Schweiz behält die öffentlich-rechtlichen Medien

In der Volksabstimmung haben sich mit über 70 Prozent überraschend viele gegen eine Abschaffung der Rundfunkgebühren ausgeprochen

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Die Konservativen in der Schweiz haben eine schwere Schlappe erlitten. Obgleich in der Schweiz wie in Deutschland die Kritik an den öffentlichen-rechtlichen Medien und den Gebühren groß war, haben überraschend viele gegen die Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren (Abschaffung der Billag-Gebühren) gestimmt. In Deutschland, wo die AfD ähnlich wie die Schweizerische SVP ähnliches vorhat, sollte das dort Grund zum Nachdenken auslösen.

Bei Beteiligung von 54,4 Prozent stimmten insgesamt 71,6 Prozent für die Beibehaltung der Gebühren und damit auch für die öffentlichen-rechtlichen Sender der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaf (SRG). Nirgendwo war die Ablehnung der No-Billag-Initiative geringer als 62 Prozent. Die Mehrheit der Schweizer, zumindest derjenigen, die an der Abstimmung teilgenommen haben, wandten sich damit gegen die Privatisierungsvorstellungen der Betreiber.

Das heißt freilich noch lange nicht, dass nun die SRG nicht endlich notwendige Reformen durchführen und auch die Gebühren (jährlich 451 Schweizer Franken/392 Euro) wie beabsichtigt senken muss - und dass in Deutschland, wo man die Diskussionen und die Abstimmung aufmerksam verfolgt hat, eben dies auch möglichst bald eingeleitet wird. Der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm sieht die das Abstimmungsergebnis als "wichtiges Signal für unabhängigen Qualitätsjournalismus auch über die Schweiz hinaus". Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der sich auch in Deutschland zu umfassenden Reformen verpflichtet habe, sei eine Klammer für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Das klingt so wie in der SPD nach dem Mitgliederentscheid über eine Fortsetzung der GroKo.

Das Manko der Betreiber der Initiative war sicherlich die dahinterstehende ausgeprägte libertäre und konservative Ideologie - und nicht zuletzt Eigeninteressen an der vollständigen Privatisierung des Medienmarktes. Die Initiative wollte nicht nur die Gebühren abschaffen, sondern auch unterbinden, dass der Staat in Friedenzeiten Radio- und Fernsehstationen subventioniert. Finanziert werden sollten die Sender durch Werbung und Abo-Modelle.

Verräterisch war dann allerdings, dass auch der Passus gestrichen werden sollte, nach dem Radio und Fernsehen einen Auftrag: "Sie müssen zur Bildung und kulturellen Entfaltung, zur Meinungsbildung und zur Unterhaltung beitragen. Sie müssen auch die Besonderheiten der Schweiz und die Bedürfnisse der Kantone berücksichtigen." Mithin auch in allen Landessprachen senden. Das würde für Privatsender zu teuer, deswegen sollte dieser Passus geschliffen werden.

Da hat sich neben der SVP vor allem Roger Köppel, der Chefredakteur und Verleger des Wochenmagazins Weltwoche hervorgetan. "Der Kunde soll selber entscheiden, was er bezahlen will, und nicht der Staat soll ihm das Geld aus dem Portemonnaie nehmen und dann ein konzessioniertes, kontrolliertes riesen Medien-Moloch am Leben erhalten", meinte er kürzlich. Der Unternehmer gibt sich als Befreier, kritisiert die Präsenz des angeblich übermächtigen SRG als "marktverzerrend", was auch Nachteile für die Meinungsvielfalt habe.

Die SVP macht nun aus der Schlappe die Erfolgsmeldung, dass die Initiative "Bewegung in die medienpolitische Debatte" gebracht habe.