USA drohen mit NAFTA-Kündigung

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Repräsentantenhaussprecher Ryan warnt nach Äußerungen Junckers und Trumps über Zölle auf Motorräder, Whiskey, Jeans und Autos vor Handelskrieg mit der EU

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Robert Lighthizer, der Handelsbeauftragte der US-Regierung, hat für den Fall, dass Mexiko und Kanada sich nicht bald zu einer Reform von NAFTA bereit erklären, mit einer Kündigung des nordamerikanischen Freihandelsabkommens gedroht. "Die Zeit", so der Jurist aus dem Rust-Belt-Bundesstaat Ohio gestern nach Verhandlungen in Mexico City, "laufe davon" - und notfalls könnten die USA den Handel mit Mexiko und Kanada auch über neue bilaterale Verträge regeln.

Kurz vorher hatte US-Präsident Donald Trump getwittert, die Unterschriften Mexikos und Kanadas unter ein "neues und faires NAFTA-Abkommen" seien die Voraussetzung dafür, dass die USA auf die Einführung von Zöllen für Aluminium und Stahl aus diesen beiden Ländern verzichten: NAFTA, so der US-Präsident, sei für die USA ein "schlechter Deal" gewesen und haben dem Land "große Handelsdefizite" sowie eine massive Verlagerung von Firmen und Arbeitsplätzen" beschert.

Gegensätzliche Interessen

Eine Änderung von NAFTA gehörte zu Trumps zentralen Wahlversprechen (vgl. Freihandelsabkommen neu verhandeln, Medienkonzerne zerschlagen und Straftäter abschieben). Die Verhandlungen dazu begannen kurz nach seinem Amtsantritt, im Februar 2017 (vgl. US-Außenminister Tillerson und Heimatschutzminister Kelly in Mexiko), machten aber bislang kaum Fortschritte. Das liegt unter anderem daran, dass die drei Teilnehmerländer ganz unterschiedliche Interessen haben:

Trump geht es vor allem darum, die Möglichkeiten einzuschränken, dass US-Konzerne in Mexiko mit Niedriglöhnen produzieren und die dort gefertigten Waren zollfrei in die USA einführen, was erst seit 2008 in vollem Umfang möglich ist. In Mexiko, wo man 2016 Güter im Wert von über 373 Milliarden Dollar in die USA exportierte (an denen über ein Drittel der Arbeitsplätze hängt) hat man dagegen keinerlei Interesse daran, dass US-Konzerne wieder verstärkt in den USA produzieren.

Kanada zeigt sich bislang eher daran interessiert sein, dass US-Rohstoff- und Energiekonzerne das Land weniger leicht wegen Umweltschutzvorschriften vor privaten Schiedsgerichten auf entgangenen Profit verklagen können. Public Citizen's Trade Watch zufolge betrugen die Schadensersatzansprüche aus solchen Verfahren 2014 zusammengerechnet 12,4 Milliarden US-Dollar. Auch wenn Kanada davon bislang nur 150 Millionen US-Dollar bezahlen musste, kann mit solchen Ansprüchen Druck ausgeübt werden, der den Handlungsspielraum von Gesetzgebern einschränkt. Die durch NAFTA ausgebauten Immaterialgüterrechte, die unter anderem zur Verteuerung von Patenten führten, waren ebenfalls nicht unbedingt im Interesse des nördlichen Nachbarn der USA.

Handelskrieg mit der EU?

Die 25- und zehnprozentigen Zölle auf Stahl und Aluminium, die Trump einführen will, sollen nicht nur für Einfuhren aus Kanada und Mexiko, sondern auch für solche aus anderen Ländern gelten. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der aus dem schwerindustriegeprägten Luxemburg stammt, hatte deshalb Vergeltungszölle auf Harley-Davidson-Motorräder, Bourbon-Whiskey und Levi's-Jeans in Aussicht gestellt, wozu der US-Präsident meinte, in diesem Fall werde seine Administration "einfach ihre [europäischen] Autos besteuern".

Das dürfte die US-Administration zwar ohne den Kongress - aber der könnte ein Gesetz erlassen, das diese Zölle wieder aufhebt. Ob er das macht, hängt davon ab, ob sich neben Demokraten genügend Republikaner finden, die an den in der Partei viele Jahrzehnte lang hegemonialen Freihandelsvorstellungen festhalten, welche unter anderem zu NAFTA in seiner derzeitigen Form führten. Als Vertreter dieser Globalisten meldete sich gestern Repräsentantenhaussprecher Paul Ryan: Er ließ mitteilen, man sei "sehr besorgt über die Auswirkungen eines Handelskrieges und bitte das Weiße Haus, diese Pläne nicht weiterzuverfolgen".

Für welche Position sich ein Abgeordneter oder ein Senator entscheidet, könnte auch damit zu tun haben, ob sein Wahlkreis oder Bundesstaat von Zöllen eher profitiert - oder eher nicht: Ryan etwa sitzt für den Ersten Bezirk des Bundesstaates Wisconsin im Kongress, in dem Harley-Davidson seinen Hauptsitz hat - und Senatsmehrheitsführers Mitch McConell kommt aus Kentucky, wo 95 Prozent des Bourbon-Whiskeys produziert wird.

Bevor die Wähler in diesen beiden Bundesstaaten im November zu den regulären Halbzeitwahlen an die Urnen gerufen werden, gibt es aber noch eine Nachwahl in einem Bundesstaat, der für ein anderes Produkt steht: Den US-Stahl, dessen Hersteller von Importzöllen profitieren würde. Einige US-Medien mutmaßen deshalb, dass sich Trumps Zollbotschaft vor allem an die Wähler in Pennsylvania richtet - und dass sich seine Position nach der dortigen Nachwahl am Dienstag ändern könnte.