Warum es nächste Woche mit der Hilfe der Basken eine katalanische Regierung gibt

Katalanisches Parlament. Bild: Parlamant de Catalunya

Die rechten Ciudadanos wollen mit Ministerpräsident Rajoy brechen, weil dieser die Regierungsbildung über sein Verfassungsgericht möglich macht und Neuwahlen vermeidet

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Eigentlich war es schon Ende April klar, dass im fünften Anlauf, bevor die Frist am 22. Mai abläuft, eine katalanische Regierung gebildet und die Zwangsverwaltung über den Verfassungsartikel 155 fallen wird. Über diesen Artikel regiert seit vergangen Oktober die Volkspartei (PP) von Mariano Rajoy in Katalonien undemokratisch durch, wo sie gerade noch auf 4% der Stimmen kommt. Oberflächlichen Beobachtern ist vielleicht nicht aufgefallen, dass die Baskisch-Nationalistische Partei (PNV) plötzlich den Weg freigemacht hat, damit Rajoys PP endlich den Haushalt für 2018 (!) im Parlament debattierten und letztendlich bald beschließen kann. Doch die PNV braucht dafür Gegenleistungen.

Der Vorgang war seit vergangenem Oktober blockiert, da ohne die Stimmen der PNV eben keine Behandlung des Haushalts im Madrider Parlament möglich war. Die baskischen Christdemokraten hatten ihre Zustimmung nicht nur von Verbesserungen - unter anderem für Rentner - abhängig gemacht, sondern auch stets kategorisch erklärt, dass mit es mit einer bestehenden Zwangsverwaltung in Katalonien nichts mit der PP zu verhandeln gibt. Also muss vor der Verabschiedung des Haushalts im Parlament der 155 weg.

Dass die PNV dann Ende April die Behandlung des Haushalts doch möglich gemacht hat, war das klare Signal, dass eine Zwischenlösung gefunden worden war. Und nun ist klar, wie der Deal aussieht. Denn die PNV kann nicht gegen den breiten Willen der Basken mit der PP den Haushalt verabschieden, während eine Zwangsverwaltung in Katalonien aufrechterhalten wird. Das würde der PNV zu großen Schaden zufügen, wozu sie nicht bereit ist. Denn im Baskenland gibt es die stärkste Solidarität mit dem katalanischen Unabhängigkeitsweg, wie auch große Solidaritätsdemonstrationen sehr deutlich gezeigt haben. Auch ihre eigene Basis wäre ihr auf die Füße gestiegen, ganz abgesehen von der starken baskischen Linken. Deshalb braucht die PNV das Ende des 155, um sich sogar als Retter der Katalanen aufspielen zu können.

In der Konsequenz machte am Dienstag ein bemerkenswerter Beschluss des angeblich unabhängigen spanischen Verfassungsgerichts definitiv klar, wohin die Reise nun geht. Was dort so den lieben langen Tag beschlossen wird, muss einem nun noch spanischer vorkommen. Daran ändert nichts, dass die Richter nun ausnahmsweise in der Katalonienfrage einigermaßen nach Recht, Gesetz und Verfassung entschieden haben, während man sich bisher eher in Rechtsumgehung und -beugung geübt hat.

Zwar hat das höchste Gericht am Dienstag die Beschwerde der rechten Partei Cuidadanos (Bürger) gegen eine Reform der katalanischen Parlamentsstatuten angenommen, die es den Exilanten erlaubt, ihre Stimme aus der Ferne an einen Abgeordneten in Katalonien zu delegieren. Zum Entsetzen der "Bürger" wurden nun aber vom Gericht keine vorläufigen Maßnahmen verhängt und die Partei kritisiert, dass die Regierung keine Beschwerde eingelegt hatte. Rajoy gab zurück, dass er insgesamt 26 Mal gegen den katalanischen Prozess bis vor das höchste Gericht gezogen ist.

PP kann Neuwahlen umgehen, bei denen sie gegen die rechte Konkurrenz der Ciudadanos verlieren könnte

Die Bedeutung dieser scheinbar eher unbedeutenden Entscheidung über vorläufige Maßnahmen ist aber enorm. Der aus Spanien geschasste "legitime Regierungschef" Carles Puigdemont und der ehemalige Minister Toni Comín können nun nämlich an Abstimmungen teilnehmen, bis über die Frage ein endgültiges Urteil gesprochen ist. Und das kann viele Jahre dauern, wenn es die Regierung will.

Das eben treibt dem Ciudadanos-Chef Albert Rivera die Zornesröte ins Gesicht, da nun in Katalonien auch ohne die linksradikale CUP eine Regierung gebildet werden kann. Rivera will deshalb die PP von Rajoy nicht mehr unterstützen, weil der zu lasch mit den Katalanen umspringe und die "Separatisten nicht genau genug überwachen" würde. Rivera war es bisher gewohnt, dass das Verfassungsgericht im Auftrag der Regierung sogar ohne das Plazet des Staatsrats die Kandidatur von Puigdemont präventiv ausgehebelt hat. Es hat sogar vorläufige Maßnahmen verhängt, die die Regierung nicht beantragt hatte und das noch bevor auch nur über die Annahme der Beschwerde entschieden war.

Der Mann, der mit Bezug auf den früheren Diktator Primo de Rivera auch "kleiner Falangist" bezeichnet wird, wollte das spanische Recht und die Verfassung auch in der Frage noch weiter verbiegen. Doch das geht nun gegen die Interessen der PP, weshalb er sich nun aufregt. Er erklärte am Mittwoch im Parlament: "Bis hierhin und nicht weiter."

Das ehemalige PP-Mitglied Rivera wollte mit allen Mitteln jede Regierungsbildung in Katalonien verhindern, damit es zu Neuwahlen kommt. Die PP ist dazu aber nicht bereit, denn sie sieht nun eine Chance, ihren Haushalt durchzubringen. Damit entgeht sie Neuwahlen in ganz Spanien, bei denen die Ciudadanos zur PP aufschließen oder sie sogar überflügeln könnten. Das sagen Prognosen, die allerdings in Spanien oft wenig mit der Realität zu tun haben. Klar ist, dass Rajoy und seine Korruptionspartei von Skandal zu Skandal taumeln.

Neuwahlen wären für sie ein Alptraum, da die PP hat es inzwischen sogar geschafft hat, große Teile ihre Stammwählerschaft (Rentner) gegen sich aufzubringen. Deshalb wird sie nun eine katalanische Regierungsbildung zulassen, nachdem sie sie über ein halbes Jahr in vier Fällen mit äußerst zweifelhaften Mitteln verhindert hat. Die Ciudadanos hätten es nun zwar in der Hand, den Haushalt ihrerseits zu blockieren, doch dann erhielt diese Rechtspartei den Schwarzen Peter: Verbesserungen für viele Rentner würde sie blockieren. Deshalb ist ein solcher Schritt des Umfallers Rivera unwahrscheinlich.

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