Datenmissbrauch: Deutsche Post und CDU nach Facebook und Trump

CDU und FDP sollen für den Wahlkampf 2017 massenhaft persönliche Daten gekauft haben, soll aber alles nach Deutsche Post, CDU und FDP datenschutzkonform gewesen sein

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Bislang standen Facebook, die Trump-Kampagne und natürlich die unvermeidlichen Russen im Visier, wenn es um den Missbrauch von persönlichen Daten zu Wahlkampfzwecken ging. Daher darf man gespannt sein, was aus dem Bericht von Bild am Sonntag folgen wird, nach dem CDU und FDP im großen Stil seit mehr als einem Jahrzehnt persönliche Daten von der Deutschen Post gekauft haben sollen, um zielgenaue Wahlkampfwerbung machen zu können.

Gerade noch hat die neue Staatsministerin für Digitalisierung, Dorothee Bär, Bayerns einzige Frau in der Bundesregierung, die schon als Staatssekretärin nicht viel für die Digitalisierung zustande brachte, den US-Konzern Facebook aufgefordert, sein Geschäftsmodell zu ändern und "transparent zu zeigen, wer Zugriff auf die Daten der Nutzer hat". Nämliches müsste sie nun auch von dem biederen deutschen Unternehmen fordern, an dem die staatseigene KfW noch 21 Prozent hält. Facebook hat angeblich nur die Daten zu wenig geschützt, die Deutsche Post handelte aktiv und profitorientiert mit ihnen.

Und natürlich müsste auch gefragt werden, was die CDU unter Datenschutz versteht, wenn sie im Vorlauf zur Bundestagswahl einen fünfstelligen Betrag für straßengenaue Analysen gezahlt haben soll. Es soll um eine Milliarde Informationen gegangen sein. Zwar sollen die Daten anonymisiert sein, aus den vielen Daten sei die "Parteiaffinität" für einzelne Gebäude mit mindestens sechs Haushalten zu erschließen. In einer internen Broschüre der Deutschen Post stehe: "Für ca. 20,0 Mio. Häuser mit rund 34 Mio. Haushalten in Deutschland stehen mehr als 1 Milliarde Einzelinformationen zur Verfügung."

Dabei wird viel erfasst, keineswegs nur Adressen, sondern auch "Angaben zu Kaufkraft, Bankverhalten, Geschlecht, Alter, Bildung, Wohnsituation, Familienstruktur, Wohnumfeld und Pkw-Besitz." Schöne Profile eben, die pro forma "anonymisiert" worden sein könnten, um nicht direkt Datenschutzgesetze zu verletzen. Daher können auch CDU und FDP sagen, sie hätten sich gesetzeskonform verhalten, wenn sie die Daten kaufen - anstatt sich bei den Bürgern zu entschuldigen.

Schließlich wirbt die Deutsche Post damit, mit 150 Merkmalen "personenscharf", aber "datenschutzkonform" Werbung zu ermöglichen. Auf der Website wird für das Geschäftsmodell, das sich wohl CDU und FDP zunutze gemacht haben, so geworben:

Sie möchten mit Mailings neue Kunden im hart umkämpften Consumer-Markt gewinnen? Deutsche Post Direkt bietet Ihnen die Qualitätsadressen, die Sie für Ihre erfolgreiche Kundengewinnung benötigen. Rund 46 Millionen Adressen decken nahezu den gesamten Markt an Privathaushalten ab. Zur Adresspflege wird u.a. die Anschriftenprüfung der Deutschen Post genutzt, wodurch die Adressen fortlaufend auf den neuesten Stand gebracht werden.

Die Basis für wirkungsvolles Dialogmarketing ist eine zielgruppengenaue Ansprache. Dazu können Sie aus einem umfangreichen Set an statistischen oder personenbezogenen Selektionsmerkmalen wählen.

Mehr als 150 Einzelmerkmale aus dem mikrogeografischen System microdialog ermöglichen eine zielgruppengenaue Adressselektion: Statistische Daten zu Soziodemografie, zu Konsumvorlieben, zur Wohnstruktur und zur Region charakterisieren treffsicher Ihre gewünschten potenziellen Kunden.

Mithilfe von Echt-Merkmalen, die personenscharf abgegrenzt sind, lassen sich Zielgruppen noch präziser selektieren und Streuverluste minimieren. Wählen Sie aus zehn Merkmalsgruppen wie Familienleben, Technik und Spenden Ihre passende Zielgruppe aus. Eine datenschutzkonforme Nutzung wird auf Basis von Pseudonymisierungs- und Anonymisierungstechnologien ermöglicht.

Deutsche Post

Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, stellt dies so dar und versucht sich damit, in bekannter Manier von Winkeladvokaten freizusprechen:

Einige Medien berichten, die FDP habe "personenbezogene Daten" für den Bundestagswahlkampf 2017 erworben. Das ist natürlich Unsinn. Die Daten der Deutschen Post, die wir für "FDPMaps" erworben haben, waren vollständig anonymisiert und im Einklang mit deutschen Datenschutzrecht bearbeitet. Damit sind sie gerade keine "personenbezogenen Daten" im Sinne des deutschen Datenschutzrechtes. Darauf haben wir als Datenschutzpartei natürlich geachtet. Die Datensätze lieferten ausschließlich einen Wahrscheinlichkeitswert, wo wir einen möglichen FDP-affinen Wähler antreffen.

Marco Buschmann

Das nimmt jedoch keinen Bezug darauf, dass nach "Bild am Sonntag" jeder, der nicht obdachlos ist, sondern eine Adresse hat, in der Datenbank der Deutschen Post eingefüttert wird. Um die Weitergabe der Daten zu unterbinden, müsse ein schriftlicher Widerspruch eingereicht werden. Dazu müssten die Bürger aber erst einmal informiert und auf das Opt-Out hingewiesen werden. Das haben wir nicht gefunden, dafür aber Werbung für einen "Microdialog", der wiederum eine "Lokalisierung von Zielgruppen bis auf Gebäudeebene" bietet, also eben kurz vor "personenbezogenen Daten" endet:

Mit microdialog erfahren Sie, welches Profil Ihre Kunden haben und wo es neue Potenziale gibt. Als eines der vollständigsten mikrogeografischen Systeme ist microdialog von Deutsche Post Direkt der Erfolgsfaktor bei der Anreicherung und Selektion. Ihre Zielgruppen werden präzise charakterisiert - mit soziodemografischen, Konsum-, Struktur- und regionalen Daten sowie Branchen- und Lebenswelt-Informationen. So erreicht Ihre Direktwerbung die richtigen Empfänger.

Deutsche Post

Danach kann man die Ausreden nicht ernst nehmen, wenn die Informationen der Bild am Sonntag zutreffen. Schon gar nicht von der angeblichen "Datenschutzpartei".