Von der Lust oder dem Elend beim Sex mit Puppen oder Maschinen

Telepolis-Salon: Uneinigkeit darüber, was und ob der Sex mit künstlichen Partnern ein neues Kapitel in der Geschichte der Beziehungen eröffnet

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Der Telepolis-Salon Sexbots: Neue Formen der Liebe, oder doch nur die alte Lust an der Selbstbefriedigung? war ein interessanter Abend, der natürlich weit entfernt von einer gemeinsamen Perspektive auf das Wesen und die Folgen der zunehmend perfekteren Sexpuppen und -maschinen war, aber eine lebendige Diskussion auslöste. Gerade die Konfrontation zwischen Manfred Scholand, einem führenden Händler von avancierten Sexpuppen (RS-Dolls), mit der akademischen Perspektive, vertreten durch Barbara Vinken und Klaus Benesch (s.a. seinen Beitrag: Maschinenliebe), erwies sich als kaum überbrückbar, aber desto produktiver.

Manfred Scholand von RS-Dolls bietet an, was von einem Teil der Menschen begehrt wird, der sonst "keinen Zugang zum Sex" hat, wie er sagt. Das sind nicht nur Behinderte oder Männer, deren Frauen gerne auf Sex verzichten, sondern auch viele Männer, die schnell Bedürfnisbefriedigung suchen, ohne sich auf Beziehungen zum anderen Geschlecht einlassen zu mögen oder zu können. Während Männer möglichst frauenähnliche künstliche Sexualpartner suchen, scheinen Frauen nicht nur mit Vibratoren etc. auszukommen, es gibt offenbar auch banale technische Probleme mit männlichen Sexrobotern und dem weiblichen Körper, weswegen diese nicht so gut verkauft werden.

Scholand machte darauf aufmerksam, dass die Kunden auch gar nicht selbständig agierende oder auch sprechende Sexroboter wünschen. Das wäre für sie eher unheimlich. Sie wollen oder können also nicht das Spiel der Verführung ausführen, das zwischen Menschen, wenn keine Gewalt herrscht, inszeniert wird, um eine sexuelle Ekstase zu erreichen. Puppen und Roboter sind für Barbara Vinken Fetische, Produkte einer verkorksten Sexualität. Die Maschinisierung der Sexualität bringe nichts Neues und verstetige nur die Misogynie oder die stereotypen Rollenbilder, die erst im puritanischen England des 19. Jahrhunderts aufgekommen sind.

Während der Hersteller - und gute Verkäufer - der "Liebespuppen" Hilfe aus einer Not anpries, bestritt sie die Kulturwissenschaftlerin. Scholand sprach vom Geschlechtstrieb als einem Maslowschen Grundbedürfnis, bei dessen Abfuhr die Puppen den Verzweifelten helfen, die "keine Frau haben können". Barbara Vinken verwehrte sich nicht nur gegen diese Formulierung, sondern generell gegen den Ansatz von Trieb und Triebabfuhr, der ihrer Ansicht nach völlig falsch ist. Der Trieb sei eine Grundenergie der menschlichen Kultur, der nicht einfach stumpf mechanistisch abgeführt, sondern woraus etwas durch das erotische Spiel geformt wird: spannende gegenseitige Beziehungen.

Telepolis hat die Veranstaltung aufgezeichnet und einen Livestream angeboten. Wir laden Interessierte ein, die lebhaften Gespräche mit unseren Gästen und dem Publikum anzuhören und anzuschauen.