Eine fingierte russische Cyber-Attacke und die Folgen

Schon ein Verdacht in einem doch recht unbedeutenden Fall sorgt für harte diplomatische Schritte, was würde in der weitaus gravierenderen Situation eines vermeintlichen Cyber-Angriffs geschehen?

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Das folgende Szenarium ist fiktiv, bei der gegenwärtigen hysterischen Anti-Russland-Stimmung aber dennoch nicht unwahrscheinlich. Als Beispiel sei mit dem im Bau befindlichen LNG-Terminal in Litauen ein Zielobjekt angenommen, das nicht einmal einer fragwürdigen Motivkonstruktion wie im Fall der Vergiftung des Ex-Spions Sergei Skripal bedarf.

Der erste Tag in westlichen Medien

Eines der größten jemals von der EU finanzierten Bauprojekte, das LNG-Terminal in Litauen, wird durch eine Vireninfizierung für Monate, vielleicht für Jahre zurückgeworfen. Über den Verursacher besteht nach US-amerikanischen und britischen Cyber-Experten kein Zweifel: Es existieren Fingerprints, die auf Russland verweisen. Ebenso lässt sich die Frage nach dem Cui bono leicht beantworten: Der Kreml will durch eine Verzögerung der Inbetriebnahme des litauischen Terminals die Monopolstellung von Gazprom auf dem europäischen Markt perpetuieren.

LNG Terminal in Klaipeda. Bild: Klaipedos Nafta

Das immer aggressivere Verhalten der russischen Regierung wird im Westen mit Sorge quittiert. In einer ersten Reaktion erklären die EU-Staaten geschlossen ihre Solidarität mit der litauischen Regierung und halten eine angemessene Antwort für unverzichtbar. Die US-amerikanische Regierung arbeitet an einem Maßnahmenkatalog. Nach einem Tweet von Donald Trump werden auch militärische Aktionen nicht ausgeschlossen.

In einem Interview mit dem "Guardian" verweist der britische Außenminister Boris Johnson auf Parallelen zum Giftgas-Angriff auf den Ex-Spion Skripal und seine Tochter. Er stellt in Aussicht, die im Zuge der Untersuchung erlangten Beweise in naher Zukunft zu veröffentlichen.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel äußert ihre tiefe Empörung. Sie fordert die an Projektion und Bau von Nord Stream 2 beteiligten deutschen Unternehmen auf, die Zusammenarbeit mit der russischen Seite bis auf weiteres auszusetzen.