China: "Unsere zweite Heimat"

Hiesige Zukunftsverweigerer und Dieselschnüffler werden schon bald chinesischen E-Autos hinterher winken

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Während hierzulande die meisten Politiker immer noch ihre ganze Energie darauf verwenden, Fahrverbote für Stinker zu verhindern und scheintote Technologien wie Verbrennungsmotoren und Kohlekraftwerke womöglich gar noch bis in die Jahrhundertmitte immer wieder zu reanimieren, findet die Zukunft woanders statt.

In Beijing ging gerade die Auto China zuende, auf der sich die Hersteller für den inzwischen weltweit größten Pkw-Markt präsentierten. 29 Millionen Autos wurden in der Volksrepublik 2017 verkauft. Rund 17 Prozent der auf der Auto-Show vorgestellten neuen Modelle waren bereits Elektroautos oder Hybridfahrzeuge, und vor allem: von diesen 174 waren 124 von chinesischen Herstellern, schreibt die in Hongkong erscheinende South China Morning Post.

2017 wurden 777.000 E-Autos (einschließlich Hybride) in China verkauft, 270.000 mehr als ein Jahr zuvor. Für das laufende Jahr werde erwartet, so die Hongkonger Autorin, dass die Zahl bereits auf ein Million steigt. Wie in den vergangenen Jahren wäre das immer noch mehr als die Hälfte der weltweiten Verkäufe.

Chinas Regierung sei Vorreiter der Entwicklung und wolle den E-Auto-Markt dominieren. 2020 sollen bereits 12 Prozent aller verkauften Wagen einen Elektromotor haben. Ein Quotensystem zwingt die Hersteller, wie berichtet, sich rasch umzustellen. Gleichzeitig drängen in China Dutzende Newcomer auf den Markt, die den alten Automobilkonzernen Beine machen.

Andere stolpern hinter her: "China ist unsere zweite Heimat", zitiert Asia Times Online den erst Mitte April inthronierten neuen VW-Chef Herbert Diess. Tatsächlich verkaufen die Wolfsburger im Land der Mitte inzwischen rund sechs Mal so viele Wagen wie in Deutschland. 2017 waren es mehr als drei Millionen.

Doch der Marktanteil nimmt ab und gerät durch die Umstellung zusätzlich unter Druck. 15 Milliarden Euro will VW daher bis 2022 im Land der Mitte in die Entwicklung und Produktion von Elektroautos stecken, fast die Hälfte seines weltweiten Investitionsprogramms für diesen Zeitraum. Hierzuland kann Diess derweil darauf setzen, weiter seine alten Stinker zu verkaufen, die in China bald keiner mehr wird haben wollen.

Sicherlich ist die Elektrifizierung des Individualverkehrs genauso wenig eine Lösung für den ganzen Planeten, wie es die Verallgemeinerung des westlichen PKW-Wahns auf der Basis von Verbrennungsmotoren sein kann. Dagegen spricht nicht nur die Platz- und Energieverschwendung, die beiden Ansätzen gemein ist. Sondern es könnte auch mancher Rohstoff wie etwa Kupfer knapp werden, lange bevor alle Benziner durch E-Autos umgestellt sind. Aber eines ist sicher: Diejenigen, die den Umstieg hierzulande möglichst lange hinauszögern wollen, werden dann am lautesten schreien, dass "die Chinesen" "unsere" Rohstoffe haben.