Nato-Osterweiterung: "Das ist eine brillante Idee! Ein Geniestreich!"

Jelzin und Clinton 1995. Bild: Kremlin.ru / CC-BY-4.0

Jetzt freigegebene Dokumente belegen US-amerikanische Versprechen an Boris Jelzin, dass Russland Teil einer europäischen Sicherheitsstruktur werden würde.

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Der damalige NATO-Generalsekretär Manfred Wörner hielt im Mai 1990 in Brüssel eine wichtige Rede: "Das Hauptziel des nächsten Jahrzehnts wird der Aufbau einer neuen Europäischen Sicherheitsstruktur sein, die die Sowjetunion und die Staaten des Warschauer Paktes umfassen. Die Sowjetunion wird bei der Konstruktion dieses Systems eine bedeutende Rolle spielen. Wenn sie die aktuelle Zwickmühle der Sowjetunion berücksichtigen, die praktisch keine Verbündeten mehr hat, dann können sie ihre begründeten Wunsch verstehen, nicht aus Europa hinausgedrängt zu werden."

Weiter betonte der NATO-Generalsekretär: "Der Westen kann auf die Erosion des Warschauer Paktes nicht mit der Schwächung oder gar der Auflösung der NATO antworten; die einzige Antwort ist die Erschaffung eines Sicherheitsrahmens, der beide Allianzen umfasst: in anderen Worten, ein Rahmen, der die Sowjetunion in ein kooperatives Europa einbezieht." Wenig später noch eine weitere bemerkenswerte Aussage: "Gerade die Tatsache, dass wir bereit sind NATO-Truppen nicht jenseits des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland zu stationieren, gibt der Sowjetunion verbindliche Sicherheitsgarantien".

Ein Jahr später beruhigte Wörner erste aufkommende Sorgen der Sowjetunion, indem er betonte, der NATO-Rat seien gegen eine Ausweitung der NATO. 13 der 16 NATO-Staaten würden diese Haltung unterstützen. Wörners eigene Haltung war eindeutig: "Wir sollten (…) die Isolation der UdSSR von der Europäischen Gemeinschaft nicht zulassen."

Eine alte Streitfrage im Lichte neu veröffentlichter Dokumente

Bekanntlich nahm die Geschichte einen anderen Verlauf, als sie damals der NATO-Generalsekretär anmahnte. In der Konsequenz des zunehmend schwierigen Verhältnisses zwischen dem Westen und Russland steht ein Thema: "Kaum eine Frage hat das Verhältnis zwischen Russland und dem Westen so stark belastet wie die Osterweiterung der NATO," konstatiert daher der Politikwissenschaftler Hannes Adomeit zu Recht.

Nachdem Ende des Jahres 2018 das National Security Archive der George Washington Universität (Washington D.C.) Dokumente der Verhandlungen der westlichen Regierungen mit der Sowjetunion über die deutsche Wiedervereinigung veröffentlicht hatte ("Keinen Inch weiter nach Osten": Was den Russen zur Wiedervereinigung über die Nato versprochen wurde),

folgten nun Dokumente aus der Zeit der Präsidentschaft von Boris Jelzin. Die Veröffentlichungen belegen, dass die USA Russland wiederholt versicherten, die zukünftige Sicherheitsstruktur in Europa würde auch Russland einschließen. Die Dokumente offenbaren prophetische Mahnungen Jelzins und zeigen, dass russische Kritik an einer NATO-Osterweiterung keine aktuellen Erscheinungen sind, sondern den gesamten Prozess seit Anbeginn der Verhandlung über die deutsche Wiedervereinigung begleitet haben.

Grünes Licht

Boris Jelzin, neuer Präsident Russlands, hatte selber im August 1993 zuerst Diskussionen über eine mögliche NATO-Erweiterung angefeuert, als er in Warschau öffentlich das freie Selbstbestimmungsrecht der Völker würdigte. Sofort hiernach wurde jedoch in Russland diese Position wieder überdacht.

Jelzin brachte dies selber in einem Brief am 15. September 1993 an den US-Präsidenten Bill Clinton deutlich zum Ausdruck. Jelzin schrieb von seinem Unwohlsein über die Diskussion einer möglichen NATO-Erweiterung und befürwortete sehr stark "ein pan-europäisches Sicherheitssystem" anstelle des alten militärischen Blocks des Westen.

Jelzins warnte im Hinblick auf eine NATO-Erweiterung: "Nicht nur die Opposition, sondern auch moderate Kreise (in Russland) würden ohne Zweifel dies als eine neue Isolation unseres Landes wahrnehmen, die im diametralen Gegensatz zu seiner natürlichen Aufnahme in einen Euro-atlantischen Raum steht." Jelzin argumentierte hierbei auch mit dem Vertrag der Deutschen Wiedervereinigung, der "die Option einer Ausweitung des NATO-Bereichs in den Osten ausschließen" würde.