einer Leitkultur zu fordern. Das Land werde nämlich enteignet: "um seine Substanz, um sein Eigenes gebracht, und seine Konturen werden, wenn die gegenwärtigen Tendenzen sich fortsetzen, in wenigen Jahrzehnten verwischt sein wie eine Zeichnung am Meeresufer".

Da sieht man, der Mann hat auch seinen Foucault gelesen und bringt nun einen der bekanntesten Sätze aus der "Ordnung der Dinge" über das Ende des modernen Menschen der Aufklärung, der eine "junge Erfindung" sei und bald wieder "wie am Meeresufer ein Gesicht im Sand" verschwinden könnte, in die seit langem gepflegte Untergangsrhetorik von Konservativen und Rechten.

Der kulturpolitische Sprecher will hier kein "alternativloses Schicksal" sehen, wie dies selbst der konservative Oswald Spengler in einem bekannten Werk "Der Untergang des Abendlandes" prognostizierte. Die "Altparteien", die Wortschöpfung will ausgerechnet die nach rückwärts gewandte AfD nicht nur zu einer neuen, was sie ist, sondern auch zu einer jungen Partei machen, würden sich nur nach dem Grad Defätismus unterscheiden. Dagegen sei das Alleinstellungsmerkmal der AfD, "dass sie nicht gewillt ist, das Verschwinden Deutschlands als Kulturnation hinzunehmen". Jongen stilisiert gleich auch den Namen der Partei dahingehend, dass es hier um den Kampf für "eine Alternative zum kulturellen Erlöschen - gegen die enormen Widerstände der hegemonialen Linksideologen" geht.