TOP SECRET: Square Dance auf Kuba

CIA-Draufgänger General Edward Lansdale. Bild: U.S. Air Force

CIA-Draufgänger General Edward Lansdale. Bild: U.S. Air Force

Geheimpläne zur verdeckten biologischen Kriegsführung freigegeben

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In den in den vergangenen Monaten freigegebenen Akten zum Kennedy-Attentat wurden diverse Dokumente aus den 1960er Jahren mit Plänen zur Destablisierung von Kuba auch durch verdeckten Einsatz biologischer Waffen gefunden. Nach der fehlgeschlagenen Invasion in der Schweinebucht von 1961 durch CIA-gesteuerte Exilkubaner ersannen Geheimdienst und Militärs unter der Code-Bezeichung "Operation Mongoose" unkonventionelle Pläne, um Kuba durch Sabotage zu schwächen (Vom Geheimkrieg zum Doomsday-Plan, Lie-Man Lemnitzer). Zuständig für die Ausarbeitung solcher Geheimoperationen war eine vom obskuren General Edward Lansdale geleitete Gruppe im Pentagon.

Was sich Lansdale und Konsorten ausdachten, um die kubanische Wirtschaft zu schwächen, würde man gerne als antiamerikanistische Verschwörungstheorie abtun, ist aber gut belegt. In einem nun freigegebenen Mongoose-Dokument vom 06.09.1962 diskutierte man das künstliche Herbeiführen von Missernten durch biologische Mittel, die zur Tarnung als natürlich erscheinen und etwa chemische Stoffe nicht zurück verfolgbar sein sollten. Man dachte auch über ein Terrorprogramm mit Bomben und Brandstiftung nach, sowie über Streuen von Falschgeld und gefälschten Bezugskarten. Die Generäle erwogen sogar Anschläge auf Sowjetbürger auf der Insel – einen Monat vor der Kuba-Krise.

OPERATION MONGOOSE

Zur Entfernung ranghoher kubanischer Politiker schlug man in einem Geheimdokument vom 21.01.1963 Mordanschläge, Entführung, Bestechung und das Aussetzen von Kopfgeld vor. Die als ALPHA 66 bekannten Exilkubaner sollten die Fischereiflotte ihrer Landsleute zerstören, Anschläge auf die kubanische Marine sollten von vermeintlichen Piraten durchgeführt werden. Zudem plante man die Sabotage von Zuckerrohr und Zuckermühlen, sowie Anschläge auf entsprechende Transportwege. Die Planer schreckten auch nicht vor biologischer Kriegsführung gegen Planzen und Tiere zurück.

Das Papier enthält außerdem ähnliche Pläne wie das berüchtigte Northwoods-Dokument zur Vortäuschung eines Verteidigungsfalles: Um Wirtschaftssanktionen oder eine Seeblockade politisch durchzusetzen überlegte man, ein U 2-Flugzeug über Kuba zur Explosion zu bringen oder einen Angriff auf ein Schiff durch scheinbar kubanische Luft- oder Seefahrzeuge zu inszenieren. Um Kuba in Lateinamerika in Misskredit zu bringen, wollte man von gehackten oder vorgetäuschten Radiostationen Aufrufe zu kommunistischen Umstürzen senden sowie gefälschte Dokumente in Umlauf bringen.

Diese und andere Kuba-Pläne des Pentagons fanden jedoch bei John F. Kennedy keinen Anklang. Im Gegenteil umging der Präsident die eigenen Militärs und den Geheimdienst, indem er nach der Kuba-Krise durch Freunde in Geheimverhandlungen trat. Entsprechende Dokumente zur Geheimdiplomatie zwischen dem Weißen Haus und Havanna wurden ebenfalls letztes Jahr freigegeben (Cuba Secreto).

Der Privatkrieg zwischen Kennedy und den Hardlinern aus Pentagon und CIA, die der Präsident „in Tausend Stücke zerschlagen“ wollte, endete am 22.11.1963 mit einem seltsamen Attentat.

OPERATION SQUARE DANCE

Nach dem Machtwechsel im Weißen Haus wurden die Planungen fortgesetzt. In einem nun aufgetauchten Geheimmemorandum vom 30.10.1964 erwog man unter der Code-Bezeichnung SQUARE DANCE weitere Pläne zur biologischen Kriegsführung gegen Kuba. Wollte man ursprünglich die Zuckerplantagen durch nächtliche Überfälle zerstören, plante man nun, die für Zuckerrohr schädliche parasitäre Pflanze Aeginetia Indica auszubringen. In Betracht kam auch die Schmarotzerpflanze Rafflesien (“Bunga”), die man aus der Luft abwerfen wollte. Hiervon versprach man sich eine Reduktion der kubanischen Zuckerproduktion von 30%.

Um die Viehwirtschaft zu sabotieren, schreckte man nicht einmal vor der Verbreitung der Maul- und Klauenseuche zurück, deren Bekämpfung für die kubanische Wirtschaft desaströse Kosten verursacht hätte. Die heute nahezu karrikaturhaft wirkenden Pläne der Militärs zur Herbeiführung von Missernten gingen so weit, dass man offenbar ernsthaft Regenwolken durch Cloud Seeding abfangen wollte.

Diese geheimen Dokumente waren bereits 1975 einem Bearbeiter des legendären Church-Ausschusses aufgefallen, der nach dem Watergate-Skandal das ungehemmte Treiben der US-Geheimdienste unter die Lupe nahm. Man vermutete, dass solche biologische Kriegsführung durch Parasiten den Großteil des Tier- und Pflanzenlebens auf Kuba getötet hätte. Ob mit der Umsetzung der SQUARE DANCE-Pläne jemals tatsächlich begonnen wurde, blieb dem Church-Ausschuss unbekannt.

Biologische Kriegsführung wäre ein eindeutiger Verstoß gegen die Genfer Konventionen gewesen - was die Strategen im Pentagon allerdings nicht als Hindernis betrachteten. So ist es heute ein offenes Geheimnis, dass die US-Militärs bereits im Korea-Krieg heimlich Biowaffen an ihren Feinden getestet hatten. Wie der Einsatz des Herbizids Agent Orange in Vietnam zeigte, hatte sich an solcher Mentalität nichts geändert. Der Vietnamkrieg war es denn auch, mit dem Johnson seine Militärs und Geheimkrieger beschäftigen konnte, ohne mit der Sowjetunion eine Neuauflage der Kuba-Krise zu riskieren.

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Von Markus Kompa ist als Telepolis-eBook zum Thema erschienen: Cold War Leaks. Geheimnisvolles und Geheimdienstliches aus dem Kalten Krieg