Nordsyrien: Kurden wollen, dass Frankreich Dschihadisten zurücknimmt

Angeblich französischer Dschihadist aus einem IS-Propaganda-Clip

"Sie kosten uns zu viel" - Nach einem Medienbericht drohen vom Westen enttäuschte Mitglieder der kurdischen Verwaltung damit, dass die Dschihadisten wieder freikommen

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Als Anfang Januar die Frage aufkam, ob die französische Regierung ihre Staatsbürgerinnen wieder zurückhaben wollte, die im IS in Syrien oder im Irak gelebt haben und mit dem Zusammenbruch des Kalifats in Gefangenschaft gerieten, wurde vom Regierungssprecher in Paris mitgeteilt, dass man die IS-Anhängerinnen lieber nicht im Land haben wollte (Frankreich: Dschihadistinnen sollen bleiben, wo sie sind).

Für die Männer, die als Dschihadisten für den IS gekämpft hatten, galt die gleiche Haltung - mit besonderem Nachdruck. Es war kein Geheimnis, dass es der französischen Regierung am liebsten war, wenn sie im Irak oder in Syrien getötet wurden. Dort stationierte französische Einheiten kümmerten sich mit Hausbesuchen und darauf aufbauenden Einsätzen darum. Auch Koalitionsmitglieder und andere Verbündete wussten über diesen Wunsch Bescheid (Gezielte Tötungen von französischen Dschihadisten in Rakka).

Eine Haltung mit Haken

Nichtsdestotrotz kam es bei den Kämpfen gegen den IS zu Gefangennahmen. SDF-Einheiten sollen geschätzt 700 IS-Dschihadisten festgenommen haben, darunter etwa hundert französische Staatsbürger laut aktuellen Berichten. Anfang Januar 2018 wurden noch 38 Dschihadisten gezählt.

In den Mediendiskussionen ging es zunächst hauptsächlich um die Frauen und um deren Kinder, nicht so sehr um die männlichen Kämpfer. Eine problematische Frage war, wie mit den Kindern verfahren werden würde. Prinzipiell war die französische Regierung der Auffassung, dass die Kinder nach Frankreich zurückkommen sollten - nicht aber die Mütter.

Die französische Justizministerin Nicole Belloubet, früher Richterin im Verfassungsrat, sagte damals, man werde von Fall zu Fall entscheiden, und die Angelegenheit der Gefangenen der Justiz der Länder überlassen, wo die französischen IS-Anhänger inhaftiert sind. Einschalten würde man sich nur im Fall eines Todesurteils.

Anfang Februar statuierte dann Außenminister Le Drian: "Sie (die Dschihadisten, Erg. d. Verf.) werden vor lokale Gerichte gestellt und bekommen dort ihr Urteil, sie werden nicht in Frankreich repatriiert."

Die Haltung hatte einen großen Haken: Die Kurden, die die Dschihadisten inhaftiert hatten, hatten keinen eigenen Staat mit einer international anerkannten Rechtsprechung. Rechtlich gesehen wäre der syrische Staat dafür zuständig. Aber mit der syrischen Regierung hat Paris sämtliche offizielle Kontakte gekappt. Macron denkt laut über einen militärischen Angriff nach.

"Was ist, wenn wir sie frei lassen?"

Die Haltung der französische Regierung, die Dschihadisten einfach in der Ferne zu lassen, fand viel Verständnis und wenig Kritik. Immerhin hatte das Land viele IS-Terroranschläge erlebt, so dass nachvollziehbar war, dass man sich keine IS-Dschihadisten zurückholen wollte. Abweichende Stimmen, wie etwa von Wassim Nasr, einem Journalisten, der davor warnte, dass sich der Staat damit unliebsamen Situationen ausliefern könnte, waren die Ausnahmen.

Keiner mochte so recht nachvollziehen, dass sich Frankreich damit erpressbar machen könnte. In den letzten Wochen zeigte sich aber durch den türkischen Angriff auf Afrin, wie schnell sich Situationen in Syrien ändern können und dass dies dann auch Folgen haben kann, an man zuvor nicht gedacht hatte. Ob die französische Regierung darauf vorbereitet war?

Eine Frau namens Mizkeen Ahmad, die als einflussreiche Beraterin der kurdischen Administration in Nordsyrien vorgestellt wird, lieferte dem französischen Sender Europe 1 eine Aussage ins Mikrophon, die man durchaus im Genre der Erpressung ansiedeln könnte:

Wir können alle Mitglieder von Daech freilassen. Wir lassen sie jenseits unserer Grenzen laufen … in welche Länder sie dann gehen und wo sie dann Anschläge ausführen werden? Fürs uns ist das nicht so wichtig, wir müssen die Entscheidung treffen.

Mizkeen Ahmad

Laut dem Bericht von Europe 1 zeigt sich darin die Verärgerung über die ausgebliebene Unterstützung der Europäer. Afrin wurde von der türkischen Militäroperation "Olivenzweig" eingenommen mithilfe von islamistischen Milizen und mit brutalen Methoden, die europäischen Länder, wichtige Nato-Mitglieder wie Frankreich oder Deutschland, hatten der türkischen Militärkampagne nichts entgegenzusetzen.

Nun machen die Kurden darauf aufmerksam, dass ihnen die Ressourcen fehlen, um weiter so viele gefangene Dschihadisten zu betreuen. "Die Gefangenen kosten uns viel", zitiert der französische Sender "einen leitenden Mann der kurdischen Justiz im Norden Syriens", namens Abdulbasset Ausso.

Das kann nicht ewig so gehen. Wir haben nicht genug Platz und sie kosten uns viel! Die Nahrung, der Unterhalt … man muss sich um sie kümmern. Und wenn man sie vor Gericht stellt und ein Urteil spricht und sie für ein Jahr Haft verurteilt, was passiert nach einem Jahr, lässt man sie frei oder nicht? Das sind eure Staatsbürger, sie haben französische Pässe. (…) Russland hat fast alle Gefangene, die russische Staatsbürger sind, zurückgenommen, auch die, die Kämpfer waren.

Abdulbasset Ausso

Bislang, so Europe 1, seien die Äußerungen nur eine Drohung.