Vom Kalten zum Heißen Handelskrieg?

Berlin scheint Partei zu ergreifen im eskalierenden Handelskonflikt zwischen Peking und Washington

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Nun geht es Schlag auf Schlag. Nachdem Peking - in Reaktion auf Trumps Strafzölle auf Aluminium und Stahlprodukte - Anfang April bekannt gab, Handelshürden für 128 amerikanische Produkt zu errichten, drehte am vergangenen Dienstag wiederum Washington an der Eskalationsschraube.

Die von der US-Administration veröffentlichte Liste von Waren, die mit Strafzöllen belegt werden sollen, umfasst 1300 unterschiedliche Produkte. Der Gesamtwert dieser chinesischen Importe soll sich laut dem Büro des US-Handelsbeauftragten Robert Lighthizer auf rund 50 Milliarden US-Dollar summieren.

Damit verlassen die Vereinigten Staaten das Terrain symbolischer Aktionen in den handelspolitischen Auseinandersetzungen der vergangenen Monate und gehen - die Appelle Pekings zur Mäßigung ignorierend - in die Offensive. Die Trump-Administration scheint entschlossen, den chinesischen Handelsüberschuss, der zuletzt 375 Milliarden US-Dollar betrug, schnell und deutlich zu reduzieren.

Betroffen von den Zollhürden Washingtons, die bis zu 25 Prozent der Importpreise erreichen sollen, sind vor allem komplexe Hightech-Waren, die in Produktionsketten mit einer hohen Wertschöpfung hergestellt werden: Elektroprodukte, Maschinen, Flugzeugteile und Medizinprodukte. Nach einem kurzen Prüfprozess sollen die Zölle schon binnen eines Monats verhängt werden.

China warnte abermals vor den drohenden ökonomischen Folgen eines Handelskrieges für die gesamte Weltwirtschaft - und kündigte entsprechende Vergeltungsmaßnahmen gegenüber Washington "in gleicher Höhe und gleichem Ausmaß" an. Man sei "zuversichtlich und in der Lage, auf jeden Handelsprotektionismus der USA zu antworten", hieß es aus Peking.

Dies war keine leere Drohung. Nur wenige Stunden nach der Ankündigung der US-Zölle veröffentliche Peking eine Liste mit weiteren 106 Produkten, die amerikanische Importe im Wert von 50 Milliarden US-Dollar treffen sollen. Hierunter zählen Sojabohnen, Chemikalien und Autos. Die New York Times konstatierte, dass die chinesischen Strafzölle vor allem die landwirtschaftlich geprägten Regionen in dem Mittleren Westen der USA treffen sollen. Hier sei eine wichtige Unterstützerbasis des rechtspopulistischen US-Präsidenten zu finden, die zugleich die Supermärkte Chinas beliefere.

Indes scheinen die bereits von Peking ergriffenen Vergeltungsmaßnahmen eher darauf hinzudeuten, dass bei einem Handelskrieg tatsächlich die Volkswirtschaft am längeren Hebel sitzt, die im bilateralen Handel das Defizit verzeichnet - je größer das Defizit, desto länger der Hebel. Während Washington chinesische Industrieprodukte und Hightech-Waren mit Strafzöllen belegt, kontert Peking mit Handelshürden auf landwirtschaftliche Produkte wie Schweinefleisch, Früchte, Wein oder einfache Industrieerzeugnisse wie Röhren.

Es werden kaum wichtige US-Waren im nennenswerten Umfang in die Volksrepublik importiert, die Peking innerhalb einer handelspolitischen Eskalation mit Zöllen belegen könnte - umgekehrt ist dies hingegen durchaus der Fall. Gerade diese chinesische Strafzollliste lässt den industriellen Niedergang der pauperisierten Vereinigten Staaten krass zutage treten, die jenseits der IT-Branche und des Rüstungssektors kaum noch über international wettbewerbsfähige Industriezweige verfügen.

Amerika wache auf, um den "Verlust des technologischen Vorteils" gegenüber China wahrzunehmen, erklärte eine demokratische Senatorin gegenüber der New York Times. Dies wird in Washington allgemein auf die "Restriktionen beim Zugang zum chinesischen Binnenmarkt" zurückgeführt. Informelle chinesische Handelshemmnisse lösten den "Politikwechsel" der USA aus, so die Senatorin.

Das Narrativ, dass sich in Washington festsetzt, scheint somit chinesischen Protektionismus als Ursache der Deindustrialisierung in den Vereinigten Staaten (und der entsprechenden Handelsungleichgewichte) zu benennen. Ein öffentlicher Diskurs, der die tieferen, systemischen Ursachen von Deindustrialisierung, Verschuldung, Finanzmarktkrisen und Handelsungleichgewichten thematisieren würde, scheint in den USA Trumps nun vollends unmöglich - selbst linksliberale demokratische Politikerinnen wie Elizabeth Warren schließen sich der Trumpschen Sündenbocklogik an.

Deutschland scheint sich in eine antichinesische Allianz mit den USA einzureihen

Inzwischen scheint sich auch die Bundesrepublik - unter Druck gesetzt durch Trumps Strafzolldrohungen - in dem anstehenden Handelskrieg zu positionieren. Berlin kann bei den Auseinandersetzungen eigentlich nur verlieren, da die exportorientierte deutsche Wirtschaft sowohl in die USA als auch nach China hohe Warenausfuhren verzeichnet. Nachdem Trump, der langjährigen deutschen Beggar-thy-Neighbor-Politik überdrüssig, Berlin mittels Zolldrohungen zur Positionierung nötigte, muss die Bundesregierung de facto entscheiden, in welchem Wirtschaftsraum die deutsche Exportindustrie die höheren Umsatzverluste hinnehmen wird.

Die Wahl scheint schon gefallen zu sein. Gegenüber dem Spiegel deutete der Merkel-Intimus und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier an, dass die Bundesrepublik einer antichinesischen Allianz mit Washington nicht abgeneigt wäre: "Wir suchen nach einer einheitlichen Linie im Kampf gegen Dumpingpreise und den Diebstahl geistigen Eigentums. Und wir wollen Lösungen finden, die mit internationalen Handelsregeln vereinbar sind."

Berlin schwebt eine temporäre, gegen China gerichtet Kooperation vor. Er sei zuversichtlich, dass die EU "bis zum Sommer" mit den USA einen "vernünftigen Kompromiss" fände, so Altmaier. Der Merkel-Vertraute behauptete, dass beispielsweise die Überkapazitäten auf dem globalen Stahlmarkt ihre Ursache in China hätten. Eine derzeit im Gespräch befindliche Neuauflage des Freihandelsabkommens TTIP, das die Bundesrepublik dauerhaft geopolitisch an die Vereinigten Staaten bände, hielt Altmaier hingegen für "unrealistisch". Entgegenkommen signalisierte Altmaier allerdings bei der Erhöhung der deutschen Rüstungsausgaben, die von Trump beständig gefordert wird.

Die hohen Exportüberschüsse der Bundesrepublik, von deutschen "Ökonomen" immer wieder als Zeichen wirtschaftlicher Stärke gepriesen, stellen somit eigentlich die geopolitische Achillesverse des wieder nach Weltmachtgeltung strebenden Deutschlands dar - die USA können ihr Handelsdefizit von gut 64 Milliarden Dollar gegenüber der Bundesrepublik als Druckmittel einsetzen. Trump gewährte Berlin einen Aufschub bis zum 1. Mai, um die drohenden Strafzölle durch eine entsprechende Einbindung in die handelspolitische US-Front gegen China abzuwenden.