Das Chaos um die DSGVO geht weiter

Grafik: TP

Sollen die Gerichte aktiv werden, weil es der deutsche Gesetzgeber nicht geschafft hat, die EU-Verordnung an die deutsche Situation anzupassen?

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Das Chaos um die EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ist im Bundeskanzleramt angekommen. Die Kanzlerin will sich nochmals mit dem zuständigen Innenminister Horst Seehofer über die deutsche Umsetzung der DSGVO beraten. Die Konsequenzen dieser Beratungen sind jedoch bislang nicht bekannt geworden. Und somit geht das Chaos weiter.

Die EU-Datenschutzgrundverordnung wurde am 27. April 2016 verabschiedet und tritt am 25. Mai 2018 in Kraft. Als EU-Verordnung tut sie das in allen EU-Mitgliedsstaaten gleichzeitig. Allerdings enthält die DSGVO mehrere Öffnungsklauseln, die von den einzelnen Staaten ausgestaltet werden können. Von dieser Möglichkeit hat die Bundesregierung bislang jedoch keinen Gebrauch gemacht und überlässt das Feld fürs Erste den einschlägigen Anwaltskanzleien sowie der Exegese der mehr oder weniger kompetenten von der Verordnung Betroffenen.

Berlin und Länder ratlos

In Berlin scheint man in der Sache noch ziemlich ratlos zu sein. Die Anfrage beim zuständigen Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat führte lediglich zu dem Hinweis, dass der Datenschutz Ländersache sei. Eine Anfrage bei den 16 Landesdatenschutzbeauftragten führte bislang zu drei Eingangsbestätigungen und einer Antwort, in welcher man bedauert, dass die unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder zu den sich aus der Veröffentlichung der DSGVO noch keine abschließende gemeinsame Positionierung vorgenommen haben. Man muss sich in diesem Zusammenhang immer wieder in Erinnerung rufen, dass die EU-DSGVO vor gut zwei Jahren veröffentlicht wurde.

Inzwischen hat man sich in Berlin dann doch gerührt und verweist auf ein Schreiben aus dem Bürgerservice des Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat:

Gerne nehme ich vertiefend zu Ihren Fragen Stellung. Um Wiederholungen zu vermeiden, möchte ich jedoch eingangs erneut betonen, dass sich aus der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) und den diese ergänzenden nationalen Gesetzen keine wesentlichen Änderungen der Rechtslage bei der Anfertigung und Verbreitung von Fotografien ergeben.

Das Anfertigen von Fotografien wird sich auch zukünftig auf eine - wie bislang schon - jederzeit widerrufbare Einwilligung oder alternative Erlaubnistatbestände wie die Ausübung berechtigter Interessen (Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO) stützen können. Diese Erlaubnistatbestände (nach geltender Rechtslage Art. 7 der geltenden EU-Datenschutz-Richtlinie 95/46/EG i.V.m. den nationalen Umsetzungsgesetzen) decken seit vielen Jahren datenschutzrechtlich die Tätigkeit von Fotografen ab und werden in Art. 6 DS-GVO fortgeführt. Die Annahme, dass die DS-GVO dem Anfertigen von Fotografien entgegenstehe, ist daher unzutreffend.

Für die Veröffentlichung von Fotografien bleibt das Kunsturhebergesetz auch unter der ab dem 25. Mai 2018 anwendbaren Datenschutz-Grundverordnung erhalten. Es sind, wie ich bereits in meiner Antwort ausgeführt habe, keine Änderungen oder gar eine Aufhebung mit Blick auf die Datenschutz-Grundverordnung vorgesehen.

Die Ansicht, das Kunsturhebergesetz werde durch die DS-GVO ab dem 25. Mai 2018 verdrängt, ist falsch. Das Kunsturhebergesetz stützt sich auf Artikel 85 Abs. 1 DS-GVO, der den Mitgliedstaaten nationale Gestaltungsspielräume bei dem Ausgleich zwischen Datenschutz und der Meinungs- und Informationsfreiheit eröffnet. Das Kunsturhebergesetz steht daher nicht im Widerspruch zur DS-GVO, sondern fügt sich als Teil der deutschen Anpassungsgesetzgebung in das System der DS-GVO ein. Eine gesetzliche Regelung zur Fortgeltung des Kunsturhebergesetzes ist nicht erforderlich. Ebenso führen die Ansätze anderer Mitgliedstaaten, die sich in allgemeiner Form zum Verhältnis von Datenschutz und Meinungs- und Informationsfreiheit verhalten, in der praktischen Umsetzung nicht weiter und führen nicht zu mehr Rechtssicherheit.

Die grundrechtlich geschützte Meinungs- und Informationsfreiheit fließt zudem unmittelbar in die Auslegung und Anwendung der DS-GVO ein, insbesondere stellen sie berechtigte Interessen der verantwortlichen Stellen nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO dar. Die DS-GVO betont, dass der Schutz personenbezogener Daten kein uneingeschränktes Recht ist, sondern im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abgewogen werden (Erwägungsgrund 4). Zu den von der DS-GVO in diesem Zusammenhang genannten Grundrechten zählt ausdrücklich auch die Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit.

Ich würde mich freuen, wenn die vorstehenden Ausführungen dazu beitragen, Ihnen Ihre Befürchtungen zu nehmen.

Hier wird die Meinung vertreten, dass das Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (KuG) vom 09. Januar 1907 auf Grundlage der möglicherweise bestehenden Öffnungsklausel nach Art. 85 Abs. 1 DSGVO bestehen bleiben kann (dazu siehe auch von Markus Kompa: Recht am eigenen Bild – Einwilligung widerruflich?)