Der Fall Marc Jan Eumann (4)

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz

(Bild: Bendix Grünlich Creative Commons CC0 1.0 Universal Public Domain Dedication)

Rheinland-Pfalz - Rechtsstaat oder failed state?

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Was bisher geschah:
Folge 1: Wie man in Rheinland-Pfalz Landesmediendirektor wird
Folge 2: Eine öffentliche Wahl als Staatsgeheimnis
Folge 3: Der beste Rundfunkbeitrag aller Zeiten!

Diesen Montag hat der Autor gegen den Abweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße Beschwerde eingelegt. Möglich wurde dies, weil bislang 336 Personen nicht egal ist, wie in Rheinland-Pfalz öffentliche Ämter unter der Hand vergeben werden. Inzwischen kamen via Crowdfunding durch den „Rundfunkbeitrag“ über 8.500,- € zusammen, so dass der Großteil der Gesamtkosten des Eilantrags gedeckt ist.

Rechtsfreier Raum Rheinland-Pfalz?

Die unverhohlen gemauschelte „Wahl“ des Ex-Staatssekretärs Herrn Dr. Marc Jan Eumann in das gut besoldete Amt verletzt in mehrfacher Weise das verfassungsrechtlich fundierte Konzept der Bestenauslese für die Besetzung öffentlicher Ämter, das nach Meinung der ersten Instanz für die Versammlung der Landesmedienzentrale Rheinland-Pfalz (LMK) gar nicht gelten soll. Das Gericht bewertete die ähnlich den Rundfunkräten pluralistisch gebildete Versammlung der LMK als ein demokratisch legitimiertes Parlament. Tatsächlich jedoch ist die LMK eine Verwaltungseinheit der Exekutive in Selbstverwaltung, welche die Staatsferne des Rundfunks auch bei der Rechtsaufsicht verwirklichen soll.

Und für eben diese Aufgabe, den wirkmächtigen Rundfunk ohne etwa parteipolitische Interessenkonflikte möglichst staatsfern zu kontrollieren, ist Herr Dr. Marc Jan Eumann vermutlich nicht die beste Wahl. So ist es schon eine Schnapsidee, von einem langjährigen und gut vernetzten Medienstaatssekretär überhaupt zu erwarten, dass er anstandslos die Perspektive wechseln würde. Für eine Einschätzung, ob Herr Dr. Eumann den Umgang mit Interessenkonflikten beherrscht, lohnt sich ein Blick in die Vita.

Bester Kandidat?

Bereits im Kölner Müllspendenskandal musste Eumann gemäß § 153a StPO eine Geldzahlung leisten, weil er eine dubiose Spendenquittung für die Partei ausgestellt hatte. Seine Parteifreunde Heugel und Rüther wurden wegen Bestechlichkeit verurteilt. Die Kölner SPD musste wegen Verletzung des Parteispendengesetzes 492.997 € zahlen. Das schweisste die Genossen offenbar zusammen, denn Eumann wurde 2010 zum Staatssekretär der neuen NRW-Regierung berufen und taugte zum Vertrauten der Ministerpräsidentin Kraft (nunmehr RWE).

Noch während seiner Funktion als NRW-Staatssekretär für Medienvielfalt fand Eumann 2011 Zeit, um an der TU Dortmund zu promovieren. Anrüchig wirkte, dass kurz nach Verleihung der Doktorwürde das Institut des Doktorvaters von der NRW-Regierung 200.000,- € Fördergelder erhielt, was sicher nur ein missverständlicher Zufall ist.

Bei der Einreichung seiner Dissertation war Eumann damit überfordert, im Formular das Kästchen mit „Ja“ auszufüllen, ob er die Arbeit "ganz oder teilweise in einer anderen Fassung oder in Teilen" im Zusammenhang mit einer anderen Prüfung vorgelegt habe. Sein Aberkennungsverfahren überstand der erfahrene Politiker. Dass die NRW-SPD einen solchen Genossen nicht fallen ließ, mag man verstehen oder auch nicht.

Keine talentierten Landeskinder?

Erklärungsbedürftig aber ist die Tatsache, warum die rheinland-pfälzische SPD bei der Kandidatenkür für das finanziell höchst attraktive Amt des Landesmediendirektors nicht in den eigenen Reihen suchte, sondern sich ausgerechnet auf eine NRW-Skandalnudel wie Eumann einließ. Schätzt die Landesregierung das landeseigene Potential für die Leitung einer Behörde zur Rechtsaufsicht, für die man wie Eumann nicht einmal Jurist sein muss, wirklich als so schwach ein? Hat gar kein Rheinland-Pfälzer Interesse an einer Stelle, die höher vergütet wird als die des Präsidenten eines Oberlandes- oder Oberverwaltungsgerichts?

Die auffällige Liebe der rheinland-pfälzischen SPD für Eumann veranlasste diese zu absurden Verrenkungen, um die Kandidatur möglichst bis zur letzten Minute geheim zu halten. Selbst als das Manöver vorzeitig aufflog, hinderte dies 19 Mitglieder der LMK-Versammlung nicht an der Stimme für einen Kandidaten, der nicht einmal in seiner Bewerbungsrede zu seiner Qualifikation substantiiert informierte.

Dem Vernehmen nach soll die Besetzung von öffentlichen Ämtern nach Parteibuch in Rheinland-Pfalz eher die Regel als die Ausnahme sein. Über die Beweggründe der in Rheinland-Pfalz mit 36 % noch relativ mächtigen SPD, ausgerechnet eine NRW-Personalie wie Eumann in ein mit ca. 10.000,- €/Monat besoldetes Staatsamt zu bugsieren, lässt sich nur spekulieren. In der Politik sollen Kuhhändel üblich sein, heißt es. Nach dem überlebten Desaster um den Nürburgring, bei dem sogar der Finanzminister das Parlament belog, scheint es gar keine Schamgrenzen mehr zu geben.

Nagelprobe

Die seltsame Kritiklosigkeit wird allerdings nun doch zu einer politischen Belastung für die Regierung Malu Dreyer. Das unappetitliche Pöstchenschachern der etablierten Parteien provoziert verständlicherweise Politikverdrossenheit und drängt nahezu die rheinland-pfälzischen AfD, die bislang nur geringen Zugriff auf öffentliche Fleischtöpfe hat, in die wohlfeile Rolle des Volkstribuns.

Am Oberverwaltungsgericht Koblenz wird sich nun erweisen, ob die Justiz als Korrektiv für diese dreiste Selbstbedienungsmentalität fungieren kann. Der auf öffentliches Medienrecht spezialisierte Prof. Dr. Dr. Volker Boehme-Neßler, der den Telepolis-Lesern vertraut ist, hat eine überzeugende Beschwerdebegründung verfasst, derzufolge die LMK-Versammlung kein grundrechtsfreier Raum ist. Auch die LMK und Herr Dr. Eumann lassen sich von namhaften Juristen vertreten. Sollte sich Rheinland-Pfalz wirklich als failed state erweisen, bekämen wir jedenfalls immerhin ein Begräbnis erster Klasse!

Das Verfahren wurde möglich, weil die Kosten nunmehr auf die Schultern von über 336 „Rundfunkbeitragszahlern“ gestellt wurden. Die erste Instanz soll nach aktuellem Stand ca. 5.000,- € kosten, die nun angerufene Instanz wird mit ca. 7.000,- € zu Buche schlagen. Wer sich noch mit einem „Rundfunkbeitrag“ in Höhe von 17,50 € beteiligen möchte, kann dies noch im Laufe dieses Tages tun. Falls der Prozess gewonnen werden oder sonst etwas überbleiben sollte, wird dies zu je einem Drittel an Abgeordnetenwatch, an Transparency International Deutschland e.V. und an das Projekt „Zivilcourage“ der Wau Holland Stiftung gespendet.