Das Ende der Globalisierung

Die Präsidenten Trump und Xi Jinping an der gemeinsamen Tafel (8. Juli 2017). Bild: Weißes Haus. Gemeinfrei

Der eskalierende Handelsstreit zwischen den USA, China und der EU deutet auf ein drohendes Auseinanderbrechen der globalisierten Weltwirtschaft

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Im Streit um die enormen globalen Handelsungleichgewichte stehen die Zeichen auf Eskalation. Der neue Wirtschaftsberater des rechtspopulistischen US-Präsidenten Donald Trump, Larry Kudlow, griff noch vor seiner offiziellen Ernennung die Europäische Union und China scharf an.

Die EU betreibe eine "sehr schlechte protektionistische Politik", China habe "seit langem nicht nach den Regeln gespielt", so der innerhalb der Republikaner gut vernetzte Kudlow, der Gary Cohn als ökonomischer Chefberater des Präsidenten ablöst. Cohn hat sich mit Trump gerade in der Streitfrage protektionistischer Politik überworfen, nachdem der US-Präsident erste Zölle für Stahl und Aluminium ankündigte.

Inzwischen warnt auch China, das sich bisher in dem Handelsstreit eher zurückhielt, vor weiteren protektionistischen Maßnahmen der USA, die nicht unbeantwortet bleiben würden. Man habe sich große Mühe gegeben, "einen Handelskrieg zu vermeiden, aber wenn einer ausbricht, ist Appeasement keine Option", zitierte Spiegel Online aus einem Leitartikel der staatlichen Zeitung Global Times. Amerika müsse die Ärmel aufkrempeln und endlich lernen, hart zu arbeiten, hieß es in dem parteinahen Organ:

Wenn die USA ihr Handelsdefizit reduzieren wollen, müssen sie die Amerikaner dazu bringen, härter zu arbeiten. Und sie müssen Reformen in Einklang mit der internationalen Marktnachfrage durchführen, statt den Rest der Welt aufzufordern, sich zu ändern.

Global Times

Damit scheinen die Fronten verhärtet. Der designierte Präsidentenberater Kudlow - derzeit als Fernsehmoderator tätig - sprach in ersten Stellungnahmen ausdrücklich davon, eine protektionistische Allianz zu bilden, um koordiniert gegen Peking vorzugehen. Er möge zwar keine Zölle, aber China habe "eine harte Antwort" verdient.

Washington: Ungleichgewichte abbauen

Pekings dramatische Warnungen, ein Handelskrieg zwischen den wichtigsten Wirtschaftsräumen würde die Weltwirtschaft in ein "Desaster" führen, verhallten somit in Washington ungehört. Es gebe keine Gewinner in einem handelspolitischen Schlagabtausch, erklärte der chinesische Handelsminister Zhong Shan kurz nach der Bekanntgabe der Trumpschen Strafzölle, mit denen der rechtspopulistische Präsident sein Wahlkampfversprechen einer Reindustrialisierung der Vereinigten Staaten realisieren will.

Das Problem besteht somit offensichtlich darin, dass man in Washington durchaus der Ansicht ist, einen Handelskrieg führen und gewinnen zu können. Washington sitzt schlicht am längeren Hebel, wie ein Blick auf die Handelsbilanzen verrät. Die USA verzeichneten gegenüber China 2017 ein gigantisches Handelsdefizit von 375 Milliarden US-Dollar. Gegenüber dem Autoland Bundesrepublik - das Trump mit Zolldrohungen gegenüber Daimler und BMW aufschreckte - betrug das amerikanische Defizit immerhin noch 64 Milliarden US-Dollar.

Den Befürwortern protektionistischer Politik in der Trump-Administration scheint somit der Handelskrieg als ein Nullsummenspiel abzulaufen. Bei dem handelspolitischen Schlagabtausch würden diesen Vorstellungen zufolge in der Tendenz die Ungleichgewichte abgebaut. Für die USA bedeutete dies einen Abbau des Defizits, für Länder wie BRD und China bedeutete dies, dass ihre Überschüsse abschmelzen würden.

Die Vereinigten Staaten erscheinen so als unvermeidlicher Profiteur eines Handelskrieges. Was hierbei nicht berücksichtigt wird - und worauf offensichtlich die Mahnungen Pekings anspielen - ist der allgemeine konjunkturelle Einbruch, der durch die wechselseitigen Handelsbeschränkungen ausgelöst werden könnte. Und hiervon sind tatsächlich alle "Kriegsparteien" bei einem Handelskrieg bedroht.

Deswegen hat die Ankündigung chinesischer Vergeltungsmaßnahmen im beginnenden Handelskrieg mit den USA auch einen kräftigen Einbruch an den US-Börsen ausgelöst.

Protektionismus als geopolitischer Hebel

Es stellt sich somit die Frage, wieso sich die Anhänger protektionistischer Politik im Weißen Haus durchgesetzt haben. Wieso geht Washington das Risiko schwerer wirtschaftlicher Verwerfungen überhaupt ein? Zum einen benutzt Washington die Instrumente protektionistischer Politik, um den imperialen Abstieg der USA aufzuhalten oder hinauszuzögern.

Das Handelsblatt bezeichnete dieses Vorgehen schlich als "Erpressung". Mit den Zöllen würden die Verbündeten Washingtons unter Druck gesetzt; sie fungierten als "Hebel", mit dem das Weiße Haus den Partnern seinen Willen aufzwinge. Dies sei eine "höchst plumpe Taktik", klagte das Handelsblatt.

Die US-Strafzölle richten sich folglich auch gegen die EU, insbesondere gegen Berlin, das zunehmend bemüht ist, "seine" EU als einen eigenständigen geopolitischen Akteur zu etablieren und auch in Konkurrenz zu den USA zu agieren. Deutschland ist der größte europäische Stahllieferant der USA. Wie bereits erwähnt: Trump hat jüngst ausdrücklich deutschen Autoherstellern Strafzölle angedroht und die zu niedrigen Militärausgaben der Bundesrepublik in Rahmen der NATO bemängelt.

Die Botschaft ist klar: Berlin engagierte sich nicht stark genug im atlantischen Bündnissystem. Im Fall Deutschlands werden nicht nur die extremen Handelsüberschüsse von Washington angeprangert, der ja schon von der Obama-Administration in zivilisierter Form vergeblich kritisiert wurden.

Im Weißen Haus dürften die geopolitischen Ambitionen der europaweit dominierenden Bundesrepublik zunehmend Unmut erregen: von dem Bemühen, gemeinsam mit Paris die EU als - auch militärische - Großmacht aufzubauen, bis zum harten Brexit-Poker mit dem engen US-Verbündeten Großbritannien.

Bei einem deutschen Handelsüberschuss von rund 64 Milliarden Euro, der beispielsweise größer ist als das gesamte deutsch-russische Handelsvolumen, scheint diese Taktik Washingtons erfolgversprechend. Deutschlands Unternehmerschaft kann ja noch rechnen und reagierte auch umgehend.