"Greenwashing ist ein Ablasshandel für die Reichen"

Kathrin Hartmann. Foto: ©Stephanie Füssenich / Random House

Kathrin Hartmann über einen Ideologie-Apparat

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In Supermärkten und Bioläden ist die Verwendung von Gütesiegeln mit den Prädikaten "umweltfreundlich", "ressourcenschonend" und "sozial verträglich" inflationär geworden. In ihrem Buch Die Grüne Lüge - Weltrettung als profitables Geschäftsmodell geht Kathrin Hartmann dem Selbstbeweihräucherungsbusiness der Mega-Konzerne auf dem Grund, reiste in die Erzeugerländer und legt nebenbei die Grundstruktur einer höchst erfolgreichen, sozialdarwinistischen Ideologie frei.

Frau Hartmann, was hat es mit Greenwashing auf sich und wer sind die Protagonisten?

Kathrin Hartmann: Greenwashing ist eine Ableitung des Begriffs Whitewashing und meint, dass große Konzerne, deren Geschäfte alles andere als sozial, gerecht und umweltverträglich sind, diese unter einem grünen Begriffs-Mäntelchen verstecken. Sei es, dass ein Konzern wie zum Beispiel BP eine ganze Kampagne startet und den Namen von British Petrol zu Beyond Petrolium geändert haben, um ihr Engagement an der Solarenergie hervorzukehren, während das Unternehmen tatsächlich an ihrem Kerngeschäft Erdöl festhält.

Sei es, dass sie mit marktkonformen NGO's wie dem WWF zusammenarbeiten, sei es dass sie irgendwelche Umwelt- oder Sozial-Projekte machen. Das ist nie ganz gelogen, aber es betrifft nie das eigentliche zerstörerische Kerngeschäft, dass ihnen den riesigen Profit beschert.

"Man muss ihnen nicht mit politischer Regulierung kommen"

Wie funktioniert es?

Kathrin Hartmann: Es hat dreierlei Funktionen: Es soll erstens den Konsumenten ein gutes Wissen verkaufen und hält zweitens den Unternehmen die Politik vom Hals, indem sie behaupten, wir kümmern uns selber über das Gesetz hinaus freiwillig darum. Man muss ihnen also nicht mit politischer Regulierung kommen.

Und das Dritte besteht darin, dass man gute Leute für die Unternehmen findet. Ich denke nämlich, dass es sich mittlerweile herum gesprochen hat, welche Unternehmen massive Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden bei ihren Geschäften in Kauf nehmen, so dass es für sie gar nicht mehr einfach ist, an gute Leute zu kommen, denn wer will schon bei einem Unternehmen arbeiten, dem nachgesagt wird, dass es mit ihrem Milchpulver Babies umbringt.?

Indem man nun aber den Leuten vermittelt, man könne "von innen heraus" etwas Positives erreichen, gelangen die Konzerne wieder an gute Mitarbeiter für ihre PR- und Nachhaltigkeitsabteilungen. Ich habe bei meinen Recherchen immer wieder solche PR-Leuten und Nachhaltigkeitsspezialisten kennen gelernt, bei denen ich es fast traurig fand, dass sie sich für so eine Arbeit hergeben.

Kapieren diese Leute nicht, für wen und was sie eigentlich arbeiten?

Kathrin Hartmann: Das Schmerzensgeld ist hoch, aber ich denke schon, dass diese Leute zumindest unterbewusst etwas mitbekommen, dies aber durch ihre Tätigkeit wieder legitimieren können. Indem sie sich selbst versichern, dass sie ja in den Nachhaltigkeitsabteilungen das Unternehmen "von innen heraus" verändern können, können sie sich beinahe als Aktivisten fühlen. Verbunden mit einem dicken Gehalt ist das halt attraktiver, als bei einer NGO zu arbeiten.

Hat Greenwashing eine ideologische Funktion?

Ja. Die gemeinste Folge am Greenwashing ist nämlich, dass es Menschen zu Konsumenten degradiert und die Verantwortung auf sie abschiebt: Sie seien die "Schuldigen", sie kauften die Dinge ja auch. Greenwashing verstärkt so das individuelle schlechte Gewissen und das Gefühl von Machtlosigkeit. Das führt nicht zu Protest oder Widerstand, sondern endet im Supermarkt.

Das erfahre ich selber auf meinen Lesereisen immer und immer wieder: So viele Leute denken, dass sie als Konsumenten an den Zuständen dieser Welt schuld sind und dass es an ihnen liegt, die Problem via ethischem Konsum zu lösen. Ich bin immer wieder erstaunt, wie sehr sich dieses Denken durchgesetzt hat.

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