Die amerikanische Beeinflussungsparanoia

Mit Cambridge Analytica und Facebook rückt nun neben dem äußeren Feind Russland ein innerer Feind, der den Wahlsieg von Trump erklären und auf böse Beeinflussungen des hilflosen amerikanischen Wählers zurückführen soll

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Plötzlich wird Russland aus der führenden Position verdrängt und muss Facebook weichen. Die Firma Firma Cambridge Analytica soll Daten von 50 Millionen Nutzern verwendet haben, um sie mit auf ihr persönliches Profil zugeschnittene Botschaften für Trump zu gewinnen. "Psychographic Profiling" verspricht die Firma, also letztlich ein Konzept für eine erfolgreiche, weil individualisierte Beeinflussung von Menschen, was Politiker, aber auch Unternehmen für ihre Produkte gerne hätten.

Nach Russland, dem Feind von außen, hat man nun auch einen Feind aus dem Innen - wobei Donald Trump den Feind aus dem Innen schon lange mit den Fake-News-Medien und dem Establishment in Washington bzw. dem Tiefen Staat instrumentalisiert hatte. Neben der britischen Firma - die Briten hatten schon mit dem zunächst für die Demokraten gefakten Dossier über Trump eine unrühmliche Rolle gespielt - nun auch der mächtige Facebook-Konzern. Allerdings verwendete die Firma zur Profilierung auch Daten von Twitter und kaufte zusätzlich Informationen über Fernsehgewohnheiten, Flugreisen, Einkaufsverhalten, Kirchenbesuche, Bücher- und Zeitschriftenkäufe etc.

Auch der innere Feind und Strippenzieher als der neue böse Agent entlastet die amerikanische Seele, da nun ein weiterer Schuldiger gefunden wurde, der den an sich guten, aber der Manipulation hilflos ausgesetzten Amerikaner zur Wahl von Trump verführt hat. Nicht nur Trump soll die Arbeit der Beeinflusser-Firma zugute gekommen sein, auch die republikanischen Präsidentschaftsbewerber Ted Cruz und Ben Carson hatten ihre Dienste in Anspruch genommen, offensichtlich nicht erfolgreich.

Unklar ist freilich, ob Trump selbst den Auftrag für die Social-Media-Kampagne an die Firma gegeben hat. Der Verdacht richtet sich eher gegen die einst schillernde Figur im Hintergrund, den rechtsnationalen Stephen Bannon. Er hatte mit Breitbart News für Trump getrommelt und wurde dann zum Dank in das Wahlkampfteam aufgenommen und schließlich zum Chefstrategen des Präsidenten, bis er Hals über Kopf von Trump gefeuert wurde. So viel zur Loyalität.

Bannon ist auch die Verbindung zum Multimilliardär Robert Mercer, der mit seiner Tochter Rebekah Breitbart News und andere rechte Projekte förderte und viel Geld in Trumps Wahlkampagne investierte, aber auch mit Cambridge Analytica, wo auch Bannon Teilhaber gewesen sein soll, als Geldgeber in Verbindung stand. Rebekah Mercer ist Vorstandsmitglied der Firma und will es auch angeblich blieben. Dabei ist aber Jared Kushner, der Schwiegersohn von Donald Trump, der die Firma für die Wahlkampagne mit ins Boot holte und dazu auch Brad Parscale einstellte, der die Social-Media-Aktivitäten leitete und weiterhin dafür zuständig ist.

Sonderermittler Robert Mueller ermittelt in diesem Komplex im Rahmen seiner Untersuchung über Beziehungen der Trump-Kampagne zu Russland und hat letzten Freitag Cambridge Analytica aufgefordert, interne Informationen zu übergeben. Eine der Fragen wird sein, ob die Trump-Kampagne mit ihren Social-Media-Aktivitäten in Kontakt mit der russischen Trollfabrik stand, die zur gleichen Zeit für Trump aktiv war und auf Facebook Werbung schaltete. Belege gibt es dafür bislang nicht.

Unklar ist auch, ob die jetzt so beschworenen Beeinflussungskampagnen wirklich signifikant etwas bewirkt haben. Belege dafür gibt es auch nicht, nur ein Unbehagen, dass gezielte Werbung oder falsche Informationen Menschen beeinflussen könnten, wobei aber nur auf die "feindlichen" Aktivitäten gestarrt wird. Die werden als bedrohlich dargestellt, während die eigenen Auslandssender, Organisationen, Geheimdienste und Beeinflussungsaktivitäten systematisch ausgeblendet werden. Das lässt den Verdacht entstehen, dass die geschürte Paranoia gegen Beeinflussungsaktionen von äußeren Feinden und inneren Gegnern nichts anderes ist als Teil einer Propaganda, die einen Feind und ein dummes, einer medialen Gehirnwäsche hilflos ausgesetztes Volk konstruiert, um aus der davon abgeleiteten Bedrohung angebliche Gegenmaßnahmen zur Bekämpfung des Feinds und zum Schutz des Volks zu legitimieren.

Vermuten kann man derzeit, dass die Macht der Beeinflussung über Medien derzeit stark übertrieben wird. Man wird sich daran erinnern, dass spätestens seit dem Kosovo-Krieg von Medien-und Informationskriegen gesprochen wird, besonders hochgespült wurde dies während des Irak-Kriegs, als der damalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld ein ums andere Mal beschwor, dass die Terroristen den Informationskrieg dank dem Internet gewonnen hätten und Sender wie al-Dschasira die Informationshoheit der Amerikaner untergraben, während die PsyOp- und Propagandamaßnahmen des Pentagon nicht fruchteten oder vom Kongress eingeschränkt wurden.