Assange: Ecuadorianische Regierung sucht einen Deal mit London

Der WikiLeaks-Gründer hat seit sechs Wochen keinen Zugang zum Internet mehr und darf keine Besucher empfangen oder mit Journalisten sprechen

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Ende März hatte das Außenministerium von Ecuador Julian Assange, dem seit mehr als sechs Jahren Asyl in der ecuadorianischen Botschaft gewährt wird, den Internetzugang gesperrt und überhaupt verboten, sich an die Öffentlichkeit zu wenden oder mit Journalisten zu sprechen. Der WikiLeaks-Gründer und Internetaktivist hatte sich zuletzt zu den Vorgängen in Katalonien geäußert und die Festnahme von Puigdemont in Deutschland kritisiert. Vermutlich war dies der Anlass für die Außenministerin María Fernanda Espinosa, Assange abzuklemmen, weil er damit die Vereinbarung verletzt habe, sich mit seinen öffentlichen Kommentaren nicht in Angelegenheiten anderer Staaten einzumischen (Ecuador dreht Julian Assange wieder das Internet ab). Auf WikiLeaks wird allerdings gesagt, der Druck auf die ecuadorianische Regierung gehe auf Washington zurück.

Die seit 2017 amtierende Regierung unter Präsident Lenin Moreno ist bestrebt, den Fall Assange zu lösen, nun wohl auch auf dessen Kosten. Denn Assange muss weiterhin damit rechnen, in Großbritannien nach Verlassen der Botschaft verhaftet und womöglich in die USA überstellt zu werden. Obgleich Schweden den internationalen Haftbefehl zurückgezogen hat, könnte Großbritannien ihn wegen der Verletzung der Kautionsbedingungen in Haft nehmen. Noch haben die USA keine Anklage erhoben und keinen Auslieferungsantrag gestellt, das dürfte aber schnell erfolgen, wenn die britische Polizei ihn festnimmt.

Im April 2017 hatte Trumps Justizminister Sessions erklärt, dass eine Verhaftung von Assange für die Regierung eine "Priorität" sei. Seit der Präsidentschaftswahl wird WikiLeaks unterstellt, mit Moskau zusammenzuarbeiten und gegen Clinton agiert zu haben. Obgleich Trump als Präsidentschaftskandidat schon mal auf Assange wegen der geleakten Clinton-Mails verwies (Trump und Assange: "Ein Vierzehnjähriger hätte die Mails hacken können"), dürfte er wegen der Ermittlungen von Robert Mueller über Verwicklungen seines Teams mit Russland nun eher darauf setzen, scharf gegen Assange vorzugehen. Dafür hat Assange mit Sarah Palin oder Pamela Anderson neue Unterstützerinnen.

Maria Fernanda Espinosa hat am 9. Mai erklärt, ihre Regierung wolle zusammen mit der britischen Regierung, "die Frage endgültig lösen". Assange, so die Außenministerin, dürfe weiterhin nicht das Internet nutzen. Angeblich soll er auch nicht telefonieren oder Besucher empfangen dürfen. Espinosa betonte allerdings, man suche nach einem Ausweg, der weder das internationale Recht noch die Menschenrechte von Assange verletzt. Beide Regierungen hätten das Interesse, das Problem zu lösen, man müsse dazu verschiedene Themen verbinden. Man wolle alle diplomatischen Mittel einsetzen und in einen permanenten Dialog mit der britischen Regierung eintreten. Bislang ist man aber in London nicht bereit, mit sich reden zu lassen. Auch die Labour Party und Parteichef Jeremy Courbyn scheinen mit dem Fall Assange nichts zu tun haben wollen.

Zuletzt hatte das Außenministerium vergeblich versucht, ihn aus Großbritannien mittels eines diplomatischen Passes zu bringen, nachdem ihm im Dezember die Staatsbürgerschaft zu diesem Zweck verliehen wurde. Auch hier blieb die britische Regierung hart. Das britische Außenministerium teilte mit, man gewähre Assange keinen diplomatischen Status und sei auch nicht in Verhandlungen mit der ecuadorianischen Regierung darüber eingetreten: "Ecuador weiß, dass der Weg für Assange zur Lösung des Problems das Verlassen der Botschaft ist, um sich der Justiz zu stellen."

Die Lage von Julian Assange ist verzweifelt. Seine Gefangenschaft, nun durch das Abschneiden der Kommunikation zu einer Art Isolationshaft verschärft, scheint kein Ende zu nehmen. Und wenn nun die ecuadorianische Regierung einzuknicken droht, sind die Aussichten für den Aktivisten, der für die Freiheit des Internet und der Information angetreten ist, mehr als düster. Sein Schicksal - und das von Edward Snowden, des anderen Gefangenen - ließe sich auch als Symbol für den Niedergang der Träumereien des digitalen Zeitalters verstehen