Nun sollen die Katalanen auch schon "Terroristen" sein

Mariano Rajoy als Karikatur-Figur

(Bild: Rafa Esteve / CC BY-SA 4.0)

Spaniens Repressionspolitik wird immer absurder

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Zu den spanischen Strafrechtsreformen und der Einführung von Knebelgesetzen hatte Telepolis schon 2015 getitelt: "Meinungsfreiheit futsch und alles kann in Spanien nun Terrorismus sein." Wie richtig diese Einschätzung war, hat sich in den letzten Monaten deutlich gezeigt, da sogar Twitterer und Rapper schon zu höheren Haftstrafen verurteilt wurden.

Nun hagelt es gegen friedliche Demonstranten die ersten Terrorismus-Vorwürfe: So wurden heute von der paramilitärischen Guardia Civil Katalanen nicht nur wegen des - grotesken - Rebellionsvorwurfes, sondern - nicht weniger grotesk - wegen Terrorismus festgenommen.

Die Abschreckung soll hochgefahren werden

Insgesamt wurden mindestens sieben Personen festgenommen. Von zwei Person wurde bekannt, dass ihnen "Terrorismus" und "Rebellion" vorgeworfen wird. Um das zu unterstreichen, zogen die Paramilitärs schwer bewaffnet, maskiert und mit etlichen Einsatzkräften auf. Den Festgenommenen wird vorgeworfen, über das Osterwochenende nicht nur Straßen blockiert zu haben, sondern auch dass Zahlstellen von Autobahnen geöffnet wurden, damit die Autofahrer umsonst die Autobahn benutzen konnten. Das scheint, weil es an den Geldbeutel des Staates geht, dann "Terror" zu sein.

Sechs Personen wurden von den Mossos d`Esquadra festgenommen, wobei es konkret darum geht, dass sie am 30. Januar die Umzäunung zum Parlament durchbrochen haben, als Spanien die erneute Amtseinführung von Carles Puigdemont mit vielen Tricks verhindert hatte. Sie sind inzwischen wieder alle auf freiem Fuß. Als Reaktion auf die Festnahmen gab es sofort eine neue Straßenblockade auf einer Hauptverkehrsader in Barcelona.

Dass die spanischen Behörden nun neben der grotesken Rebellionsanschuldigung sogar zu Terrorismus-Anklagen greifen, war zu erwarten. Die Abschreckung soll hochgefahren werden und es würde einen wundern, wenn die beiden Personen nicht von der Hardlinerin Carmen Lamela nun in Untersuchungshaft gesteckt werden würden. Unter angeblichen Terrorismus hält die Richterin am Sondergericht "Audiencia Nacional" schon baskische Jugendliche in Haft.

Wegen einer Kneipenschlägerei mit zwei im baskischen Alsasua stationierten Paramilitärs sollen sie wegen angeblichem Terrorismus bis zu 62 Jahre ins Gefängnis. Der Prozess beginnt nun in der kommenden Woche und sogar das Regionalparlament in Navarra ruft auf, sich am Samstag an einer Demonstration in Iruña (Pamplona) zu beteiligen, um "Gerechtigkeit" zu fordern.

Blamagen im Ausland

Spanien fällt offenbar nichts anderes ein, als die Repressionsschraube immer stärker anzuziehen. Damit soll an der "Heimatfront" für schönes Wetter angesichts der Schlappen gemacht werden, die Spanien auf internationaler Ebene einstecken muss.

Puigdemont und alle seine Mitstreiter in Belgien, Schottland und der Schweiz sind frei. Von Gewalt keine Spur, weshalb es auch keine Auslieferung wegen Rebellion geben kann. In Spanien sind die Ultrarechten und Faschisten sauer, die sogar schon zu Bombenanschlägen aufrufen, Deutsche auf Mallorca als "Geiseln" betrachten und massiv gegen Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) zu Felde ziehen.

Diese hat sehr zaghaft dementiert, dass sie schlicht einige vernünftige Sachen gesagt hat, worüber sich Spanien empört. Dabei wird es immer deutlicher, dass es "politische Komponenten" in Katalonien gibt, über die verhandelt werden muss. Das treibt rechtsradikale Spanier zu Hassschüben.

Verstärkt wird das noch dadurch, dass immer zweifelhafter wird, ob das Oberlandesgericht in Schleswig Puigdemont auch nur wegen angeblicher "Untreue" ausliefern wird. Denn dieser Vorwurf ist fast genauso grotesk wie die angebliche Rebellion, womit ein Putsch beschrieben wird.

Dass es am Freitag um 10 Uhr einen neuen Versuch gibt, einen Präsidenten ins Amt zu wählen und eine Regierung zu bilden, nervt die Regierung unter Mariano Rajoy, die zudem gerade wieder massive Skandale am Bein hat, natürlich besonders stark. Denn erneut soll der Untersuchungsgefangen Jordi Sànchez gewählt werden, dessen Amtseinführung von Richter Pablo Llarena Anfang März verhindert wurde.

Dass der ihn nicht ins Parlament gelassen hat, bezeichnen zahlreiche Juristen und Verfassungsrechtler als Rechtsbeugung, mit der sich der Richter am Obersten Gerichtshof strafbar gemacht habe.

Dilemma

Spanien und ihr Richter stehen nun vor dem Dilemma, dass sogar die UN-Menschenrechtskommission von Spanien fordert, die Rechte von Sànchez als Kandidat zu garantieren und ihn ins Parlament zu lassen.

Spanien würde sich vor der internationalen Öffentlichkeit noch stärker ins Unrecht setzen, wenn man sich den "vorläufigen" Maßnahmen widersetzt und noch deutlicher macht, dass man die Umsetzung eines demokratisches Wahlergebnisses zu verhindern versucht, wobei der Mantel längst abgerutscht ist, mit der das undemokratische Vorgehen juristisch bemäntelt werden soll.

Der Lernprozess der CUP

Die linksradikale CUP scheint gelernt zu haben. Sie hatte die Amtseinführung des politischen Gefangenen und früheren Regierungssprechers Jordi Turull im ersten Wahlgang verhindert und damit dem Richter Llarena die Chance geboten, die Wahl im zweiten Wahlgang mit einfacher Mehrheit durch Inhaftierung ebenfalls zu verhindern, um erneut Rechtsbeugung zu begehen.

Die CUP hält nicht mehr zwanghaft an der Investitur von Puigdemont fest, zumal Puigemont auch Sànchez unterstützt. Zudem ist er nur eine Übergangslösung, der den Platz freimachen kann, sobald Puigdemont gewählt werden kann. Und die Zeit drängt, da bis zum 21. Mai ein Präsident gewählt sein muss, sonst kommt es zu Neuwahlen.

Der CUP–Sprecher Carles Riera erklärte, die Antikapitalisten könnten die Amtseinführung von Sànchez oder eines anderen Kandidaten im ersten Wahlgang ermöglichen, wenn es ein Programm "zum Bruch mit Spanien" gäbe und eine "Republikanische Verfassung" ausgearbeitet werde, lenkt die Partei ein. Ihr Verhalten zu Turull hatte zu einem Entrüstungssturm an ihrer Basis und unter ihren Wählern geführt.