Kohlekommission: Klimaschutz nicht vorgesehen

Tagebau Welzow-Süd. Bild : Friedhelm Dröge/ CC BY-SA-4.0

Papier der Bundesregierung macht deutlich, dass die Ratifizierung des Pariser Klimavertrages nicht ernst gemeint war und Deutschland weiter auf Kosten anderer wirtschaften soll

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Die Bundesregierung hat ihre Pläne für die Kohlekommission konkretisiert, wie unter anderem der Spiegel berichtet. Offiziell soll es eine Kommission für "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung (WSB)", sein wie es in einem Telepolis vorliegenden Papier heißt.

Um Klimaschutz wird es nur eher am Rande gehen. Zwar heißt es, dass "(d)arüber hinaus ein Plan zur schrittweisen Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung, einschließlich eines Abschlussdatums und der notwendigen rechtlichen, wirtschaftlichen, sozialen, renaturierungs- und strukturpolitischen Begleitmaßnahmen" erarbeitet werden soll. Doch Richtschnur ist der 2016 von der seinerzeitigen Bundesregierung aufgestellte Klimaschutzplan 2050.

Dieser reicht beim näheren Hinsehen nicht im entferntesten, um die Klimaschutzziele der Pariser Übereinkommens, dem 2015 in der französischen Hauptstadt verabschiedeten Mini-Klimavertrag, zu erreichen. In diesem hatte sich Deutschland verpflichtet, gemeinsam mit den anderen Staaten dafür zu sorgen, "den Anstieg der globalen Temperatur deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau (zu halten) und Anstrengungen zu verfolgen, um den den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu beschränken" (Artikel 2, Paris Agreement).

Nun ist es so, dass die Klimawissenschaftler ungefähr eingrenzen können, wie viel Treibhausgasemissionen – angegeben gewöhnlich in CO2-Äqivalenten – dafür noch emittiert werden dürfen. Das sind, je nachdem welches Zieljahr, welche Temperatur-Obergrenze und welche Sensibilität des Klimasystems man annimmt, 200 bis 800 Milliarden Tonnen. Insgesamt. Das heißt, für die nächsten Jahrtausende, bis der CO2-Gehalt der Atmosphäre durch natürliche Prozesse wieder nennenswert abgesunken ist. (Das lässt sich eventuell beschleunigen, aber ob und in welchem Umfang und Tempo ist ungewiss und eine ganz andere Diskussion.)

Dieses noch erlaubte Budget steht natürlich allen Menschen im gleichen Maße zu. Umgerechnet auf die 82 Millionen Deutschen wären es also noch 2,2 bis 8,8 Milliarden Tonnen. So viel darf Deutschland noch emittieren, wenn es nur seinen eigenen Anteil beanspruchen würde. (Diese Rechnung ist im übrigen sehr großzügig, weil die bereits in der Atmosphäre angereicherten deutschen Emissionen, die umgerechnet auf die Bevölkerung weit größer als die Chinas und die der allermeisten anderen Länder sind, unberücksichtigt bleiben.)

Deutschland soll auch im Jahr 2030 noch 557 Millionen Tonnen Treibhausgase emittieren

Der Klimaschutzplan der Bundesregierung, für die die Kohle-Kommission nun die Umsetzung skizzieren soll, sieht jedoch vor, dass Deutschland auch im Jahre 2030 noch 557 Millionen Tonnen Treibhausgase emittiert; gegenwärtig sind es gut 900 Millionen Tonnen. Wenn wir annehmen, dass die Emissionen in den 12 Jahren ab 2019 bis einschließlich 2030 linear auf das angestrebte Niveau abgesenkt werden, dann würden in dieser Zeit 8,7 Milliarden Tonnen emittiert.

Oder mit anderen Worten: Selbst im günstigsten Fall wäre das deutsche Budget im Jahre 2030 aufgebraucht und die Emissionen müssten praktisch über Nacht auf Null herunter gefahren werden – wenn denn die in Paris abgegebenen Versprechen ernst gemeint gewesen sein sollten.

Doch Letzteres ist offensichtlich nicht der Fall, denn der genannte Plan der Bundesregierung sieht unter anderem implizit vor, dass auch 2030 noch viele Kohlekraftwerke laufen werden. Die Energiewirtschaft soll bis dahin ihre Emissionen – und die kommen ganz überwiegend aus den Kohlekraftwerken – von 358 Millionen Tonnen im Jahre 2014 auf 183 Millionen Tonnen herunter fahren. Daran soll sich die Kohle-Kommission orientieren. Ernsthafter Klimaschutz ist also nicht vorgesehen.

Den Vorsitz der Kommission sollen der ehemalige brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und sein einstige sächsischer Amtskollege Stanislaw Tillich (CDU) übernehmen, wie neben anderen die Berliner Zeitung schreibt. Damit wäre gesichert, dass zwei Männer, denen die Braunkohle am Herzen liegt, bestimmen. wo es lang geht.

Erste Ergebnisse soll die Kommission schon Ende Oktober 2018 vorlegen und die Arbeit zum Ende des Jahres abschließen. Eine sachliche Debatte, die die Öffentlichkeit gebührend einbezieht, möchte man offensichtlich vermeiden, indem Zeitdruck geschaffen und der Ernst der Lage zugleich konsequent beschwiegen wird. Erst werden die Probleme viele Jahre ignoriert und geleugnet, dann müssen auf einmal ganz schnell Entscheidungen gefällt werden, die für Jahrzehnte bindend sein sollen.

Schon als das Ziel, die Emissionen bis 2020 um 40 Prozent gegenüber dem 1990er Niveau zu reduzieren, 2007 von der ersten Regierung Merkel/Gabriel formuliert worden war, haben Fachleute und Klimaschützer ihr vorgerechnet, dass dafür die notwendigen Maßnahmen auch beschlossen werden müssten.

Stattdessen haben sowohl Angela Merkel als auch der inzwischen von Siemens für seine Dienste belohnte Sigmar Gabriel sogar noch den Bau neuer Kohlekraftwerke gefordert und unterstützt, von denen bereits Anfang der 1990er Jahre bekannt war, dass sie angesichts des Klimawandel zügig ersetzt werden müssen.

Und nun möchte man diese zerstörerische Technologie noch einmal für weitere mindestens zwei Jahrzehnte konservieren, wohlwissend, dass damit auch zugleich der Aufbau von Alternativen behindert und verzögert wird.

Dazu siehe das bei Telepolis erschienene eBook: Après Paris. Die Konsequenzen der Klimakonferenz von Paris.