Dollar vor dem Abstieg?

In Reaktion auf Strafzölle Washingtons scheint China einen Angriff auf den Petrodollar führen zu wollen

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Trump macht Ernst mit seiner protektionistischen Politik. Während die EU noch einen Aufschub bis Mai erhielt, muss China eine Antwort finden auf die umfassenden Strafzölle, die Washington am 22. März verhängte. Die Höhe der Zölle soll sich auf rund 60 Milliarden US-Dollar jährlich belaufen.

Zugleich dient die vorläufige Aussetzung der US-Handelshürden für die EU vor allem dazu, Brüssel und Berlin in die amerikanische Front im Handelskrieg gegen Peking einzubinden. Der langfristige Verzicht Washingtons auf Strafzölle gegen europäische Waren ist nur dann möglich, wenn Deutscheuropa seine eigenständigen geopolitischen Ambitionen zurückfährt und sich in die antichinesische Allianz Washingtons einreiht.

Somit wird Berlin gezwungen, bei dem Handesskonflikt eine Seite zu wählen, wie Wirtschaftsanalysten beim Focus erläuterten:

So hat die US-Regierung die EU auch bereits zum Schulterschluss aufgerufen und dafür in Aussicht gestellt, sie von US-Zöllen auszunehmen. Dies stellt Europa - und insbesondere Deutschland - vor eine unangenehme Wahl. Schließlich sind sowohl die USA als auch China äußerst wichtige Märkte für die hiesigen Unternehmen. Man würde es deshalb sicherlich auf jeden Fall vorziehen, nicht in einen chinesisch-amerikanischen Konflikt verwickelt zu werden, was aber kaum möglich sein dürfte.

Focus

Berlin muss also konkret bis zum Mai - dann läuft der amerikanische Aufschub aus - in einem Akt der Schadensbegrenzung entscheiden, ob dem amerikanischen oder dem chinesischen Markt Priorität zukommen soll.

Angesichts der bereits seit Jahren schwelenden handelspolitischen Auseinandersetzungen zwischen Deutscheuropa und der Volksrepublik scheinen Berlins Präferenzen klar. Bereits 2011 hat die EU Handelshürden gegen chinesische Stahlerzeugnisse erreichtet, die mit sehr hohen Strafzöllen von 48,3 bis 71,9 Prozent belegt wurden - diese Strafzölle wurden 2016 verlängert.

Antichinesischer Protektionismus wird in Europa längst breit praktiziert. Allein Mitte 2017 führte die EU rund 100 "Anti-Dumping-Verfahren" gegen chinesische Hersteller. Die Zölle werden dabei gegen einzelne Konzerne verhängt, denen staatliche Unterstützung - etwa bei Solaranlagen - vorgeworfen wird. Dabei operiere Brüssel oftmals auf einer "sehr dünnen Grundlage", räumte der Focus im Fall des deutschen Süßstoffherstellers Celanese ein. Der weltweit einzige chinesische Konkurrent des deutschen Herstellers wurde 2015 mit einem saftigen Strafzoll von 126 Prozent in der EU belegt; als Grundlage der Zollhöhe diente dabei schlicht die Preisgestaltung des deutschen Unternehmens. Im Schnitt müssen die mit europäischen Strafzöllen belegten chinesischen Hersteller Abgaben von 45,6 Prozent der Warenpreise entrichten.

Hinzu kommt eine verbissene Konkurrenz zwischen Berlin und Peking in der östlichen Peripherie der EU, die Deutschland als seinen "Hinterhof" betrachtet - und wo chinesische Unternehmen zunehmend präsent sind. In chinesischen Medien wird Europa inzwischen offen dazu aufgerufen, die desaströse "Dominanz deutscher Politik" auf dem Kontinent zu brechen, die den Währungsraum zu sprengen droht. In Deutschlands Chefetagen werde China zunehmend nicht mehr als Partner, sondern als ein "Konkurrent" wahrgenommen, berichtete die Financial Times. Der Stimmungswechsel gegenüber China innerhalb der deutschen Funktionseliten sei "atemberaubend" schnell vonstattengegangen.

Zugleich gewinnt die deutsch-amerikanische Diskussion um eine Wiederbelebung der Freihandelsabkommens TTIP, dass Europa dauerhaft wirtschafts- und geopolitisch an die Vereinigten Staaten binden würde, wieder an Dynamik. Nach entsprechenden Vorstößen deutscher Unternehmerverbände sind sowohl bei Spiegel-Online, wo TTIP als "Gegengift" zum Protektionismus gehandelt wird, als auch in amerikanischen Medien entsprechende Artikel lanciert worden.

Petroyuan oder Petrodollar?

Entscheidend ist, welche Gegenmaßnahmen Peking ergreift, um Vergeltung zu üben für Trumps Strafzölle. Einerseits drohte die chinesische Regierung bereits damit, ihrerseits konkrete US-Waren mit Strafzöllen zu belegen. Doch angesichts der massiven Handelsüberschüsse sitzt Peking bei solch einem Handelskrieg, der sich nur auf das Instrument der Strafzölle beschränkt, eindeutig am kürzeren Hebel.

Peking scheint aber auch entschlossen, einen ganz anderen Machthebel nutzen zu wollen, der die USA tatsächlich unter Druck setzen dürfte. China hat am 26. März einen eigenen Terminhandel mit Rohöl eingeführt, der in Yuan abgewickelt wird. Innerhalb der ersten Handelstage sind keine nennenswerten Preisdifferenzen zwischen den chinesischen, auch für ausländische Anleger offenstehenden Terminkontrakten und den das Marktgeschehen bislang dominierenden Brent-Kontrakt verzeichnet worden.

Damit wird die Dominanz des US-Dollar als Weltleitwährung direkt angegriffen - zum zweiten Mal seit einem 1993 gescheiterten, ersten Anlauf. Die Stellung des US-Dollars als Weltleitwährung gründet vor allen darin, dass ein Großteil des globalen Warenverkehrs bei Energieträgern in der US-Währung abgewickelt werden muss.

Mit der Einführung eines eigenen Terminhandels ist somit Peking bereit, die USA an ihrer empfindlichsten Stelle zu treffen. Die Stellung des US-Dollars als Weltleitwährung bildet eine zentrale Stütze der größtenteils auf Pump laufenden US-Wirtschaft, da der Greenback es den Vereinigten Staaten ermöglicht, sich in ihrer eigenen Währung ohne Begrenzung zu verschulden. Sobald das Ausland diesen nicht mehr als Wertmaß aller Dinge akzeptiert, droht die amerikanische Defizitkonjunktur zusammenzubrechen, die ja gerade durch Trumps massive Steuersenkungen abermals befeuert wurde. Die USA würden an ihrem Schuldenberg zerbrechen - was selbstverständlich globale Schockwellen nicht nur ökonomischer Art nach sich ziehen würde. Washington würde zu einem gigantischen Griechenland - mit einer gigantischen Militärmaschine.

China wickelt seinen Ölhandel mit Ländern wie Russland und Iran bereits in den Landeswährungen ab. Doch angesichts der geringen Umsätze von gerade mal 18.000 Transaktionen auf der chinesischen Ölbörse ist kurzfristig der "Petrodollar" nicht in Gefahr. Dabei könnte es sich auch um einen politischen Warnschuss handeln. Mit der Einführung des - vorerst bescheidenen - Ölhandels in Yuan scheint Peking der Trump-Administration seinen ökonomischen Nuklearknopf zu präsentieren, um Washington zu einem Umlenken zu bewegen.