Maroder Schweizer Uraltmeiler Beznau wieder am Netz

AKE Beznau. KKW_Beznau_-_panoramio.jpg:Bild: BLS208/CC BY-SA-3.0

Deutsche, Schweizer und Franzosen wehren sich dagegen, dass die Grenzwerte für Radioaktivität um den Faktor 100 angehoben und die Abschaltkriterien deutlich gesenkt werden sollen

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Telepolis hatte es gerade angekündigt, dass die Lebensgefahr am Oberrhein massiv steigt, da die Schweizer Behörden einen der ältesten Reaktoren weltweit wieder ans Netz lassen wollen.

Das Risiko wird weiter steigen, da auch die Franzosen an der deutschen Grenze, in Fessenheim, den ältesten französischen Schrottmeiler trotz massiver Mängel wieder hochfahren, der nach vielen Versprechungen längst abgeschaltet sein sollte, weil man schlicht angesichts einer verfehlten Energiepolitik seit Jahrzehnten, dringend auf den Strom angewiesen ist.

Nun ist, so melden Schweizer Medien melden, Beznau I also tatsächlich seit Dienstag wieder am Netz. "Zeitweise werde aus dem nicht nuklearen Teil der Anlage sichtbar Dampf abgegeben", wird der Betreiber Axpo zitiert. "Dabei bestehe keine Gefährdung von Mensch und Umwelt", der Standardsatz der Atomlobby. Unmittelbar besteht vermutlich tatsächlich keine Gefahr, dass der Uraltmeiler aber sicher ist, daran haben zahllose Experten aus verschiedenen Gründen ihre Zweifel. Es gibt sogar bekannte Mängel am Reaktordruckbehälter, die einst zu der dreijährigen Abschaltung geführt hatten.

Für Umweltschützer ist an der Grenze zu Deutschland nun einer der "gefährlichen Reaktoren im ältesten AKW der Welt in Beznau" wieder in Betrieb genommen worden. Sie verweisen darauf, dass die Axpo meint, "alle sicherheitstechnischen Anforderungen für den Langzeitbetrieb von 60 Jahren" seien erfüllt. Nach Ansicht des BUND-Geschäftsführers im nahen Freiburg wird die Bevölkerung einem nicht verantwortbaren "Experiment, auf Kosten der Sicherheit", ausgesetzt. Axel Mayer spricht davon, dass dafür "nur Verantwortungslosigkeit und Gier" verantwortlich seien und die "Schweizer Atomlobby aus den Katastrophen von Fukushima und Tschernobyl nichts gelernt" habe.

Der Trinationale Atomschutzverband (TRAS), in dem Umweltschutzorganisationen aus der Schweiz, Deutschland und Frankreich zusammengeschlossen sind, verurteilt den Wiederinbetriebnahme, da die Atomaufsicht (ENSI) veraltete Sicherheitskriterien anwende und sich nicht an die Bestimmungen der aktuellen Gesetzgebung halte. Dass die ENSI "die gesetzlichen Dosisgrenzwerte" für Radioaktivität "um einen Faktor 100 heraufsetzen lassen will, weil beide Beznau-Reaktoren die aktuell geltenden Dosisgrenzwerte nicht einhalten, belegt die Parteilichkeit dieser Behörde." Die Atomaufsicht "handelt illegal" und riskiere einen Super-GAU, weshalb die TRAS die Abschaltung fordert, wenigstens solange es keinen rechtskräftigen Gerichtsentscheid gibt.

Damit nicht genug weist der Freiburger Mayer auch noch darauf hin, dass neben der skandalösen Anhebung der Strahlenwerte auch noch die Abschaltkriterien für Atomkraftwerke in der Schweiz stark reduziert werden sollen. "Dies hätte zur Folge, dass die Aufsichtsbehörde ENSI, selbst bei einer Gefährdung wie in Fukushima, eine Abschaltung und Nachrüstung nicht mehr durchsetzen könnte." Eine solche Revision der Verordnungen sollte unbedingt verhindert werden, meint der BUND-Geschäftsführer. Mayer verweist auf ein "Vernehmlassungsverfahren" in der Schweiz, das noch bis zum 17.4. laufe. Der TRAS hat ein entsprechendes Modell für Einsprüche zum Herunterladen bereitgestellt.

Für viele Experten hätten nach geltendem Recht beide Reaktoren in Beznau schon nach der Veröffentlichung der Stresstest-Resultate 2012 abgeschaltet werden müssen. "Art. 4 Abs. 3 KEG verpflichtet das ENSI, im Sinne der Vorsorge 'alle Vorkehren zu treffen, die nach der Erfahrung und dem Stand der Technik und der Wissenschaft notwendig sind'", schreibt die TRAS. Die Atomaufsicht weigere sich aber, "die Sicherheit nach dem heutigen Stand der Technik zu beurteilen", wie Experten auch auf dem Beznau Hearing dargestellt hatten. Um die Wiederinbetriebnahme zu ermöglichen, wurde die Reaktorsicherheit schöngerechnet. Nach Berechnungen des Öko-Instituts in Darmstadt ist der Sprödbruch-Referenztemperatur-Grenzwert für eine Außerbetriebnahme längst altersbedingt überschritten.