Bayern: Seehofer übergibt Ministerpräsidentenamt an Söder

Markus Söder. Bild: European People's Party / CC-BY-2.0

Als Innenminister in Angela Merkels Kabinett verspricht der CSU-Vorsitzende eine Abschiebeoffensive

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Heute wird Horst Seehofers Rücktritt vom Amt des bayerischen Ministerpräsidenten wirksam. Nach einer letzten Kabinettssitzung in München nahm er ein Flugzeug nach Berlin, wo er morgen zum Bundesinnenminister ernannt wird.

Seehofer regierte Bayern vom 27. Oktober 2008 bis zum 13. März 2018 - fast genau so lang wie Franz Josef Strauß, der vom 6. November 1978 bis zum 3. Oktober 1988 Ministerpräsident des Freistaats war. Dabei fiel der Ingolstädter vor allem dadurch auf, dass er Projekte des noch vier Jahre länger als er und Strauß regierenden Ministerpräsidenten Edmund Stoiber rückgängig machte: Er schaffte dessen Studiengebühren ebenso wieder ab wie Stoibers achtjähriges Regelgymnasium, verringerte die auf 42 Stunden erhöhte Arbeitszeit für Beamte und schuf neue Stellen im öffentlichen Dienst, in dem sein Vor- Vorgänger in der Privatisierungseuphorie der 1990er und Nuller Jahre kräftig gestrichen hatte. Damit erhöhte er die Staatsausgaben von 38 auf 60 Milliarden Euro. Dass das ohne Schuldenanstieg klappte, lag an der Konjunktur, die bekanntlich in Zyklen verläuft.

"Masterplan für schnellere Asylverfahren und konsequentere Abschiebungen"

Gäbe es alleine die Landespolitik, wäre Seehofer wahrscheinlich noch länger Ministerpräsident geblieben. Dass er seinen Hut nahmen musste, lag vor allem daran, dass er seine Partei vor der Bundestagswahl 2017 auf Angela Merkel einschwor und meinte, wenn das schief geht, dann könne man ihn "köpfen". Weil Bayern nicht Saudi-Arabien und kein Kalifat ist, forderte das die CSU danach aber nur mit Bezug auf das Ministerpräsidentenamt und nicht auf den Körper.

Auf dem Bundesministerposten, den er jetzt in Berlin antritt, will Seehofer einen "Masterplan für schnellere Asylverfahren und konsequentere Abschiebungen" ausarbeiten und die "Zahl der Rückführungen deutlich erhöhen, wie der der Bild am Sonntag verriet. Dabei will er "besonders bei Straftätern und Gefährdern unter den Asylbewerbern […] härter durchgreifen". Vertreter von FDP und AfD äußerten bereits Zweifel daran, dass das funktionieren wird: Weil Aufenthaltsbeendigungen vor allem Ländersache sind, weil die Grünen Rechtsänderungen im Bundesrat blockieren und weil sich die Ministerien, mit denen man Druck auf rücknahmeunwillige Herkunftsländer ausüben könnte, in den Händen von SPD- und CDU-Politikern befinden.

Söders Schicksal hängt auch an Seehofer

Kann Seehofer in Sachen Ausschaffung bis zur bayerischen Landtagswahl am 14. Oktober keine sichtbaren Erfolge vorweisen (oder den Bürgern wenigstens glaubhaft machen, dass solche Erfolge greifbar sind), dann könnte seinem Ministerpräsidentenamtsnachfolger Markus Söder womöglich eine noch kürzere Amtszeit beschieden sein als dessen nur etwa ein Jahr lang amtierenden fränkischen Landsmann Günther Beckstein.

Manche fragen sich sogar, ob Seehofer nicht vielleicht unbewusst auf eine solche Niederlage Söders hinarbeitet, auch wenn er nach eigenen Angaben gut mit ihm zusammenarbeiten möchte. Dass das Verhältnis zwischen den beiden Politikern kein gutes ist, konnte man zuletzt an ihrer Mimik beim Nockerberg-Starkbieranstich ablesen. Ein Schauspieler sagte dem Bayerischen Rundfunk dazu, das könne eventuell daran liegen, dass Seehofer den Verdacht hegt, Söder habe die Geschichte mit seinem unehelichen Kind vor elf Jahren an die Presse durchgestochen - aber nichts genaues wisse man nicht.

CSU-Trump?

Dass Söders Kopf bei einem entsprechend schlechten Wahlergebnis rollt, wissen auch die bayerischen Oppositionsparteien, denen die Vorstellung, dass sich Merkel in Bayern indirekt abwählen lässt, nutzen könnte (vgl. Merkel via Seehofer stürzen?). Die Bayernpartei setzt darauf, dass sie es mit ein- bis eineinhalb Punkten Zugewinn durch solche Merkelunzufriedenen in den Landtag schafft, wodurch die Bürger ihrer Ansicht nach ein deutlicheres Zeichen setzen können als mit einer Stimme für die AfD, deren Einzug in den Landtag ohnehin erwartet wird (vgl. Politischer Aschermittwoch 2018: die Opposition in Bayern).

Stürzt Söder, dann könnte es den von seiner Rivalin Ilse Aigner im November geforderten Mitgliederentscheid zur Ermittlung eines neuen Vorsitzenden geben. Ob Aigner so einen Mitgliederentscheid gewinnt, ist allerdings offen: Berücksichtigt man die Stimmung an der CSU-Basis, könnte eine Urwahl eine ähnliche Überraschung bringen wie die von Labour in England (vgl. Anti-Blair gewinnt Urwahl) oder die Präsidentschaftsvorwahlen in den USA (vgl. Republikanische Präsidentschaftsvorwahlen: Donald Trump führt überraschend die Umfragen an und Der Twitter-Präsident). Voraussetzung dafür ist, dass dabei entsprechende Persönlichkeiten kandidieren.

Eine solche Persönlichkeit wäre Peter Gauweiler, der im Streit um die Euro-Dauerrettung aus der aktiven CSU-Politik ausstieg (vgl. Gauweiler gibt Mandat auf) und eine Anfrage von Telepolis, ob er bereit wäre, bei einer Urwahl zu kandidieren, unbeantwortet ließ. Zwei andere von der Basis gefeierte Außenseiter sind Iris Eberl, die einzige Unionsabgeordnete, die gegen Heiko Maas' NetzDG stimmte, und der ehemalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, der vor allem auf Twitter viel Beifall dafür bekommt, dass er kein Blatt vor den Mund nimmt.