Pentagon: Die Angriffe waren "präzis, überwältigend und effektiv"

Bild: US Navy

Fog of War: Während die USA erklären, fast keine der Raketen sei von der syrischen Luftabwehr abgeschossen worden, sagt Russland, dass 71 Raketen abgeschossen worden seien

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Der zweite Raketenangriff während der Präsidentschaft von Donald Trump nach einem vermuteten oder eher behaupteten Einsatz von Chemiewaffen seitens des Assad-Regimes stand höchstwahrscheinlich spätestens seit Trumps erstem Tweet am 11. April, wahrscheinlich schon nach seinem Telefonanruf mit dem französischen Präsidenten Macron am 9. April fest. Ob sich der Chemiewaffenangriff überhaupt bestätigen lässt - sollte es "nur" Chlorgas gewesen sein, dann stünde das nicht einmal auf der CWC-Liste der Chemiewaffen, weswegen immer mal wieder Sarin erwähnt wurde -, spielte vermutlich keine Rolle. Das hatte auch Merkel flapsig deutlich gemacht. Man wollte schnell die Aufmerksamkeit der bereits durch den Skripal-Fall vorbereiteten Öffentlichkeit für die nächste Machtdemonstration ausnutzen, die gleichzeitig das transatlantische Bündnis unter US-Führung wieder zusammenschweißt.

Die Begründung für den ganz offen völkerrechtswidrigen Angriff sollte sein, dem "Assad-Regime" noch einmal klar zu machen, wer das Sagen hat und es davor zu warnen, noch einmal die rote Linie zu überschreiten. Gleichzeitig wurde damit Russland als Schutz- und Großmacht gedemütigt, da der offensive und aggressive Westen wieder einmal vorführte, dass Moskau zwar droht, aber vor einem Waffengang mit der Nato zurückschreckt, zumal wegen geopolitischer Interessen, die einen größeren Krieg aus Sicht Moskaus nicht wirklich wert sind (Warum hat Russland die Tomahawks nicht mit dem in Syrien stationierten S-400 Luftabwehrsystem angegriffen?).

Allerdings wurde auch zwischen Russland und dem westlichen Angreifertrio ein Deal ausgemacht, nämlich dass es sich um einen einmaligen Angriff handelt und russische Stützpunkte und Soldaten nicht bedroht sind, sondern ausgespart bleiben. Es wurde denn auch nach dem Raketenbombardement einiger Ziele in Syrien, die angeblich mit einem weiter bestehenden Chemiewaffenprogramm zusammenhängen, von russischer Seite deutlich hervorgehoben, dass der Sicherheitsraum um die russischen Stützpunkte nicht verletzt wurde, um das Gesicht zu wahren.

Obgleich Moskau angedroht hatte, dieses Mal die Raketen mit seiner Luftabwehr abzuschießen, hielt man sich doch wieder zurück und unterstützte wahrscheinlich die syrische Luftabwehr, die allerdings nur über ältere Systeme verfügt. Es dürfte die russische Unterstützung sein, aufgrund deren dieses Mal die Luftabwehr nicht nur eingriff, sondern auch relativ erfolgreich gewesen sein könnte. Schon beim Abschuss des israelischen Kampfjets war deutlich geworden, dass die Abwehr deutliche Fortschritte gemacht hat.

Das russische Verteidigungsministerium verwies natürlich darauf, dass es sich um russische Luftabwehrsysteme handelt, die von Soldaten bedient wurden, die Russland ausgebildet habe. Dass es sich um ältere Systeme wie S-200 handelt, verdanke sich dem Umstand, dass Russland vor einigen Jahren dem Drängen des Westens nachgegeben und Syrien keine S-300-Systeme geliefert habe. Das war im Übrigen auch so im Fall des Iran, das mittlerweile aber S-300-Systeme erhalten hat, die seit 2017 einsatzbereit seien. Vermutlich wird sich Moskau in Zukunft genau überlegen, solchen Bitten noch einmal ohne wirkliche Gewährleistung nachzukommen.

Wie schon vor einem Jahr gibt es auch dieses Mal wieder einen Streit um die Wirksamkeit der Angriffe. Militärisch und politisch wurde mit ihnen nichts erreicht. Die Frage ist nun auch, ob die Waffentechnik des Trios wirksam gewesen ist. Beim letzten Mal wurde zwar der anvisierte Militärflughafen von einigen der 59 Tomahawk-Raketen getroffen, aber nicht schwerwiegend beschädigt. Damals wurde nicht davon gesprochen, dass Raketen abgeschossen wurden, Syrien und Russland erklärten, es hätten viele Raketen nicht ihr Ziel erreicht oder dieses verfehlt, auch wenn das Pentagon den Angriff als erfolgreich feierte (Ein wenig präziser US-Präzisionsschlag gegen syrischen Stützpunkt?) .

Auch jetzt heißt es wieder seitens des Pentagon, dass der Angriff erfolgreich gewesen sei. Und Donald Trump meldet:

A perfectly executed strike last night. Thank you to France and the United Kingdom for their wisdom and the power of their fine Military. Could not have had a better result. Mission Accomplished!

Pentagon-Sprecherin Dana White sagte auf einer Pressekonferenz gestern, der Angriff sei "sorgfältig orchestriert und methodisch geplant gewesen, um möglichen Kollateralschaden zu minimieren". Man habe "erfolgreich jedes Ziel getroffen". Generalleutnant Kenneth McKenzie erklärte, man habe die Angriffe ausführen könne, ohne dass die syrische Raketenabwehr eine Rakete abschießen konnte (without material interference from Syria). Man habe auch drei Gebäude in Damaskus bombardieren können: in einem "der am besten verteidigten Lufträume der Welt". Die Angriffe seien "effektiv" gewesen.

Im weiteren Verlauf stellte der Generalleutnant die eingesetzten Waffensysteme vor, die angeblich so erfolgreich waren. So seien in Damaskus 57 Tomahawk- und 19 JASS-Raketen eingesetzt worden. Auf Ziele in Homs seien 22 amerikanische, britische und französische Raketen abgefeuert worden, 9 Tomahawk der USA, 8 britische Storm Shadow-Raketen und 5 französische, darunter 3 SCALP-Raketen. Die Aufzählung der eingesetzten Waffen hat auch den Zweck, nicht nur den Erfolg des Militärs zu propagieren, sondern auch für diese zu werben, sie sollen schließlich verkauft werden. Und ein Einsatz unter Realbedingungen ist dafür immer gut - wenn sie ihre versprochene Leistung erfüllen. Auch deswegen ist die abgelieferte Erfolgsmeldung so wichtig. Daher wird auch detailliert gesagt, von welchen Plattformen die Raketen abgeschossen wurden.

Man habe jedenfalls mit den vielen Raketen von verschiedenen Plattformen auf verschiedene Ziele die syrische Luftabwehr überwältigt, zudem seien Flugzeuge mit elektronischer Kriegsführung im Einsatz gewesen. Alles lief also wie am Schnürchen:

None of our aircraft or missiles involved in this operation were successfully engaged by Syrian air defenses, and we have no indication that Russian air-defense systems were employed. We are confident that all of our missiles reached their targets. At the end of the strike mission, all our aircraft safely returned to their bases.

Während die Angriffe des Trios also überwältigend und überaus präzise gewesen sein, habe die syrische Luftabwehr gerade einmal 40 Luftabwehrraketen abgefeuert - und dies angeblich nicht nur meist nach dem erfolgreichen Einschlag, es habe sich auch nicht um Lenkraketen gehandelt. Die syrische Luftabwehr sei "weitgehend unwirksam" gewesen. Über die Sicherheit, dass in Douma ein Chemiewaffenangriff stattgefunden hat, der von der syrischen Armee durchgeführt worden sein soll, wollte man im Pentagon nicht weiter berichten, abgesehen davon, dass man halt sicher sei. Es wird auf angebliche Geheimdienstinformationen verwiesen. White sagte: "Well, there's no doubt for us."

Das russische Militär bestreitet die Darstellung des Pentagon. Danach seien 103 Raketen abgefeuert und 71 von der syrischen Luftabwehr abgeschossen worden. Das wäre keine gute Bilanz. Alle Raketen, die auf Flughäfen ausgerichtet waren, seien abgeschossen worden. Angeblich sei auch der internationale Flughafen in Damaskus angegriffen worden. Getroffen worden seien weitgehend unbenutzte Gebäude.

Das russische Militär erklärt denn auch ähnlich apodiktisch wie das Pentagon die hohe Leistungskraft der syrischen Luftabwehr, die auf russischen Systemen basiert. Zwischen fast keiner abgeschossenen Rakete und 71 klafft eine große Lücke. Dass beide Seiten übertreiben, kann man als gegeben betrachten, fragt sich nur, welche mehr übertreibt. Das bleibt aus der Ferne, ohne dies nachprüfen zu können, vorerst Ansichtssache.