Die öffentliche Hinrichtung der ermordeten Irina A.

Ein Kommentar zum Umgang mit einem Mordopfer

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Nach dem grausamen Frauenmord in Frankfurt gerät das Verbrechen am Opfer zur Nebensache, denn das Vergehen, dessen das Opfer sich schuldig machte, scheint der öffentlichen Meinung nach schwerer zu wiegen.

Am vergangenen Mittwoch wurde in einem Frankfurter Park die Leiche einer jungen Frau entdeckt. Nach und nach kamen unappetitliche Details über den Zustand der Leiche ans Licht. Ihre Identität, Irina A., wurde veröffentlicht und schließlich auch ein Tatverdächtiger, Jan M., festgenommen.

Damit wurde das eigentliche Verbrechen, der grausame Mord an der zweifachen Mutter, uninteressant, denn Opfer und Tatverdächtiger waren keine Unbekannten: Wirt Jan M. und seine Beschäftigte Irina A. hatten Anfang 2017 der Polizei ein vermeintliches Gruppen-Sexual- und Raubdelikt unter Beteiligung ausschließlich "arabisch-stämmiger" Männer gemeldet, das sich an Silvester 2016/17 auf der Frankfurter Freßgass ereignet haben soll.

Später stellte sich heraus, dass es diesen "Sexmob" nie gegeben hat, weshalb die beiden angeklagt wurden.

Irina A. als Schuldige in der Öffentlichkeit

Ein unverzeihliches Vergehen, für die Medien und auch die - vorwiegend linke - Öffentlichkeit, das seither die Berichterstattung und die Diskussion über den Mord beherrscht. Der Frauenmord dient größtenteils nur noch als Alibi, um über Rassismus und Falschbeschuldigungen in Bezug auf Sexualdelikte zu sprechen, und mit Irina A. gleich die Schuldige zu präsentieren - und mit ihr abzurechnen.

Zwischen den Zeilen klingt nicht selten ein hämischen "sowas kommt von sowas" durch. Das Mordopfer wird zum zweiten Mal, dieses Mal öffentlich, hingerichtet.

"Der Volkspark Niddatal, meist kurz Niddapark genannt, ist mit etwa 168 Hektar der größte Park in Frankfurt am Main und nach dem Stadtwald Frankfurts zweitgrößte Grünfläche. (…) Das gesamte Parkgelände bildet einen westlichen Abschnitt des Frankfurter Grüngürtels", ist auf Wikipedia zu lesen. Das klingt nach Erholung, Entspannung, Sport, Spiel, Grillfesten und Outdoor-Kindergeburtstag.

Dieses Heile-Welt-Bild hat in der letzten Woche indes tiefe Schatten bekommen: Am frühen Mittwochmorgen entdeckten Spaziergängerinnen eine Frauenleiche. In verschiedenen Medien berichteten Zeuginnen, wie sie beobachteten, wie Polizei und Spurensicherung den Tatort weiträumig absperrten, die Leiche unter einem Zelt verbargen und offensichtlich ihre Arbeit aufnahmen. Tatort Frankfurt. Im real live nicht ganz so unterhaltsam wie Sonntagsabends in der Flimmerkiste.

Ein "Sexmob"-Verbrechen erfunden

Eine Frauenleiche sei gefunden worden, das sprach sich schnell rum. Später wurde bekannt, dass die junge Frau Opfer einer Messerattacke geworden und ihr Gesicht bis zur Unkenntlichkeit entstellt worden war. Ihr Auto wurde gefunden und damit konnte ihre Identität geklärt werden: Irina A., zweifache Mutter, aktiv im Immobiliengewerbe, dem Rotlicht- und Rockermilieu sowie Bedienung im "First In".

Diese Spur führte zu Jan M., Betreiber des "First-In", der als Tatverdächtiger festgenommen wurde. Ob die Polizei in andere Richtungen ermittelt und ob es eventuell weitere Tatverdächtige gibt, ist zur Stunde unklar. Ebenso, was aus den beiden Kindern von Irina A. wird.

Klar aber ist, und einzig das scheint die Medien und die - vorwiegend linke - Öffentlichkeit zu interessieren: Jan M. und Irina A. wurden angeklagt, weil sie ein Verbrechen erfunden haben. Der Prozess sollte in Kürze beginnen.

Im Februar 2017 behaupteten die beiden der Hessenschau zufolge der Bild gegenüber, "bis zu 50 arabischstämmige junge Männer hätten in der Silvesternacht in Frankfurt Frauen belästigt, Schlägereien angezettelt und Gäste beklaut". Laut Hessenschau sprach Bild damals von einem "Sexmob".

Auch im Sat1 Frühstücksfernsehen sollen die beiden diese Anschuldigungen erhoben haben. Dann stellte sich jedoch raus, dass die Geschichte unwahr war und Irina A. sich zu dem Zeitpunkt, an dem sich der Vorfall ereignet haben sollte, gar nicht in Frankfurt, sondern in Belgrad aufhielt. Jan M. wurde als AfD- und PEGIDA-Anhänger geoutet.

Dass diese Geschichte nun im Zusammenhang mit dem Mord an Irina A. ruchbar wurde, war das zweite, das mediale und öffentliche Todesurteil für die junge Frau.