Facebook, Google und Twitter verweigern Erscheinen vor Zensurausschuss

Diamond and Silk. Screenshot: TP

Diamond and Silk und Kanye West befeuern Debatte um Paternalismus der Demokratischen Partei

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Im US-Repräsentantenhaus untersucht derzeit ein Ausschuss die Frage, ob und wie Social-Media-Unternehmen zensieren. Dazu hatte man gestern Vertreter von Facebook, Google und Twitter geladen, die aber nicht erschienen. Der republikanische Vorsitzende Bob Goodlatt kündigte darauf hin an, dieses Nichtwahrnehmen der Gelegenheit, ihre Filterpraktiken zu erklären und Fragen dazu zu beantworten, werfe neue Bedenken und mehr Fragen auf. Um diese Fragen beantwortet zu bekommen, müsse man nun "das Notwendige veranlassen". Ob und welche das Zwangsmaßnahmen das bedeutet, ist offen. Auch von den drei Unternehmen gibt es bislang noch keine Stellungnahmen dazu.

Während die Social-Media-Unternehmen nicht erschienen, nahmen die beiden sehr reichweitenstarken Videobloggerinnen Lynnette "Diamond" Hardaway und Rochelle "Silk" Richardson die Gelegenheit, dem Repräsentantenhaus ihre Sicht der Dinge zu erklären, dankbar wahr. Während ihres dreistündigen Auftritts, schilderten sie, wie Facebook ihre Seite mit 1,6 Millionen Followern als angeblich "unsicher für die Gemeinschaft" einstufte, ohne das entsprechend zu begründen. Mark Zuckerberg sagte dem Senat später, das sei ein "Fehler" gewesen.

Werbeschubladenzuweisung ohne Korrekturmöglichkeit

Außerdem beschuldigten die beiden schwarzen Trump-Anhängerinnen Mark Zuckerberg, entgegen seiner eigenen Aussage vor dem Kongress bereits dadurch in die Halbzeitwahlen 2018 einzugreifen, dass er die Nutzer seiner Plattform in politische Werbeschubladen steckt, ohne dass diese die Möglichkeit haben, die von Facebook vorgenommene Zuordnung zu korrigieren. So sei ihr Profil beispielsweise automatisch als "sehr linksliberal" eingestuft und mit entsprechender Werbung bestückt wurden, obwohl sie seit 2016 Anhänger der Trump-Agenda sind (auch wenn man Richardsons Wellensittichfrisur in Deutschland eher bei einer typischen SPD-Politikerin verorten würde).

Der Kalifornier Ted Lieu, der für die Demokraten im Kongress sitzt, kritisierte den Auftritt der beiden Bloggerinnen als "dumm" und "lächerlich", sein Parteifreund Jerrold Nadler (dessen Top-Spender 2017 der Google-Mutterkonzern Alphabet war) sprach von einem "Spektakel". Andere Demokraten warfen Hardaway und Richardson vor, von Donald Trump bezahlt zu werden. In Sozialen Medien kam das eher nicht gut an. Dort erinnerte man sich an die Südstaatlervergangenheit der Partei und warf ihr einen tief verwurzelten Eigentumsanspruch auf Schwarze vor, der zutage trete, wenn sich Angehörige dieser Minderheit der politischen Konkurrenz zuwenden. Dieser bereits länger kursierende Vorwurf bekam diese Woche nicht nur durch die Reaktion der demokratischen Kongressabgeordneten auf das Duo Diamond and Silk neue Nahrung, sondern auch wegen der Vorwürfe, der Musiker Kanye West sei geisteskrank, weil er sich öffentlich für Donald Trump und die schwarze Konservative Candace Owens aussprach.

Cruz will Kartellrecht anwenden

In der Sache argumentierten Nadler und seine Partei, falls es eine Zensur geben würde (was sie nicht glaubten), dann könnte man nichts dagegen machen, weil Facebook und die anderen privaten Social-Media-Konzerne das Recht hätten, so zu filtern, wie sie möchten. Deshalb, so die demokratischen Politiker Zoe Lofgren und Hank Johnson, solle man sich lieber mit einer möglichen Einflussnahme von Bots und Russen beschäftigen. Letzte Woche hatte die Partei vor einem New Yorker Gericht eine 66 Seiten umfassende Klage eingelegt, in der sie den russischen Militärgeheimdienst GRU beschuldigt, 2015 und 2016 durch "Einbrüche" und "Hacking" zu Lasten von Hillary Clinton in den Präsidentschaftswahlkampf eingegriffen zu haben.

Anders als die Demokraten im Repräsentantenhaus ist der republikanische Senator Ted Cruz der Meinung, dass der Kongress eingreifen könnte und müsste, wenn Facebook und andere Social-Media-Unternehmen gerichtet zensieren. Dann wären sie nämlich rechtlich gesehen nicht mehr unpolitische Plattformen, die durch Sektion 230 des Communications Decency Acts (CDA) von einer Haftung für die Inhalte ihrer Nutzer befreit sind. Seiner Ansicht nach haben Unternehmen wie Google und Facebook heute sehr viel mehr Macht als vor 120 Jahren der Zeitungsoligarch William Randolph Hearst, der die USA in den Spanish-Amerikanischen Krieg stürzte. Deshalb hält er auch einen Einsatz der Kartellgesetze für angebracht, mit denen damals die Macht von Konzernen wie Standard Oil begrenzt wurde. Sonst, so Cruz, könnten solche Unternehmen "demokratische Prozesse untergraben".

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