"Katalonien ist eine europäische Angelegenheit"

Die Generalversammlung wird begleitet von einer Ausstellung historischer Wahlplakate der Mitgliedsparteien. Alle Fotos: Claus Jahnel

Generalversammlung der Separatisten- und Autonomistenfraktion im Europaparlament

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Das niederbayerische Städtchen Landshut hat seit 2016 keinen CSU-Bürgermeister mehr. Der aktuelle Bürgermeister Alexander Putz ist von der FDP und kommt aus dem österreichischen Klosterneuburg. Dass das kein Hindernis für seine Wahl war, zeigt, dass Regionen in Europa- auch wenn sie verschiedenen Staaten angehören - oft mehr gemeinsam haben als Regionen innerhalb von Staaten. Insofern passt es ganz gut, dass Putz und seine Stadt heute und morgen Gastgeber der Generalversammlung der Europäischen Freien Allianz (EFA) sind, der Fraktion der Separatisten und Autonomisten im Europaparlament.

Bei der Begrüßung der Gäste der Veranstaltung verwies Putz dem entsprechend auch auf die lange und sehr europäische Geschichte seiner Stadt. Europa ist - so paradox es auf den ersten Blick erscheinen mag - auch der zentrale Punkt der anderen Separatisten- und Autonomistenparteien, die sich als Vertreter von Regionen, Kulturen und Volksgruppen verstehen, welche - so Florian Weber von der einladenden Bayernpartei - "derzeit in Europa nicht den Platz haben, den sie verdienen": Seien es Korsen, Bayern, Elsässer, Waliser, Basken, Südtiroler oder Angehörige der anderen aktuell 47 Gruppen, die die Parteien in der EFA vertreten.

Trend in Europa

Ein zentrales Thema auf der Veranstaltung ist eines, das derzeit auch viele Medien beschäftigt: Katalonien, das Webers Worten nach zeigt, dass Selbstbestimmung möglich ist, auch wenn die Hindernisse größer werden. Die Region - beziehungsweise das Land - ist ihm zufolge auch die aktuell sichtbarste Ausprägung eines Trends in Europa. Eines Trends hin zu mehr Regionalismus, hin zu mehr Selbstbestimmung.

Die deutsche Bundesrepublik entwickelt sich seinem Eindruck nach dagegen immer mehr zum Zentralstaat, weshalb er empfiehlt, seine Partei zu wählen, um das demokratische Grundrecht der Subsidiarität zu erhalten und zu stärken. Die Chancen für einen Wiedereinzug der Bayernpartei in den Bayerischen Landtag sind ihm zufolge "so gut wie seit Jahrzehnten nicht mehr", weil es "unter der Oberfläche rasante Veränderungen" gebe - sowohl zum Positiven als auch zum Negativen. Carles Puigdemot etwa hätte sich seiner Ansicht nach vor zwei Jahren nicht vorstellen können, dass er 2018 eingesperrt wird.

Staaten hacken einander kein Auge aus

Würde Weber - was den Umfragen nach unwahrscheinlich ist - bayerischer Ministerpräsident, dann dürfte er der Argumentation des Oberlandesgerichts Schleswig-Holstein nach ein Unabhängigkeitsreferendum veranstalten, ohne sich strafbar zu machen. In Spanien ist das anders: Dort, so Josep Maria Terricabras von der katalanischen ERC, verschwand 1975 zwar der Diktator Francisco Franco - aber seine Erben machen weiterhin Politik.

Separatisten, Autonomisten, Regionalisten (18 Bilder)

Alle Fotos: Claus Jahnel

Wenn sie könnten, so der Europaabgeordnete in Landshut, dann würden sie heute sogar wieder die katalanische Hauptstadt Barcelona bombardieren. Das, so Terricabras, können sie aber nicht, weil Spanien heute in der EU ist. Diese EU ist seinem Eindruck nach zwar ein Schutz vor Bombardements, aber trotzdem ein "Club von Staaten". Und die, so der Katalane, unter Rückgriff auf ein katalanisches Sprichtwort mit Katzen (das es im Deutschen mit Krähen gibt), kratzen sich gegenseitig kein Auge aus.

So erklärt er sich die relative Untätigkeit der EU und ihrer Mitgliedsländer gegenüber dem Vorgehen Madrids in der Katalonienkrise. Ein anderes Sprichwort, das der Katalane zitiert, bezieht sich in der katalanischen Version auf Chinesen und in der deutschen auf Spanien: Dort kommt jemandem "etwas spanisch vor", weil man in Deutschland über Spanien früher nicht so gut informiert war.

Solidarität wegen Demokratie und Meinungsfreiheit

Das ist seinem Eindruck nach heute anders - und auch deshalb sei Katalonien kein spanisches, sondern ein europäisches Problem. Der Aufruf zum Dialog, den bislang 40 Europaabgeordnete aus verschiedenen Ländern und Fraktionen unterzeichneten, soll seinen Worten nach aber nicht die Unabhängigkeit Kataloniens verteidigen (das könne nämlich nur das katalanische Volk selbst), sondern die Demokratie und die Meinungsfreiheit.

In die deutschen Richter hat der in Münster studierte Katalane sehr viel mehr Vertrauen als in die spanischen, die seinem Eindruck nach die spanische Verfassung und das spanische Strafrecht zu phantasievoll auslegen. Über eine Gewaltdefinition, die fordert, man hätte die "Gewalt des Staates verhindern müssen", weil man sonst als gewalttätig gilt, hätte sich seiner Ansicht nach "sogar Stalin totgelacht".